Aus „Oktober“: Zur Taktik des Straßenkampfes im bewaffneten Aufstand

Der vorliegende Text vom April 1931 ist ein Auszug aus einem Artikel der Zeitschrift „Oktober“ (zuvor in „Vom Bürgerkrieg“), einer militärischen Zeitschrift der KPD.


ZUR TAKTIK DES STRASSENKAMPFES IM BEWAFFNETEN AUFSTAND (1931)

… Wenn wir die Stadt als Kampfgebiet mit ihren natürlichen Befestigungen betrachten, so ist zweifellos theoretisch der Vorteil auf Seiten des Verteidigers. Dies hat zu allen Zeiten die Aufständischen verleitet, nach dem ersten Angriff in die Verteidigung überzugehen. Das hieß aber der Entscheidung ausweichen, dem Feind die Initiative überlassen. Daran sind die meisten Aufstände schon in ihren ersten Anfängen gescheitert.

Faktisch ist die Lage so, daß, alle politischen und militärischen Gesichtspunkte zusammengefaßt, der Vorteil sich in Wirklichkeit auf seiten der überraschend und frech angreifenden Aufständischen befindet. Dies sei noch einmal und nachdrücklich unterstrichen.

Die zweite zusammenfassende Schlußfolgerung: der einfache Durchbruch, der frontale Angriff stellt im Straßenkampf einen Ausnahmefall dar. Die Stadt als Kampfgebiet erlaubt und die politischen Voraussetzungen des Straßenkampfes fordern die breiteste Anwendung von Manövern, von Umgehung und Umfassung und Operationen im Rücken des Gegners.

Die dritte Schlußfolgerung: der Straßenkampf, in dem das Element der Verteidigung aufs äußerste eingeschränkt ist, zeichnet sich durch die größte Beweglichkeit und Aktivität aller Handlungen aus. Wer in dieser Hinsicht überlegen ist, der hat bereits ein erhebliches Plus. Im Zusammenhang mit der Übersichtlichkeit des Kampfgeländes, der Unklarheit der Lage, den Verbindungsschwierigkeiten, den stündlichen Überraschungen bekommen beide taktische Kampfformen, sowohl Angriff als Verteidigung, die typischen Züge des Bewegungsgefechtes. Ohne den allgemeinen Plan zu verletzen, müssen doch die Unterführer sich in den Teilkämpfen von den Führungsgrundsätzen des Begegnungsgefechtes leiten lassen.

Die Geschichte der vergangenen Aufstände in Westeuropa scheint zu beweisen, daß die Aufständischen unter den modernen Bedingungen einen Straßenkampf nicht gewinnen können. Das ist ein großer Irrtum. Trotz objektiver Schwierigkeiten, trotz der Rückständigkeit in der Taktik des Straßenkampfes haben die Aufständischen selbst in den vergangenen Kämpfen lehrreiche Beispiele gegeben, die beweisen, daß alle Chancen für sie sind. Unsere Sache ist es, die neuen Bedingungen, die neuen Methoden des Kampfes zu lernen, um die alten Fehler endgültig zu überwinden.

 

Oktober
Militärpolitisches Mitteilungsblatt
Heft ½, April 1931, S. 27 und 29.