Zur Geschichte des Hamburger Aufstandes 1923: Drittes Kapitel

DRITTES KAPITEL

Der Kurs der KPD auf einen bewaffneten Aufstand der deutschen Werktätigen im Oktober 1923

Sofort nach Verabschiedung des Ermächtigungsgesetzes durch den Reichstag erklärte die Kommunistische Partei, daß die Regierung die Vollmachten des Ermächtigungsgesetzes allein zur Verelendung und Versklavung des Proletariats und breiter Schichten des Kleinbürgertums benutzen werde. Die rechten Sozialdemokraten, die diese Regierung stützten und durch das Ermächtigungsgesetz der kapitalistischen Gesellschaft eine starke Waffe gegen die Arbeiterschaft zur Durchführung des Stinnes-Programms in die Hand gäben, übten schändlichen Verrat am Proletariat und lüden vor der Geschichte die schwerste Verantwortung auf sich. Die Arbeiterklasse werde die „ Unterdrückungspolitik der Regierung Stresemann-Sollmann nicht dulden. Sie wird die Einheit Deutschlands und ihre eigene Klassenexistenz gegenüber der großkapitalistischen-militärischen Gegenrevolution unter Aufbietung ihrer wirtschaftlichen Machtmittel und, wenn es sein muß, auch mit der Waffe in der Hand verteidigen.1

Das waren keine leeren Worte. Die Kommunistische Partei bereitete sich darauf vor. Unter dem Einfluß Ernst Thälmanns hatte schon Ende August eine Parteikonferenz des Bezirks Wasserkante die Zentrale der Partei aufgefordert, Richtlinien zur Vorbereitung des unmittelbaren bewaffneten Kampfes um die politische Macht herauszugeben.2 Die Tatsache, so hieß es in einem Artikel der „Hamburger Volkszeitung“ zu dieser Konferenz, daß sich der wirtschaftliche und politische Kampf zuspitze und die Massen sich rasch vom Einfluß der SPD lösten, mache es wahrscheinlich, daß bei den nächsten Kämpfen bereits die Frage der politischen Machtergreifung durch das Proletariat auf der Tagesordnung stehe. Darum sei es notwendig, daß die Partei bei der Propagierung der Arbeiter-und Bauernregierung mit aller Energie darangehe, den Massen die Notwendigkeit der Diktatur des Proletariats und die Unvermeidlichkeit des Bürgerkrieges zu erläutern.3 Die Mitarbeiter Ernst Thälmanns beschränkten sich in ihrer Agitationsarbeit nicht nur darauf, die Notwendigkeit des Kampfes um die Beseitigung der unmittelbaren Nöte der Werktätigen nachzuweisen. Sie erklärten zugleich, daß alle in diesem Kampf angestrebten Ziele keine wesentlichen Veränderungen in der Lage der Werktätigen herbeiführen, sondern bestenfalls die größte Not und das größte Leid etwas lindern könnten. Solle jedoch das Übel mit der Wurzel beseitigt werden, dann müsse vor allem die Diktatur der Monopolherren und Junker zerschlagen und durch die Diktatur des Proletariats, das heißt durch die Demokratie für die Massen und die Diktatur gegenüber den Konzernherren und Großgrundbesitzern, ersetzt werden.4

Aber die unter Brandlers Einfluß stehende Zentrale der KPD stemmte sich gegen eine solche konsequente revolutionäre Politik. „Wenn ihr mit dem Geschwätz über die Diktatur nicht aufhört“, drohte Brandler Hamburger Revolutionären, „werdet ihr aus der Partei ausgeschlossen.“5 Brandler und seine Anhänger taten alles, die Partei daran zu hindern, daß sie ihre Kräfte auf die Aufgaben konzentrierte, auf die Ernst Thälmann unaufhörlich hinwies. Diese führende opportunistische Gruppe wollte nach wie vor durch eine prinzipienlose Blockbildung mit VSPD-Führern und unter Ausschaltung des revolutionären Massenkampfes sogenannte Arbeiterregierungen bilden, die den bürgerlichen Staatsapparat ausnützen sollten, um die bürgerlich-demokratische Republik auf „friedlichem Wege“ allmählich in einen Staat der Arbeiter und Bauern umzuwandeln.6 Das war eine Politik, die unter den damals gegebenen Bedingungen niemals zur Machtergreifung durch die Arbeiterklasse führen konnte. Was bei ihr herauskommen mußte, hatte Ernst Thälmann bereits auf dem VIII. Parteitag der KPD vorausgesagt. Er erklärte damals: „Wer sich einbildet, daß eine Arbeiterregierung vielleicht auf legalem Wege geschützt wird, wenn das Proletariat nicht kämpft, der wird erleben, daß bei der ersten besten Gelegenheit die Bourgeoisie diese auf den Ministersesseln sitzenden Arbeiter zum Teufel jagen wird … Der Eintritt in die Arbeiterregierung bedeutet für mich, daß zum mindesten ein Ansatz vorhanden sein muß, von dem aus die Macht der Bourgeoisie zertrüimmert werden kann, daß in der Arbeiterregierung eine Vorstufe der proletarischen Diktatur vorhanden sein muß, daß Teile des Proletariats in der Lage sein müssen, diese Arbeiterregierung zu schützen und zu stützen.“7 Obwohl die Brandler-Gruppe in der Zentrale nicht die Mehrheit besaß, gelang es ihr, bis Mitte September auf Grund des Versöhnlertums einiger Mitglieder und auf Grund ungenügender Erfahrungen der anderen Mitglieder einen entschlossenen Kurs auf die Vorbereitung des bewaffneten Aufstandes zu verhindern. Erst die Hilfe des Exekutivkomitees der Kommunistischen Internationale, des freiwilligen Bundes aller kommunistischen Parteien, führte eine Wendung herbei.

Das Exekutivkomitee der Kommunistischen Internationale berief im September 1923 eine Konferenz zur Klärung der Fragen der deutschen Revolution ein.8 Brandler übertrieb auf dieser Konferenz die Vorbereitungen der KPD und machte es dem Exekutivkomitee schwer, sich von den Schwierigkeiten und Erfordernissen der deutschen revolutionären Bewegung eine richtige Vorstellung zu machen.9 Die Konferenz gab trotzdem denjenigen Mitgliedern der KPD recht, die den Einsatz aller Kräfte der Partei für die Vorbereitung des unmittelbaren bewaffneten Kampfes um die politische Macht forderten.

Seit dieser Konferenz arbeitete der Apparat der Kommunistischen Partei energisch daran, auch das letzte Mitglied zu aktivieren und für die bevorstehenden großen Klassenschlachten zu wappnen.10 Von entscheidender Bedeutung war hierbei die Bewaffnung des deutschen Proletariats. Der Militärische Rat der KPD, zu dessen ständigen Mitgliedern unter anderen auch Walter Ulbricht gehörte, organisierte die Bewaffnung der proletarischen Hundertschaften. Das geschah, wie Walter Ulbricht berichtete, in folgender Weise: „Aus Suhl, Pirna, Chemnitz und Potsdam wurden Waffen beschafft. Die Arbeiter aus Suhl leiteten einige Waffenlieferungen, die für die reaktionären Mordbanden gedacht waren, zu den Verteilerstellen der KPD. Ein Teil der Waffen wurde gekauft. Einige Soldaten der Potsdamer Regimenter unterstützten die Bewaffnung der Arbeiter. In Chemnitz konnte durch die Wachsamkeit der Eisenbahner auf dem Güterbahnhof ein großer Schuppen voller Kisten mit Gewehren und Munition, die für die Separatisten bereitgestellt waren, entdeckt und die Waffen abtransportiert werden. In Koffern transportierten die Genossen Sprengstoffe aus einem Lager in Berlin-Charlottenburg zu wichtigen Verkehrsknotenpunkten in Mitteldeutschland. In Hamburg organisierten die Seeleute und Hafenarbeiter unter der Leitung des Genossen Ernst Thälmann die Bewaffnung.“11

Die Arbeiter der Agrargebiete versuchten, den imperialistischen Bürgerkriegsverbänden, die vorwiegend auf den junkerlichen Gütern stationiert waren, die Waffenlager auszuräumen. In Darkehmen, Ostpreußen, bemächtigte sich zum Beispiel die KPD eines Waffenlagers mit 600 Gewehren.12

