Aus „Vom Bürgerkrieg“: Vorschläge für den Kampf von einem alten Stabsoffizier

Der vorliegende Text von Ende 1923 ist ein Auszug aus einem Artikel der Zeitschrift „Vom Bürgerkrieg“ (später in „Oktober“ umbenannt), einer militärischen Zeitschrift der KPD.


Vorschläge für den Kampf von einem alten Stabsoffizier

Für den Verfasser ist der Betrieb von vornherein die taktische Basis des revolutionären Kampfes. Es ist jedoch keineswegs möglich, sich schablonenmäßig auf eine bestimmte Taktik für die Anfangskämpfe festzulegen. Man müßte „hundert“ Möglichkeiten ins Auge fassen. Für spätere Kampfphasen ist der Besitz der Betriebe für die wirtschaftliche Sicherstellung des Proletariats und besonders auch des revolutionären Kampfes natürlich von größter Wichtigkeit. Für diesen Fall sind die vorliegenden Vorschläge beachtenswert. Was sich nicht unmittelbar auf die Betriebe bezieht, kann auch für den Beginn der Kämpfe berücksichtigt werden.

Ich schicke voraus, daß für die nachfolgenden Vorschläge als Voraussetzung gilt, daß die Niederwerfung des Kapitalismus nur durch einen schweren Kampf erreicht werden kann. Der Kampf darf aber nicht zum Selbstzweck werden, sondern er muß jene Voraussetzungen haben, daß er auch siegreich sein muß, wenn er nicht die Kämpfenden zu sehr schwächen und sie nicht mutlos machen soll.

Welches sind die Grundlagen des Kampfes? Es handelt sich dabei um folgende Gesichtspunkte, die einer scharfen Klärung bedürfen.

1. Wer ist unser Gegner? Stärke desselben, seine Organisation, seine Bewaffnung, seine Ausbildung, seine Führung, seine Machtmittel, der ihm innewohnende Geist.

2. Wie stark sind unsere Kräfte? Sie sind nach denselben Gesichtspunkten wie beim Gegner einer Kritik zu unterziehen.

3. Auf welchem Gelände spielt sich der Kampf ab? Können wir uns das Gelände aussuchen?

4. Wie steht es mit den Verbündeten unserer Gegner und mit unseren eigenen Bundesgenossen?

Ausbildung: Hierin ist uns unser Gegner überlegen. Er verfügt nicht nur über die bewaffnete Macht (soweit sie zuverlässig ist), sondern hat auch die Persönlichkeiten, um improvisierte Aufgebote schnell mit Führern besetzen zu können.

Führung: Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen, und auch die Grundlagen des Kampfes müssen erforscht und erkannt werden, um sie folgerichtig anwenden zu können. Auch dabei müssen wir dem Gegner eine Überlegenheit zubilligen.

Machtmittel: Es bedarf keines Beweises, um die Überlegenheit des Gegners darzutun, aber es wird in dieser Beziehung am leichtesten und schnellsten möglich sein, ihm die Machtmittel zu entreißen und sie für die eigene Sache zu verwerten. Wir müssen die Betriebe sobald als möglich in unsere Gewalt bekommen. Deshalb halte ich es für ganz besonders wertvoll, vom passiven Streik sobald als möglich zum aktiven Streik, d.h. zur Besitznahme der Betriebe überzugehen.

Der Geist der Kämpfer: Wir wollen nicht verkennen, daß eine große Anzahl der Anhänger des kapitalistischen Systems aus innerer Überzeugung und für ihre Ideen kämpfen und sterben werden, aber die größere und festere Überzeugungstreue wird bei unseren Kämpfern sein. Man muß sich jedoch vergegenwärtigen, daß mit dem Lippenbekenntnis zum Kommunismus noch lange kein leidenschaftlicher Kämpfer geworden ist. Die fraglichen Elemente aus unseren Kreisen zu beseitigen, muß ganz besonders im Auge behalten werden. Ich möchte jedoch aus meinen Kriegserfahrungen darauf hinweisen, daß der Wille allein nicht genügt: es versagen aus physischen Gründen auch dem Besten oft die Kräfte.