Bei den Aktionen zur Waffenbeschaffung und bei der Zersetzung der Reichswehr und der Polizei spielten Arbeiterinnen eine bedeutende Rolle. Oft waren sie es, die an Soldaten und Polizisten herantraten, um sie für die KPD zu gewinnen und von ihnen Waffen zu erhalten.13

Wie aus den Akten des Reichskommissars für Überwachung der öffentlichen Ordnung hervorgeht, bemerkten die bürgerlichen Behörden seit Anfang Oktober diesen entschlossenen Kurs auf die Bewaffnung. Einen Tag nach der Annahme des Ermächtigungsgesetzes durch den Reichstag führten die Polizeibehörden schlagartig in allen Gebieten Deutschlands eine Haussuchungs- und Beschlagnahmeaktion gegen die KPD durch.14 Aber die Waffen, die sie suchten, konnten sie nur in einzelnen Fällen finden; der Waffenbestand der Partei blieb erhalten und wurde ständig vergrößert. Anfang Oktober schätzte ihn der Reichskommissar für Überwachung der öffentlichen Ordnung auf 50.000 Gewehre, 100 Maschinengewehre und 10 Feldkanonen.15

War dem bürgerlichen Staatsapparat die Entwaffnung der revolutionären Arbeiter auch mißlungen, so versuchte er wenigstens die proletarischen Hundertschaften zu zerschlagen. Die proletarischen Hundertschaften bildeten den Keim einer neuen Armee. Die Führer der proletarischen Wehrorganisationen wurden verhaftet, wo man ihrer nur habhaft wurde. Mitte Oktober wurden die proletarischen Hundertschaften auch in Sachsen und Thüringen verboten, wo sie sich bisher ohne allzugroße Behinderung zahlenmäßig gut entwickeln konnten. Aber wie in den anderen Ländern der Weimarer Republik, so kapitulierten auch hier die fortschrittlichen Arbeiter nicht vor dem Verbot. Sie setzten ihre Vorbereitungsarbeiten illegal fort.

Am 13. und 14. Oktober versammelten sich trotz des Verbots etwa 150 Delegierte zum 1. Kongreß der sächsischen proletarischen Abwehrformationen. Diese Delegierten, die der KPD, SPD, USPD und den Gewerkschaften angehörten, bestätigten den provisorischen Zentralausschuß, der aus je 4 Mitgliedern der KPD und VSPD bestand und sich verpflichtete, mit aller Kraft für die Festigung und Bewaffnung der proletarischen Hundertschaften zu arbeiten.16

Das alles waren beachtliche Erfolge; allein es bestand, wie Walter Ulbricht darlegte, trotzdem folgender Mangel: „Der Beschluß der Zentrale, die proletarischen Hundertschaften zu bewaffnen, wurde als Angelegenheit einer konspirativen Gruppe betrachtet. Den Arbeitern in den proletarischen Hundertschaften wurde nicht die Aufgabe gestellt, die Selbstbewaffnung durchzuführen. Der Militärische Rat hatte wohl erkannt, worin der Fehler bestand, doch hatte man eine Trennung der politischen Führung von der militärischen Vorbereitung vorgenommen. Der Militärische Rat beschränkte sich hauptsächlich auf die Waffenbeschaffung, auf Fragen des Eisenbahnverkehrs und dergleichen.“17

Nach dem Plan der KPD sollte der Hauptkampf in Mitteldeutschland, in Sachsen und Thüringen, ausgetragen werden. Den Arbeitern Württembergs, Badens und Bayerns wurde die Aufgabe gestellt, den dort stationierten imperialistischen Bürgerkriegsverbänden den Weg nach Mitteldeutschland zu versperren. Im Ruhrgebiet dagegen war Ruhe vorgesehen, weil man einen Kampf gegen die französische Besatzung nicht für möglich hielt. Die Bezirke Hamburg, Bremen, Lübeck sollten soweit wie möglich mit eigenen Kräften losschlagen. Den Landarbeitern und werktätigen Bauern in den Agrargebieten wurde die Aufgabe gestellt, die großen Güter anzugreifen; die mecklenburgischen Landarbeiter sollten gegen die Gutsbesitzer den Partisanenkampf eröffnen. Berlin und Oberschlesien erhielten in diesem Plan keine besonderen Aufgaben zugewiesen.18 Diese Unterschätzung Berlins, Oberschlesiens und des Ruhrgebiets und die Beschränkung im wesentlichen auf Mitteldeutschland machten den Plan fehlerhaft.19

Eine ernsthafte Vorbereitung auf den unmittelbaren bewaffneten Kampf um die Errichtung eines deutschen Arbeiter- und Bauernstaates erforderte nicht nur die Bewaffnung und Organisierung der Arbeiterkampftrupps; gleichzeitig mußten die Massen organisiert und politisch auf den bewaffneten Aufstand vorbereitet werden. Auch hierbei leistete die KPD Bedeutendes.

Es war vor allem das Verdienst Fritz Heckerts, daß die Partei trotz der schädlichen Politik der rechtssozialistischen Gewerkschaftsführer die kommunistischen Gewerkschaftsmitglieder nach wie vor zu aktiver Arbeit in den reformistischen Gewerkschaften anspornte. Der Erfolg blieb nicht aus. Im Herbst 1923 stand fast die Hälfte der Mitglieder der wichtigsten Gewerkschaften unter dem Einfluß der KPD. Die Zahl der kommunistischen Fraktionen in den reformistischen Gewerkschaften

stieg von Juli bis Ende Oktober 1923 von 4000 auf 6000. Das Problem der zentralen revolutionären Führung der gewerkschaftlich organisierten Massen versuchte die KPD mit Hilfe „Roter Kartelle“ zu lösen. Die Zahl dieser Kartelle, in denen sich die Führer der kommunistischen Gewerkschaftsfraktionen und die kommunistischen Gewerkschaftsvertrauensleute zusammengeschlossen hatten, wuchs von Juli bis Oktober von 1100 auf 2100. Im Oktober stand die Gewerkschaftsabteilung der Zentrale der KPD mit 3460 Orten, teils mit „Roten Kartellen“, teils mit wichtigen Fraktionen, teils mit Ortsausschüssen des ADGB, die bereits von Kommunisten geleitet wurden, in direkter Verbindung.20 Das stellte eine beachtliche Basis dar, von der aus die Arbeitermassen in die bevorstehenden Kämpfe geführt werden konnten.

Mehr denn je bemühte sich die Kommunistische Partei Deutschlands, durch die Betriebsrätebewegung, die Kontroll- und die Erwerbslosenausschüsse und die proletarischen Hundertschaften die gewerkschaftlich organisierten Arbeiter mit den gewerkschaftlich unorganisierten Arbeitern zur Aktionseinheit zu verbinden. Die Resultate der Wahlen und Abstimmungen, die im zweiten Halbjahr 1923 in Ländern, Gemeinden, Gewerkschaften und in der Betriebsrätebewegung durchgeführt wurden, deuten darauf hin, daß die KPD auf dem besten Wege war, die Mehrheit der organisierten und unorganisierten Arbeiter um ihr Banner zu scharen.21 Im September und Oktober wuchs die Zahl der betrieblichen und örtlichen Aktionsausschüsse sprunghaft. Indem aber die Mehrzahl dieser Ausschüsse in Form von Arbeitsausschüssen der KPD-, VSPD-, USPD-, ADGB- und AFA-Vorstände entstand,22 verlagerte sich das Schwergewicht, das auf der Einheitsfront von unten liegen sollte, auf die örtlichen und gebietlichen Spitzenfunktionäre dieser Organisationen. Das machte die Aktionsausschüsse oft zu rein formalen Gebilden.