Unsere eigene Kraft.

Eigene Stärke: Wieviel Mitläufer bei uns vorhanden sind, wage ich nicht zu entscheiden. Aber bei dem allgemeinen Haß, den der Kapitalismus durch alle seine Machtmittel in der großen Masse noch immer wachzurufen verstanden hat, kann man wohl kaum annehmen, daß sich nur wenige aus rein idealen Gründen unserer Sache angeschlossen haben. Im Gegenteil ist anzunehmen, daß sich noch weitere Kreise unseren Zielen anschließen werden, je erfolgreicher sie vertreten und mit je idealerer Hingabe an die Sache selbst sie verfochten werden. Die Kräfte des Gegners zu unterminieren muß ganz besonders ins Auge gefasst und betrieben werden. Rohe Gewalt spielt hierbei eine untergeordnete Rolle. Es sind mehr ideale Kräfte, die hier entscheidend wirken. Haus, Familie, die Weiblichkeit, Kinder sind von Bedeutung, ebenso Fühlung mit gleichlaufenden Bestrebungen, wie Wissenschaft, Kunst, Sport usw.

Organisation: Das wird immer der schwächste Punkt sein, da die Organisation der Streitkräfte nur auf Umwegen sichergestellt werden kann. Sie muß sich aufbauen auf den Betrieben:

1. In den Betrieben ist ein leichter Zusammenschluß möglich.

2. Aus den Betrieben heraus sind leicht und schnell zusammenfaßbare Formationen zu bilden, sobald es über Fünfergruppen hinausgeht.

3. Die Betriebe müssen in fast allen Teilen für uns dienstbar gemacht werden können, ganz gleich ob Lebensmittel, Bekleidung, Waffen usw. in Frage kommen.

4. Aus den Betrieben heraus kann ein ganz anderer Druck auf die Bevölkerung ausgeübt werden als sonst.

5. Zeitungsbetriebe sind besonders wichtig.

6. Aus den Betrieben heraus lassen sich am leichtesten die Hilfsmittel heranschaffen.

Ausbildung: Die Ausbildung ist von größter Wichtigkeit und muß mit aller Energie betrieben werden. Alle Hilfsmittel und Kräfte müssen diesem Zweck dienstbar gemacht werden. Sanitätsübungen sind ebenfalls wertvoll.

Führung: Besprechungen und Kurse über diese Frage müssen stattfinden.

Machtmittel: Unterbringung der Hilfsmittel beim Gegner. Alle Telegraphenstationen, Eisenbahnanlagen mit Rollmaterial, Betriebe aller Art, Zerstörungen nur im äußersten Notfall, deshalb besonders schwierige Entscheidung.

Geist der Kämpfer: Was für uns keinen Wert hat, darüber keine Zeit verlieren, auch hier schnell unsichere Elemente ausscheiden.

Ordnung der Waffen: Es ist nicht damit zu rechnen, daß die Feldzugsteilnehmer noch auf dem laufenden sind. Maschinenwaffen, neue Sprengmittel, Gas usw. werden vielen neu sein. Der Kampf muß anfangs übrigens mit den geringen vorhandenen Mitteln geführt werden, Beweglichkeit muß das Motto des Kampfes sein. Jeder schwierigen Entscheidung zunächst ausweichen, dagegen jeden Vorteil auszunützen verstehen.

Gegnerische Presse: lahmzulegen versuchen, falsche Nachrichten lancieren, besondere Presseabteilungen organisieren.

Nachrichtenabteilung: besonders wichtig. Persönlichkeiten in den wichtigsten Betrieben gewinnen: Eisenbahn-, Telephon- und Telegraphenamt.

Fahrabteilung: sofort formieren, Kompanielager feststellen, Beleuchtungsmittel beschaffen.

Spionageabteilung: weibliches Element ausnützen. Vor einzelnen Überläufern, Spitzeln und dergleichen sich hüten. Von Bedeutung ist jede geschlossene gegnerische Truppe, sobald sie für uns ist.

Vom Bürgerkrieg
Heft 8, o. O. und o. J. (Ende 1923)
S. 4-6