Der grundlegende Mangel bei der Organisierung der Massen bestand jedoch darin, daß die KPD dabei ohne politische Arbeiterräte vom Typ der russischen Sowjets auszukommen versuchte. Stalin hatte auf der Septemberkonferenz des Exekutivkomitees der Kommunistischen Internationale im Jahre 1923 eindringlich auf die Notwendigkeit politischer Arbeiterräte hingewiesen.23 Die Geschichte hatte bereits gelehrt, daß die ganze Masse der Unterdrückten und Ausgebeuteten nur mit

Hilfe einer allumfassenden Organisationsform, wie sie die Räte darstellen, zum Sturm auf die Bastionen des Kapitals zusammengefaßt und mobilisiert werden kann. Aber die Brandler-Gruppe ignorierte die Erfahrungen der Geschichte. Sie meinte gemeinsam mit Trotzki und Radek, daß in Deutschland die Betriebsräte für die Übernahme der Macht ausreichten. Diese schädliche Auffassung setzte sich dann in Deutschland durch. Das war ein ernsthaftes Hindernis, das jedoch im Verlauf revolutionärer Massenkämpfe hätte schnell beseitigt werden können.

Die Agitationsarbeit der Kommunisten konzentrierte sich richtig darauf, die Werktätigen von der Notwendigkeit eines Kampfes auf Leben und Tod gegen die deutschen Imperialisten zu überzeugen. Davon legen die wenigen legalen kommunistischen Zeitungen, die in diesen Wochen zeitweilig erschienen sind, ein beredtes Zeugnis ab. Die Zentrale der KPD verschwieg den Massen nicht, daß die außerordentliche Verschärfung der Klassengegensätze schwere bewaffnete Kämpfe notwendig machte. Am Schlusse ihres Aufrufes vom 27. September 1923, in dem sie dem gesamten arbeitenden Volk bewies, daß die deutschen Imperialisten nach der Liquidierung des passiven Widerstandes die Niederschlagung der Arbeiterschaft beabsichtigten, hieß es:

„Abwehrausschüsse müssen gebildet werden. Ihre Aufgabe ist es, den Generalstreik über ganz Deutschland vorzubereiten. Er muß die Antwort sein auf jeden Angriff auf das Proletariat. Arbeiter! Seid wachsam! Duldet nicht, daß man einzelne Teile von euch niederwirft. Laßt euch nicht in Einzelkämpfen aufreiben. Wenn die 15 Millionen deutscher Arbeiter entschlossen zusammenstehen, dann wird es gelingen, die fünfhunderttausend Arbeiterfeinde niederzuwerfen. Dann ist der Sieg des Proletariats gewiß. Arbeiter, Genossen! Schwer und gewaltig wird der Kampf werden, den euch die Feinde aufgezwungen haben … Reißt alle Kräfte zusammen! Nieder mit den Faschisten! Fort mit der großen Koalition der kapitalistischen Plünderer! Weg mit dem Belagerungszustand und der Militärdiktatur. Die Waffen in die Hände der Arbeiter! Für die Arbeiter- und Bauernregierung! Mögen die Reichen Reparationen bezahlen! Es lebe der Massenstreik! Es lebe er Kampf!“24

In einem Flugblatt mit der Überschrift „Mobilmachung“, das der Reichsausschuß der Betriebsräte am 7. Oktober 1923 in ganz Deutschland verbreitete, hieß es, daß der Aufmarsch der Reaktion mit der Waffe des Generalstreiks und durch den Kampf mit allen Mitteln zurückgeschlagen werden müsse. Deshalb sei es notwendig, innerhalb von sechs Tagen überall Aktionsausschüsse und Abwehrorganisationen zu bilden und in Belegschafts- und Betriebsräteversammlungen täglich zur Lage Stellung zu nehmen.25

Die Aufklärungsarbeit der KPD beschränkte sich nicht auf die Industriereviere und Städte, sie drang auch kraftvoll in die Agrargebiete vor. So nahm zum Beispiel die kommunistische Agitation in den Zügen im Bereich der Reichsbahndirektionen Stettin, Frankfurt an der Oder, Schwerin und Altona ein für die Behörden derart beängstigendes Ausmaß an, daß General von Tschischwitz sich Anfang Oktober gezwungen sah, in den genannten Reichsbahndirektionsbezirken die Überwachung der Eisenbahnzüge und die Verhaftung kommunistischer Agitatoren anzuordnen.26

Eine der Hauptaufgaben dieser Aufklärer bestand darin, die Landarbeiter von der Notwendigkeit eines rücksichtslosen Kampfes gegen die Gutsbesitzer zu überzeugen. Es gehörte ferner zu ihren Pflichten, den Landarbeitern klarzumachen, daß sofort nach Ausbruch der revolutionären Kämpfe die Nahrungsmittel der Güter beschlagnahmt und den kämpfenden Arbeitern der Städte zugeführt werden müßten.27

In Mitteldeutschland und Thüringen organisierte die Kommunistische Partei viele Landarbeiter- und Kleinbauerntagungen, um ein enges Bündnis mit den Kleinbauern herzustellen. Die landarmen Kleinbauern, die an einer Aufteilung des Gutsbesitzerlandes interessiert waren, erschienen in großer Zahl. Sie stimmten den kommunistischen Referenten zu, die vorschlugen, das Gutsbesitzerland zu enteignen und den Kleinbauern, Pächtern und Siedlern zur Bewirtschaftung zu übergeben.28 Aber dieser Vorschlag war noch unzureichend. Der landhungrige Kleinbauer konnte in der bevorstehenden sozialistischen Revolution nur dann zu einem aktiven Kämpfer und treuen Verbündeten werden, wenn man ihm von vornherein die klare Perspektive auf eine entschädigungslose Übereignung des Gutsbesitzerlandes gab.

Einen besonderen Schwerpunkt in der Arbeit zur Gewinnung der Massen bildete die Aufgabe, die Aufmerksamkeit der Werktätigen auf den großen Widerspruch zwischen Worten und Taten der VSPD-Führer zu lenken. Hier arbeitete die Kommunistische Partei mit einer sehr wirkungsvollen und richtigen Methode. In den Parlamenten der Länder und Gemeinden zum Beispiel enthüllten die kommunistischen Abgeordneten diese Kluft zwischen Worten und Taten der VSPD-Führer nicht an Hand fernliegender Fragen, sondern in erster Linie am Beispiel des Kampfes um die Verbesserung der Lebenslage der Werktätigen. In allen deutschen Gemeindeparlamenten forderten die KPD-Vertreter einheitlich unter anderem folgende Maßnahmen:

„Sofortige Abgabe gemeindlicher Vorräte aus Gütern und Warenbeständen an Kriegsopfer, Arbeitslose, Sozial- und Kleinrentner unentgeltlich, an alle übrigen Minderbemittelten zu ermäßigten Preisen.

Sofortige Staffelung der Gas-, Wasser- und Elektrizitätspreise nach Einkommen und Kinderzahl, unter schärfster Heranziehung der Besitzenden, Schonung der Minderbemittelten und Unentgeltlichkeit für die Allerbedürftigsten. Niederschlagung der Gas-, Wasser- und Elektrizitätsschulden sowie Verbot der Abstellung von Gasuhren und Zählern für alle, deren Einkommen unterhalb des Existenzminimums bleibt …

Sofortige Einquartierung der obdachlosen Proletarierfamilien in die Großwohnungen der Bourgeoisie – Ausquartierung der kinderlosen Großbourgeoisie in die Wohnhöhlen des Proletariats.“29

Die sozialdemokratischen Führer lehnten diese Anträge aus Rücksicht auf ihre bürgerlichen Koalitionspartner ab oder schoben sie auf die sogenannte lange Bank und zeigten damit den Massen, daß ihnen die Wahrung des Bündnisses mit der Bourgeoisie wichtiger war als die konsequente Erfüllung der Forderungen der Werktätigen.

Diese Methode, das Wesen der Politik der VSPD-Führer zu enthüllen, war vorzüglich; aber indem sie nicht hauptsächlich zur Enthüllung der Politik der sogenannten linken VSPD-Führer angewandt wurde, erzielte die KPD damit bei der Gewinnung der Massen noch keinen vollen Erfolg. Der „linke“ Flügel der VSPD-Führer paktierte mit der Bourgeoisie in besonders verschleierter Form. Er gaukelte mit radikalen Phrasen die Möglichkeit eines reformistischen Weges zum Sozialismus vor, lenkte die Arbeiter damit vom revolutionären Kampf ab, warb weiterhin um das Vertrauen breiter Arbeiterschichten und führte zugleich mit der Reichsregierung Geheimverhandlungen über die Niederschlagung der revolutionären Arbeiter.30 Diese unaufrichtige, mit linken Phrasen verhüllte Politik gefährdete wegen ihrer Undurchsichtigkeit die Entwicklung zur proletarischen Revolution außerordentlich. Deshalb hätte die KPD das Schwergewicht ihrer Bemühungen, das Wesen der sozialdemokratischen Politik zu enthüllen, auf den sogenannten linken Flügel der Sozialdemokratie konzentrieren müssen.

Als eines der wirksamsten schriftlichen Agitationsmittel der KPD erwies sich die „Hamburger Volkszeitung“. Bereits im Juni 1923 mußte der Reichskommissar für Überwachung der öffentlichen Ordnung in seinem Inlandsbericht Nr. 92 über die Agitationsarbeit dieser Zeitung folgendes vermerken:

„Tatsächlich hat die KPD nicht nur in ländlichen Bezirken … sondern auch in den Großstädten, z.B. in Hamburg, bedeutenden Zuwachs zu verzeichnen. Der Umstand, daß die ‚Hamburger Volkszeitung‘ in einer Auflage von 35.000 Exemplaren erscheint, die sämtlich abgesetzt werden; kann als Beweis für den Erfolg der kommunistischen Agitation gedeutet werden; die Hamburger Auflage des kommunistischen Organs übersteigt damit die der Berliner ‚Roten Fahne‘.“31

Die Hamburger KPD-Stadtleitung, die als Eigentümerin der „Hamburger Volkszeitung“ entscheidenden Einfluß auf ihre Gestaltung ausübte, verstand es in mannigfaltiger Weise, die Werktätigen zum politischen Nachdenken anzuregen. So veranstaltete sie zum Beispiel im September ein Preisausschreiben mit folgenden Fragen:

„1. Wie lebe ich? – und wie lebt mein Direktor?

2. Wer ist der reaktionärste der Hamburger sozialdemokratischen Führer, und warum ist er’s?

3. Wie gewinne ich am besten Abonnenten für die ‚Hamburger Volkszeitung‘?“32

Die treffendsten Antworten der Werktätigen wurden prämiiert und veröffentlicht. Andere kommunistische Zeitungen arbeiteten in ähnlicher Weise.

Um jedoch die Mehrheit des Volkes von der Richtigkeit der kommunistischen Losungen zu überzeugen, war schließlich noch eine entscheidende Vorbedingung zu erfüllen: Den Massen mußte Gelegenheit gegeben werden, sich durch eigene Erfahrung von der Richtigkeit dessen zu überzeugen, was die Kommunisten sagten. Nur dann war zu erwarten, daß das Volk die Losungen der KPD zu seinen eigenen machte. Die deutschen Werktätigen hatten in den Septemberkämpfen bereits einige Erfahrungen gesammelt. Jetzt galt es, sich auf die ansteigende revolutionäre Bewegung zu stützen und die Werktätigen durch weitere Teilaktionen, Streiks und Demonstrationen, zu einer politischen Massenarmee für den bewaffneten Aufstand zu formieren. Doch statt dessen unterbrach die opportunistische Brandler-Gruppe diese Entwicklung. Die kommunistischen Parteiorganisationen erhielten die strikte Weisung, bis zur sogenannten bevorstehenden Entscheidungsschlacht keine Teilkämpfe mehr zu führen und alle spontanen Streiks auf wirtschaftliche Forderungen zu beschränken.33

Weil jedoch die objektiven Faktoren der revolutionären Krise weiterwirkten, drängten die Massen verstärkt auf entschiedene Maßnahmen gegen die kapitalistische Wirtschaftsanarchie. Das zwang die sächsischen „linken“ Sozialdemokraten, sich am 10. Oktober mit den Kommunisten auf parlamentarischer Basis zu einer sogenannten Arbeiterregierung zu verbinden. Der Eintritt der Kommunisten in eine solche Regierung war angesichts der revolutionären Situation „vollauf gerechtfertigt“34 Es wäre erforderlich gewesen, diese Positionen zu nutzen, um eine revolutionäre Politik zu betreiben, die folgende vordringliche Aufgaben zu lösen gehabt hätte: Bewaffnung der fortschrittlichen Arbeiter; Entwaffnung der imperialistischen Bürgerkriegsverbände; Einführung der Kontrolle der Produktion; Sofortmaßnahmen zur Sicherung der elementarsten Existenzgrundlagen der Werktätigen; Abwälzung der Hauptlast der Steuern auf die Reichen und Brechung des Widerstandes der konterrevolutionären Bourgeoisie. Einen Tag vor dem Eintritt der KPD in die sächsische Regierung hatten Mitglieder der Zentrale in einem 20-Punkte-Programm den Mitgliedern, die für die Regierungstätigkeit vorgesehen waren, auch im wesentlichen diese Aufgaben gestellt.35 Eine solche Politik wäre möglich gewesen, wenn sich die sächsischen Kommunisten dabei auf die proletarischen Hundertschaften und alle anderen Organe der Einheitsfront gestützt hätten. Auch die Regierungserklärung, die Ministerpräsident Zeigner am 12. Oktober im Sächsischen Landtag im Namen der neugebildeten Regierung abgab, bildete eine gewisse Grundlage für eine solche Politik. Zeigner stellte nämlich die neugebildete Regierung als „Regierung der republikanischen und proletarischen Verteidigung“36 vor. Als aber die sozialdemokratischen Minister auf ihre radikalen Worte keine entsprechenden Taten folgen ließen, hätten die kommunistischen Regierungsmitglieder über den Kopf von Zeigner hinweg die genannten Aufgaben lösen müssen. Doch anstatt revolutionäre Maßnahmen zu ergreifen, duldeten die Vertreter der Zentrale der, KPD die reformistische Politik der „linken“ Sozialdemokraten. Dimitroff charakterisierte später dieses opportunistische Verhalten der kommunistischen Minister wie folgt: „Die Kommunisten die sich an der Regierung beteiligten, hätten die Position vor allem zur Bewaffnung des Proletariats ausnützen müssen. Sie haben das nicht gemacht. Sie haben nicht einmal eine einzige Wohnung der Reichen beschlagnahmt, obwohl die, Wohnungsnot der Arbeiter so groß war, daß viele mit Frau und Kind kein Obdach hatten. Sie unternahmen auch nichts, um die revolutionäre Massenbewegung der Arbeiter zu organisieren. Überhaupt verhielten sie sich wie gewöhnliche parlamentarische Minister ‚im Rahmen der bürgerlichen Demokratie‘. Das war, wie bekannt, das Resultat der opportunistischen Politik Brandlers und seiner Gesinnungsgenossen.“37

Die Bourgeoisie, die nicht bereit war, Mitglieder der KPD in einer Landesregierung zu dulden; sagte der „Arbeiterregierung“ sofort schärfsten Kampf an. Sie betrieb eine maßlose Lügen- und Hetzkampagne gegen die neue sächsische Regierung.38 Zugleich organisierten die Generale eine Hungerblockade gegen Sachsen. Die Wehrkreiskommandeure von Ostpreußen und Schlesien sperrten die Kartoffelausfuhr nach allen Teilen der Republik,39 was sich in erster Linie in den dichtbevölkerten sächsischen Industriegebieten verhängnisvoll auswirkte. Der kommunistische Finanzminister ersuchte die Dresdner Großbanken um einen Kredit von 150 Millionen Goldmark zu Zwecken der Lebensmittelversorgung. Die Bankiers antworteten mit einer Provokation. Sie erklärten, sie seien bereit, Geld zur Verfügung zu stellen, aber nicht der sächsischen Regierung, sondern dem Wehrkreiskommandeur General Müller.40 Doch die Konzernherren, Großgrundbesitzer und Generale bekamen sehr bald zu erfahren, daß eine Wirtschafts- und Hungerblockade gegen die sächsischen Industriegebiete wenig Aussicht auf Erfolg hatte, weil es auf einem Sechstel der Erde bereits einen sozialistischen Arbeiterstaat gab. Aus Solidarität mit ihren sächsischen Klassenbrüdern eröffneten die Sowjetvölker der neuen, sächsischen Regierung die Möglichkeit, aus der Sowjetunion Getreide einzuführen. Es begannen die Verhandlungen über einen russisch-sächsischen Getreidelieferungsvertrag.41

Unterdessen hatte General Müller bereits die letzten Vorbereitungen zur gewaltsamen Niederschlagung der sächsischen Arbeiterklasse beendet. Am 16. Oktober entzog er der „Arbeiterregierung“ das Verfügungsrecht über die sächsische Landespolizei und unterstellte sie seinem unmittelbaren Befehl. In den folgenden Tagen wurde die Einkleidung der illegalen Reservedivisionen, die sich aus Mitgliedern der alldeutschen und nationalsozialistischen Bürgerkriegsgarden rekrutierten, beendet. Am 17. Oktober forderte General Müller im Einvernehmen mit Ebert ganz nach dem Muster der rheinischen Besatzungsmächte die sächsische Regierung zur vollständigen Unterwerfung auf. Als Vorwand nahm er die Rede des kommunistischen Ministers Böttcher, in der dieser am 16. Oktober in Leipzig zur Bewaffnung der proletarischen Hundertschaften aufgerufen hatte. Der General verlangte von dem Ministerpräsidenten der verfassungsmäßigen Landesregierung, ihm „bis zum 18.10. 11 Uhr vormittags unzweideutig auszusprechen, ob sich das Gesamtministerium dem Geist und Wortlaut nach mit den Ausführungen Böttchers einverstanden erklärt und in diesem Sinne die Regierung weiterführen will oder ob es entgegen den Äußerungen des Ministers Böttcher gewillt ist, nach meinen Weisungen zu handeln“42. Die Zeigner-Regierung erklärte, daß sie sich für ihre Handlungen nur dem Sächsischen Landtag gegenüber zu verantworten und im übrigen nur verfassungsmäßige Weisungen der Reichsregierung auszuführen habe; sie lehnte eine Beantwortung des Ultimatums ab.43

Während die Reichswehr gegen die erste „Arbeiterregierung“ zum Schlage ausholte, bildete sich in Thüringen eine zweite. Am 17. Oktober stellte sich eine „Arbeiterregierung“ dem thüringischen Landtag vor; sie nannte sich wie ihr sächsisches Vorbild „Regierung der republikanischen und proletarischen Verteidigung“, und ihr Ziel sei es, die ungeheuren Gefahren abzuwehren, welche die Existenz der thüringischen wie der gesamten deutschen Republik und das nackte Leben der werktätigen Bevölkerung bedrohten.44

Aber in Thüringen klaffte wie in Sachsen zwischen Worten und Taten der „Arbeiterregierung“ eine tiefe Kluft. Hier wie dort nutzten die kommunistischen Regierungsmitglieder ihre Position zur Bewaffnung des Proletariats und zu entschiedenen Maßnahmen zur Beseitigung der brennenden Nöte der Werktätigen nicht aus; hier wie dort duldeten opportunistische KPD-Minister, daß ihre sozialdemokratischen Koalitionspartner hinter lauten radikalen Phrasen stillen Verrat betrieben; hier wie dort entfachte die Bourgeoisie eine wüste Hetz- und Lügenkampagne gegen die neugebildete Regierung; hier wie dort sabotierten Kapitalisten und Großgrundbesitzer die bescheidensten Wirtschaftsmaßnahmen der „Arbeiterregierung“;45 hier wie dort durchbrach die internationale Solidarität der Arbeiter der Welt den Würgegriff der Imperialisten – die Internationale Arbeiterhilfe schenkte der thüringischen Regierung 16.000 Zentner Getreide als erste Hilfe für die notleidenden Werktätigen; hier wie dort rüstete die Reichswehr zur Niederschlagung der Arbeiterklasse, und bereits am 17. Oktober gab General Reinhardt einen Erlaß heraus, in dem die Aufforderung zum Generalstreik verboten wurde.46

Seit dem Ultimatum, das General Müller am 17. Oktober an Zeigner gerichtet hatte, bestand bei der KPD volle Klarheit darüber, daß die Reichswehr nunmehr zum bewaffneten Schlag gegen die Arbeiterklasse ausholen werde. Am Vormittag des 20. Oktober kündigte die Reichsregierung offiziell an, daß Reichswehrtruppen nach Sachsen verlegt würden. Das geschehe, so versicherte sie heuchlerisch, um Sachsen vor einem etwaigen Einmarsch bayrischer rechtsradikaler Formationen zu schützen. Was in Wirklichkeit geplant war, erfuhr Zeigner wenige Stunden später aus einem Brief des Generals Müller, in dem von einem Schutz vor den bayrischen Faschisten keine Rede mehr war. Statt dessen teilte Müller mit, daß er beauftragt sei, mit den ihm zur Verfügung gestellten Machtmitteln verfassungsmäßige Zustände wiederherzustellen und aufrechtzuerhalten.47

Natürlich war auch das nur ein erlogener Vorwand, denn wie Hugo Preuß, der Schöpfer der Weimarer Verfassung, einige Tage später feststellte, war die Verfassung wohl von Bayern, aber nicht von Sachsen verletzt worden.48 Nicht um die Verfassung ging es, sondern darum, die bayrischen Faschisten und ihre alldeutschen Verbündeten durch die Niederschlagung der sächsischen Arbeiterklasse zu besänftigen und mit der Reichsregierung auszusöhnen.49 Die sozialdemokratischen Reichsminister scheuten nicht davor zurück, Stresemann zu empfehlen, die kommunistischen Mitglieder der sächsischen Regierung durch Reichswehr verhaften zu lassen. Aber das schien dem Reichskanzler eine zu gefährliche Provokation; erst sollte ganz Sachsen von Reichswehrtruppen besetzt werden.50

Nachdem sich das brutale bewaffnete Unterdrückungsorgan der deutschen Imperialisten, die Reichswehr, gegen die sächsischen Arbeiter in Bewegung gesetzt hatte, stand die Zentrale der KPD vor der Wahl, entweder den bewaffneten Kampf aufzunehmen oder kampflos zu kapitulieren. Am 20. Oktober entschied der „Kopf“ der Zentrale, daß die am 21. Oktober in Chemnitz stattfindende Konferenz der sächsischen Arbeiterorganisationen über den Generalstreik beschließen solle. Aus dem Generalstreik solle der bewaffnete Aufstand entwickelt werden. Die Hamburger Arbeiter sollten am 23. Oktober mit ihrem Aufstand das Signal dazu geben.51

Der allgemeine bewaffnete Aufstand der deutschen Werktätigen war möglich; Mitte Oktober 1923 waren in Deutschland entscheidende Voraussetzungen dafür gegeben:

1. setzte sich der revolutionäre Aufschwung in Deutschland fort, steigerte sich die Aktivität der Massen erneut beträchtlich. Das hungernde Volk war verzweifelt; die elementarsten Existenzgrundlagen waren mit dem Fortschreiten der Inflation aufs äußerste gefährdet. Die KPD zeigte dem werktätigen Volk, wenn auch nicht in allen Einzelheiten klar, so doch im wesentlichen richtig, den wirklichen Ausweg.

2. war die Große Koalition, die Stresemann-Regierung, finanziell, politisch und moralisch bankrott, weil sie den Arbeitern nicht die versprochenen wertbeständigen Löhne gegeben und im Kampf mit den französischen Imperialisten eine vollständige Niederlage erlitten hatte. Die Krise enthüllte das sonst verborgene Wesen aller Koalitionen, die Sozialdemokraten mit bürgerlichen Parteien geschlossen hatten: Die Sozialdemokraten halfen im Kabinett Stresemann – gleichviel, ob sie sich dessen bewußt waren oder nicht – den deutschen Imperialisten, das hungernde Volk hinzuhalten und zu betrügen. Doch die Werktätigen waren nicht mehr gewillt, sich weiterhin mit Versprechungen abfüttern zu lassen.

3. vollzog sich in den Zwischenschichten infolge des Bankrotts der Regierung Stresemann, hinter der sie noch im August gestanden hatten, eine politische Polarisierung. Das verarmte Kleinbürgertum neigte zum Proletariat, die reicheren Kleinproduzenten orientierten sich auf den rechten Flügel der Bourgeoisie, so daß die bürgerlichen Mittelparteien zerfielen. Die Gesellschaft spaltete sich in Deutschland in zwei Lager.

4. erreichte die Zerfahrenheit und der Widerstreit innerhalb des Lagers der Bourgeoisie beträchtliches Ausmaß.

5. befand sich die VSPD im Zustand fortschreitender Zersetzung. Die Unzufriedenheit innerhalb der Partei, die Opposition, die die Koalition mit der Bourgeoisie ablehnte und eine Zusammenarbeit mit den Kommunisten anstrebte, wuchs ständig.

6. sicherten die Losungen „Weg mit Belagerungszustand und Militärdiktatur“, „Für eine Arbeiter- und Bauernregierung“ der KPD die Unterstützung breiter werktätiger Massen. Die Mehrheit der Werktätigen sympathisierte mit der KPD.

7. hatte die KPD im Falle der Zusammenarbeit mit dem linken Flügel der sozialdemokratischen Mitgliedermassen (die in Sachsen und Thüringen bereits Tatsache war) die Mehrheit in der Arbeiterklasse auf ihrer Seite.

8. hatte die KPD auch die technische Möglichkeit, an mehreren Punkten zugleich den bewaffneten Kampf aufzunehmen und die noch zerstreuten feindlichen Kräfte zu überrumpeln.

9. war die Mehrzahl der proletarischen Kampfformationen bereit, sich mit Leib und Leben für den Sturz der Herrschaft der Ausbeuterklasse und für die Errichtung eines deutschen Arbeiter- und Bauernstaates einzusetzen.

Eine sozialistische Revolution war im Herbst 1923 in Deutschland möglich. Aber die proletarische Revolution konnte sich nur dann entfalten, wenn zu den objektiven Bedingungen subjektive hinzutraten, nämlich: „die Fähigkeit der revolutionären Klasse zu revolutionären Massenaktionen, die genügend stark wären, um die alte Regierung zu stürzen (oder zu erschüttern), die niemals, nicht einmal in der Krisenepoche ‚fällt‘, wenn man sie nicht ‚zu Fall bringt‘“52.

Die Fähigkeit der revolutionären Klasse zu Massenaktionen ist im Zeitalter des Imperialismus in entscheidendem Maße vom Vorhandensein einer marxistisch-leninistischen Kampfpartei mit festem, in sich geschlossenem Führungskern abhängig, die als der bewußte und organisierte Vortrupp der Arbeiterklasse die Mehrheit der Arbeiter gewinnt, sie in fortgesetzten Teilkämpfen zu einem machtvollen revolutionären Strom vereint und sie, ohne selbst zu schwanken, in den entscheidenden Endkampf zum Sturz der herrschenden Ausbeuterklassen führt.

Der Aufstand war vom objektiven Gang der Ereignisse auf die Tagesordnung gesetzt worden; er mußte nun energisch begonnen werden. Die KPD hatte sich – wie geschildert –, wenn auch in mancher Hinsicht ungenügend und fehlerhaft, immerhin darauf vorbereitet und die Massen aufgerufen, sich bereitzuhalten. Jetzt, wo die Reichswehr sich bereits nach Sachsen in Marsch gesetzt hatte und dort einen großen Teil ihrer Kräfte konzentrierte, um die deutsche Arbeiterklasse niederzuschlagen, war es allerhöchste Zeit, den bewaffneten Kampf aufzunehmen.

Aber den Aufruf zum Aufstand von der Stellungnahme der Chemnitzer Konferenz abhängig zu machen und ihr unterzuordnen hieß mit dem bewaffneten Aufstand spielen. Diese Tatsache offenbarte, daß es im entscheidenden Moment in der Spitze der Partei Schwankungen gab, die offenbar einer gewissen Angst vor dem bewaffneten Kampf um die Macht entsprangen. Indem die führende Brandler-Gruppe das genannte Verfahren durchsetzte, neigte sie objektiv dazu, den notwendigen bewaffneten Kampf nach Möglichkeit durch Resolutionen, Kongresse und Proteste zu ersetzen.

Am nächsten Tage, dem 21. Oktober, organisierte die Zentrale noch vor Beginn der Chemnitzer Konferenz eine Sondersitzung der Polit-Sekretäre der KPD-Bezirksleitungen. Sie hatte diese Funktionäre nach Chemnitz gerufen, um ihnen an diesem Tage die entscheidenden Direktiven zu übermitteln. Mitglieder der Zentrale erläuterten ihnen den Beschluß, der am vorherigen Tage gefaßt worden war. Sie alle waren auf Grund der Stimmung, die unter den Arbeitern ganz Deutschlands herrschte, davon überzeugt, daß die Konferenz der Organisationen der sächsischen Arbeiter das Signal zum Generalstreik geben werde. Da sich aber herausstellte, daß gerade der Vertreter der Bezirksleitung Wasserkante fehlte, die ja laut Aufstandsplan schon am 23. Oktober in Hamburg die bewaffneten Kämpfe auslösen sollte, schickte man sofort einen Kurier nach Hamburg, um vor allem Ernst Thälmann so schnell wie möglich von den gefaßten Beschlüssen in Kenntnis zu setzen.53 Das Fehlen des Hamburger Vertreters erklärt sich daraus, daß der Sekretär der KPD-Bezirksleitung Wasserkante, Urbahns, mit einer Delegation Hamburger Arbeiter erst am Mittag des 21. Oktober von Hamburg die Reise nach Chemnitz angetreten hat und demzufolge verspätet eingetroffen ist.54

Mittlerweile versammelten sich die Teilnehmer der Konferenz der sächsischen Arbeiterorganisationen zur Eröffnung der Tagung. Erschienen waren: 140 Betriebsräte, 102 Vertreter der Gewerkschaften, 79 Vertreter der Kontrollausschüsse, 26 Vertreter der Konsumvereine, 15 Vertreter der antifaschistischen Aktionsausschüsse, 16 Erwerbslosenvertreter und 20 Funktionäre von den Bezirksleitungen der Gewerkschaften.55

Der kommunistische Wirtschaftsminister, der kommunistische Finanzminister und der sozialdemokratische Arbeitsminister eröffneten die Konferenz mit Referaten über die Notlage in der Lebensmittelversorgung, über die katastrophale Finanzlage und über das furchtbare Elend der Erwerbslosen. „An die Vorträge der drei Minister schloß sich eine umfangreiche Aussprache, in der immer wieder die Notwendigkeit des sofortigen Kampfes, insbesondere gegen die Militärdiktatur unterstrichen wurde. Ein Redner nach dem anderen forderte offenes Auftreten der Regierung und die Ausrufung des Generalstreiks gegen den Belagerungszustand und die militärischen Rüstungen.“56

Daraufhin trat Brandler in Aktion. Getreu seiner Absicht den Generalstreik zu verhindern, ohne sich dabei als Gegner des Generalstreiks zu entlarven, beantragte er eine sofortige Abstimmung, erklärte aber zugleich, daß ein Generalstreikbeschluß nur dann Sinn haben könne, wenn er einstimmig gefaßt werde. Er spielte damit den sozialdemokratischen Führern die Möglichkeit der Verhinderung des Generalstreikbeschlusses zu, und diese griffen sofort danach. Der sozialdemokratische Arbeitsminister Graupe erklärte, daß eine solche Beschlußfassung nicht zu den Aufgaben der Konferenz gehöre; falls die Versammelten die Beratungen über den Generalstreik fortsetzten, werde er die Konferenz verlassen. Um die streikgewillten Delegierten zu beruhigen, schlug er vor, den Generalstreikantrag einer Kommission zu überweisen, was auch tatsächlich geschah. Bald darauf präsentierte diese Kommission ein neues Projekt. Sie beantragte, einen Aktionsausschuß aus je 5 Vertretern der VSPD und der KPD zu bilden, der sofort mit den Spitzenorganisationen der Gewerkschaften und mit der Regierung über die Ausrufung des Generalstreiks verhandeln solle. Falls sich diese Instanzen ablehnend verhielten, sei der Aktionsausschuß berechtigt, den Generalstreik selbständig durchzuführen.57 Die Konferenzteilnehmer erlagen diesem raffinierten betrügerischen Manöver. Es fehlte ihnen die genügende Erfahrung mit solchen „Arbeiterführern“, wie es Brandler und Graupe waren. Mit übergroßer Mehrheit stimmte die Konferenz dem Antrag zu.58 Damit war der Generalstreik praktisch abgewürgt und dem sächsischen Proletariat für den Kampf gegen die einmarschierende Reichswehr eine der besten Abwehrwaffen aus der Hand geschlagen.

Nach Schluß der Konferenz teilte Brandler den Vertretern der KPD mit, daß der Aufstand aufgeschoben werde. Sofort wurde ein zweiter Kurier mit dementsprechenden Weisungen nach Hamburg geschickt.59

Aber noch war die gerechte Sache der sächsischen .Arbeiter nicht völlig verloren. In Norddeutschland gingen die Werktätigen spontan zu Aktionen gegen die Bourgeoisie über. Am 18. und 19. Oktober sperrten Arbeiterfrauen in Hamburg die Eingänge der Werften und schickten Streikbrecher nach Hause. Am darauffolgenden Tage, dem 20. Oktober, demonstrierten Tausende Hamburger Erwerbslose. Sie durchbrachen die Bannmeile der Innenstadt, um dem Senat zu zeigen, daß sie im Kampf um Brot und Freiheit nicht gewillt waren, sich das Recht auf die Straße nehmen zu lassen. Als bei Zusammenstößen mit der Polizei Arbeiterblut floß, riefen die Demonstranten haßerfüllt: „Bluthunde! Brudermörder!“60 Die Arbeiter der Deutschen Werft traten in den Streik.61 Viele Werktätige verließen ihre Betriebe, um sich der Demonstration anzuschließen. In einzelnen Stadtteilen kam es zu großen Menschenansammlungen, hier und da wurden aus den Geschäften Lebensmittel ohne Bezahlung herausgeholt.62

Die Hamburger Kommunisten stützten sich auf die elementaren und spontanen Massenaktionen und versuchten, sie auf das Hauptziel der revolutionären Bewegung, den gewaltsamen Sturz der deutschen Bourgeoisie, zu richten.63 Sie wiesen die Werktätigen eindringlich auf das Treiben des Reichswehrgenerals Müller in Sachsen hin und riefen sie zur Kampfbereitschaft auf. Der Militärbefehlshaber für Sachsen, erklärte die illegal erscheinende „Hamburger Volkszeitung“ am 16. Oktober den erbitterten Massen, habe sämtliche proletarischen Organe, Hundertschaften, Kontrollausschüsse und Aktionsausschüsse, verboten. Die Reichsregierung lasse verlauten, daß sie gegen Sachsen und Thüringen auf jeden Fall mit allen Machtmitteln vorgehen werde. Unter diesen Umständen sei damit zu rechnen, daß in allerkürzester Zeit blutige Kämpfe zwischen den weißgardistischen Horden der Reichsregierung und der zu ihrer verfassungsmäßigen Regierung stehenden Arbeiterschaft ausbrechen werden. Was solle die Arbeiterschaft im übrigen Deutschland tun? Sie müsse ihren sächsischen Brüdern zu Hilfe eilen! Der Kampfbeginn in Sachsen sei für alle Arbeiter Deutschlands das Signal, sofort die Betriebe zu verlassen, den Generalstreik zu erklären und der Reichswehr und den reaktionären Banden „mit denselben Mitteln entgegenzutreten“, mit denen diese in Sachsen oder an anderen Stellen die Arbeiter angriffen. Es bestehe kein „Zweifel, daß dieses Kampfsignal in allerkürzester Zeit erfolgen“ werde. Deshalb gelte es, sofort alle Vorbereitungen zu treffen. Die Aktionsausschüsse müßten vereinigt und unter einer zentralen Führung zusammengefaßt werden. Aufgabe der Arbeiter sei es, sich in den Betrieben sofort zu Hundertschaften zusammenzuschließen, damit sie bei den kommenden Streiks als organisierte Masse die Straße betreten könnten, um bestimmte politische, wirtschaftliche und militärische Aufgaben durchzuführen. Die Stunde sei ernst. Schnelles Handeln bei der Vorbereitung bedeute sicheren Sieg. Versäumnisse kosteten gewaltige Opfer an Blut und Leben.64

Während der sozialdemokratische Polizeisenator angesichts der schnell wachsenden Aktivität der Volksmassen für die hamburgische Polizei höchste Alarmbereitschaft anordnete,65 schwangen sich zur gleichen Zeit andere sozialdemokratische Führer zu lautem Protest gegen die offene Diktatur der Reichswehrgenerale auf,66 um bei den kampfgewillten Werktätigen den Eindruck hervorzurufen, daß die Sozialdemokratie bereits dabei sei, alles Nötige gegen die Reichswehrdiktatur zu unternehmen.

Doch die Arbeiter von ltzehoe und Rostock gaben sich mit bloßem Protestgeschrei nicht mehr zufrieden. Am 20. Oktober beantworteten sie den Abtransport der dort stationierten Reichswehrtruppen und die gleichzeitige Auffüllung der leer gewordenen Kasernen durch sogenannte Zeitfreiwillige der Schwarzen Reichswehr mit Protestdemonstrationen und Ausrufung des Generalstreiks. In Rostock sammelten sich Werktätige vor der Kaserne. Sie hielten jeden Zivilisten an, der bei ihnen den Verdacht erweckte, daß er zu den Zeitfreiwilligen gehöre, durchsuchten ihn und schafften ihn ins Gewerkschaftsbüro. Als man bei einem der Verdächtigen einen Revolver fand, erteilte ihm die Menge eine blutige Lektion.

Auch in anderen Stadtteilen Rostocks hielten Arbeiter Fahrzeuge und Personen an und durchsuchten sie nach Waffen.67

In dieser politischen Atmosphäre tagte in Hamburg am 21. Oktober, gleichzeitig mit der Chemnitzer Konferenz, eine interparteiliche Werftarbeiterkonferenz der Wasserkante, zu der die Belegschaften sämtlicher Werften des norddeutschen Küstengebietes ihre Vertreter entsandt hatten. Die Delegierten, zum größten Teil Sozialdemokraten und Parteilose, berieten leidenschaftlich die brennenden wirtschaftlichen und politischen Tagesfragen. Sozialdemokratische Gewerkschaftsführer versuchten noch einmal, die Werftarbeiter vom Kampf abzuhalten. Jedoch Ernst Thälmann enthüllte die objektiv den Konzernherren nützende Haltung dieser Gewerkschaftsfunktionäre, und obgleich diese sich heftig wehrten, gerieten sie in die Isolierung. Die Konferenzteilnehmer nahmen alle kommunistischen Anträge fast einstimmig an. Damit nicht genug. Sie forderten, wie ihre sächsischen Klassenbrüder auf der Chemnitzer Konferenz, einen sofortigen Beschluß über die Ausrufung des Generalstreiks. Aber führende Mitglieder der KPD traten dagegen auf. Sie wollten bis zum letztmöglichen Moment die Parteidisziplin wahren und gemäß der von der Zentrale der KPD gegebenen Direktive ein vorzeitiges Vorprellen und isoliertes Losschlagen revolutionärer Kräfte verhindern. Die Konferenz beschloß auf Grund des Einwirkens der Hamburger KPD-Funktionäre, daß der Generalstreik erst dann zu proklamieren sei, wenn die Reichsexekutive gegen Sachsen beginne.68

Kaum war die interparteiliche Werftarbeiterkonferenz beendet, da erreichte Ernst Thälmann jene Kuriernachricht, die, wie bereits gezeigt, im Verlauf der Sondersitzung der Polit-Sekretäre der KPD-Bezirksleitungen am 21. Oktober vor Beginn der Chemnitzer Konferenz an Thälmann abgesandt worden war. Das heißt, ein Kurier der KPD-Kurierleitstelle Berlin übermittelte den Hamburger Revolutionären den Beschluß, den der „Kopf“ der Zentrale am 20. Oktober gefaßt hatte und demzufolge die Hamburger Arbeiter in der Nacht zum 23. Oktober mit dem bewaffneten Aufstand beginnen sollten. Selbstverständlich fehlte noch jegliche Nachricht über den Verlauf der Chemnitzer Konferenz, wovon ja die Verwirklichung der Aufstandsdirektive in letzter Instanz abhängig gemacht worden war. Ernst Thälmann und seine revolutionären Mitarbeiter rechneten in diesem Augenblick noch fest damit, daß die Delegierten der Chemnitzer Konferenz den Generalstreik beschließen würden. Sie leiteten deshalb alle Vorbereitungen ein, die für das bewaffnete Losschlagen am 23. Oktober notwendig waren. Allein die endgültige Entscheidung darüber, ob man am 23. Oktober in Hamburg mit dem bewaffneten Aufstand beginnen solle oder nicht, sollte am Abend des 22. Oktober in nochmaliger Beratung gefällt werden.69


1„Der Kämpfer“ vom 15. Oktober 1923.

2Siehe Walter Ulbricht, „Zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung“, Bd. I, S. 137.

3Siehe IML, Archiv, Nr. 12/42, Bl. 362.

4Siehe „Stenographische Berichte über die Sitzungen der Bürgerschaft zu Hamburg im Jahre 1923“, Hamburg o.J., S. 863-1069.

5„Fünfter Kongreß der Kommunistischen Internationale. Protokoll“, Bd. I, o.O. o.J., S. 262.

6Siehe Walter Ulbricht, „Zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung“, Bd. I, S. 112/113.

7„Bericht über die Verhandlungen des III. (8.) Parteitages der Kommunistischen Partei Deutschlands“, Berlin o.J., S. 358.

8Siehe „Lehren der deutschen Ereignisse“; „Bericht über die Verhandlungen des IX. Parteitages der Kommunistischen Partei Deutschlands“, S. 28.

9Siehe O. W. Kuusinen, „Eine mißglückte Schilderung des ‚deutschen Oktober‘“; „Internationale Presse-Korrespondenz“, 1924, Nr. 161, S. 2202.

10Siehe „Lehren der deutschen Ereignisse“; „Bericht über die Verhandlungen des IX. Parteitages der Kommunistischen Partei Deutschlands“, S. 28.

11Walter Ulbricht, „Zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung“,Bd. I, S. 135/136.

12Siehe IML, Archiv, Nr. 12/42, Bl. 60.

13Siehe IML, Archiv, Nr. 12/212, Bl. 171.

14Siehe IML, Archiv, Nr. 12/42, Bl. 71.

15Siehe IML, Archiv, Nr. 12/66, Bl. 30.

16Siehe Helmut Gast, „Die proletarischen Hundertschaften als Organe der Einheitsfront im Jahre 1923“; ZfG, 1956, Heft 3, S. 461/462.

17Walter Ulbricht, „Zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, Bd. I, S. 136.

18Siehe IML, Archiv, Nr. 12/42, Bl. 95.

19Siehe Walter Ulbricht, „Zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, Bd. I, S. 136.

20Siehe „Bericht über die Verhandlungen des IX. Parteitages der Kommunistischen Partei Deutschlands“, S. 63.

21Siehe „Lehren der deutschen Ereignisse“; ebenda, S. 29.

22Siehe „Der Kämpfer“ vom 15. Oktober 1923.

23Siehe J. W. Stalin, Werke, Bd. 10, S. 56.

24„Der Kämpfer“ vom 29. September 1923.

25Siehe IML, Archiv, Nr. 12/42, Bl. 65.

26Siehe IML, Archiv, Nr. 12/37, Bl. 31.

27Siehe „Bericht über die Verhandlungen des IX. Parteitages der Kommunistischen Partei Deutschlands“, S. 64/28.

28Siehe „Klassenkampf“ Nr. 215 vom 14., Nr. 221 vom 21. September 1923 und „Stenographische Berichte des II. Landtages von Thüringen, Weimar o.J., S. 5429.

29Siehe „Bericht über die Verhandlungen des IX. Parteitages der Kommunistischen Partei Deutschlands“, S. 64/39-64/40.

30Siehe Raimund Wagner, „Zur Frage der Massenkampfe m Sachsen im Frühjahr und Sommer 1923“; ZfG, 1956, Heft 2, S. 258.

31IML, Archiv, Nr. 12/36, Bl. 170.

32„Hamburger Echo“ Nr. 258 vom 18. September 1923.

33Siehe IML, Archiv, Nr. 12/41, Bl. 110 und Nr. 12/42, Bl. 184, 368.

34G. Dimitroff, „Probleme der Einheits- und Volksfront“, Moskau 1938, S. 53.

35Siehe „Fünfter Kongreß der Kommunistischen Internationale. Protokoll“, Bd. I, S. 475 und „Bericht über die Verhandlungen des IX. Parteitages der Kommunistischen Partei Deutschlands“, S. 276.

36„Verhandlungen des Sächsischen Landtages 1923“, Bd. 2, Dresden 1924, S. 1578.

37G. Dimitroff, „Probleme der Einheits- und Volksfront“, Moskau 1938, S. 59.

38Siehe unter anderem „Vorwärts“ Nr. 492 von 20. Oktober 1923.

39Siehe „Vorwärts“ Nr. 488 vom 18. Oktober 1923.

40Siehe Gustav Stresemann, Vermächtnis, Erster Bd., S. 167.

41Siehe „Die Rote Fahne“ Nr. 220 vom 20. Oktober 1923.

42„Verhandlungen des Sächsischen Landtages 1923“, Bd. 2, S. 1622.

43Siehe ebenda, S. 1648.

44Siehe „Stenographische Berichte des II. Landtages von Thüringen“, S. 5486/5487.

45Siehe ebenda, S. 5489, 5836.

46Siehe ebenda, S. 5789.

47Siehe „Deutscher Geschichtskalender“, 39. Jg., II. Bd., S. 282.

48Siehe Richard Lipinski, „Der Kampf um die politische Macht in Sachsen“, Leipzig 1926, S. 72-74.

49Siehe Gustav Stresemann, Vermächtnis, Erster Bd., S. 171, 185.

50Siehe ebenda, S. 189.

51Siehe IML, Archiv, Nr. 12/42, Denkschrift, S. 15/16.

52W. I. Lenin, „Der Zusammenbruch der II. Internationale“, Dietz Verlag, Berlin 1951, S. 12.

53Nach mündlichem Bericht von H. Pf., der als Vertreter der Berliner KPD-Bezirksleitung an dieser Sitzung teilnahm.

54Siehe IML, Archiv, Nr. 12/42, Denkschrift, S. 17.

55Siehe „Vorwärts“ Nr. 495 vom 23. Oktober 1923 .

56Ebenda.

57Siehe ebenda.

58Siehe ebenda.

59Nach mündlichem Bericht von H. Pf.

60Siehe IML, Archiv, Nr. 12/42, Denkschrift, S. 16.

61Siehe „Hamburgischer Correspondent“ Nr. 494 vom 23. Oktober 1923.

62Siehe „Hamburger Echo“ Nr. 291 vom 21. Oktober 1923 und IML, Archiv, Nr. 12/42, Denkschrift, S. 16.

63Nach mündlicher Auskunft des Aufstandsteilnehmers F. D.

64Siehe IML, Archiv, Nr. 12/42, Bl. 364.

65Siehe IML, Archiv, Nr. 12/42, Denkschrift, S. 16.

66Siehe „Hamburger Echo“ Nr. 291 vom 21. Oktober 1923.

67Siehe „Hamburgischer Correspondent“ Nr. 494 vom 23. und Nr. 496 vom 24. Oktober 1923.

68Siehe „Hamburger Volkszeitung“ Nr. 187 vom 24. Oktober 1924 und „Die Kommunistische Internationale“, Fünfter Jahrgang, Nr. 31-32, S. 160. Ferner nach mündlicher Auskunft des Aufstandsteilnehmers A. Sch.

69Nach mündlicher Auskunft des Aufstandsteilnehmers J. v. B.