Mao Tse-tung: Über den langwierigen Krieg

Mao Tse-tung:

ÜBER DEN LANGWIERIGEN KRIEG*

 (Mai 1938)


Diese Version aus: Mao Tse-tung, Ausgewählte Werke Band II, Verlag für fremdsprachige Literatur, Peking 1968, S.127-228


 DIE FRAGESTELLUNG

 1. Der 7. Juli rückt heran, der erste Jahrestag des Beginns des großen Widerstandskriegs gegen die japanische Aggression. Nun ist es schon bald ein Jahr, daß die Kräfte der ganzen Nation zusammen stehen, beharrlich den Widerstandskrieg führen, an der Einheitsfron festhalten und heroisch gegen den Feind kämpfen. Dieser Krieg ist in der Geschichte des Ostens ohne Beispiel und wird auch in die Weltgeschichte als ein großer Krieg eingehen. Die Völker der ganzen Welt verfolgen aufmerksam den Verlauf dieses Krieges. Jeder Chinese, der unter dem Krieg zu leiden hat und um die Existenz seiner Nation kämpft, sehnt sich tagtäglich nach dem Sieg. Aber wie wird der Krieg nun verlaufen? Werden wir ihn gewinnen können oder nicht? Werden wir ihn rasch gewinnen können oder nicht? Viele sprechen von einem langwierigen Krieg. Aber warum wird der Krieg: langwierig sein? Und wie ist ein langwieriger Krieg zu führen? Viele sprechen von einem endgültigen Sieg. Aber warum wird der Endsieg unser sein? Wie ist dieser endgültige Sieg zu erkämpfen? Nicht jede hat die Antwort auf diese Fragen gefunden, ja, sogar die meisten~ wissen bis zum heutigen Tag noch keine Antwort darauf. Daher treten nun die Anhänger der defitistischen Theorie von der unvermeidlichen Unterjochung Chinas auf den Plan und sagen: China werde unterjocht werden, der Endsieg werde nicht China zufallen Es treten ebenfalls manche übereifrige Freunde auf und erklären. China werde sehr rasch den Sieg erringen und es bedürfe hierfür keiner großen Anstrengungen. Sind nun diese Ansichten richtig oder nicht? Wir haben immer gesagt, daß diese Ansichten falsch sind. Aber das, was wir sagen, begreifen die meisten Leute noch nicht. Das erklärt sich zum Teil daraus, daß unsere Propaganda- und Aufklärungsarbeit unzureichend war, zum Teil aber auch daraus, daß die objektiven Ereignisse im Laufe ihrer Entwicklung den ihnen innewohnenden Charakter noch nicht restlos offenbart und den Menschen ihr Gesicht noch nicht klar enthüllt hatten, so daß diese nicht in der Lage waren, die Tendenzen und Perspektiven der Entwicklung der Ereignisse in ihrer Gesamtheit zu erkennen, und folglich auch außerstande waren, ihre gesamten Richtlinien und Maßnahmen festzulegen. Jetzt ist das leichter geworden. Die zehnmonatigen Erfahrungen des Widerstandskriegs reichen völlig aus, um die absolut unbegründete Theorie von der unvermeidlichen Unterjochung Chinas zu zerschlagen, aber auch um unsere übereifrigen Freunde von der Unhaltbarkeit ihrer Theorie vom raschen Sieg zu überzeugen. Unter diesen Umständen wünschen viele Menschen eine verallgemeinernde Erläuterung. Sie wünschen das vor allem im Hinblick auf einen langwierigen Krieg, weil es einerseits Einwände gegen einen solchen Krieg gibt, die sowohl in der Theorie von der unvermeidlichen Unterjochung Chinas als auch in der Theorie vom raschen Sieg zum Ausdruck kommen, und andererseits die nebelhaftesten Auffassungen über ihn bestehen. „Seit den Ereignissen bei Lugoutjiao stehen 400 Millionen Chinesen in gemeinsamer Anstrengung zusammen, und der Endsieg wird China gehören.“ So lautet eine weitverbreitete Formel. Diese Formel ist richtig, aber sie muß mit einem realen Inhalt erfüllt werden. Es gibt eine Reihe von Faktoren, die es ermöglichen, daß wir im Widerstandskrieg und in der Einheitsfront ausharren: Innenpolitisch gesehen umfassen sie alle politischen Parteien und Gruppen – von der Kommunistischen Partei bis zur Kuomintang -, das ganze Volk – von den Arbeitern und Bauern bis zur Bourgeoisie -, alle bewaffneten Kräfte – von den regulären Truppen bis zu den Partisaneneinheiten; international gesehen reichen sie von dem sozialistischen Land bis zu den gerechtigkeitsliebenden Völkern aller Länder; im Feindesland reichen sie von einigen Schichten der Bevölkerung, die den Krieg ablehnen, bis zu den gegen den Krieg eingestellten Soldaten an den Fronten. Kurz gesagt, alle diese Kräfte leisten in diesem oder jenem Maß ihren Beitrag zur Sache unseres Widerstandskriegs. Jeder Mensch mit Gewissen sollte ihnen Hochachtung entgegenbringen. Wir Kommunisten verfolgen gemeinsam mit den anderen antijapanischen politischen Parteien und Gruppen sowie mit dem gesamten Volk einzig und allein das Ziel, durch weitestgehenden Zusammenschluß aller Kräfte die verbrecherischen japanischen Eindringlinge zu besiegen. Am I. Juli dieses Jahres werden wir den 17. Jahrestag der Gründung der Kommunistischen Partei Chinas begehen. Damit jeder Kommunist im weiteren Verlauf des Widerstandskriegs gegen die japanischen Eindringlinge eine noch wirksamere und größere Rolle spielen kann, ist es notwendig, sich ernsthaft mit dem Studium des langwierigen Krieges zu befassen. Deshalb widme ich meine Vorlesung der Untersuchung dieser Frage. Ich werde mich bemühen, auf alle mit dem langwierigen Krieg zusammenhängenden Probleme einzugehen, aber ich werde nicht über alles sprechen können, da das innerhalb einer einzigen Vorlesungsreihe nicht möglich ist.
2. Die Erfahrungen der zehn Kriegsmonate beweisen, daß die beiden Theorien, die von der unvermeidlichen Unterjochung Chinas und die von einem raschen Sieg, falsch sind. D~ erste Theorie erzeugt eine Tendenz zum Kompromißlertum, die zweite Theorie eine Tendenz zur Unterschätzung des Feindes. Die Art und Weise, wie die Anhänger der beiden Theorien an die Frage herangehen, ist subjektiv, einseitig, mit einem Wort: unwissenschaftlich.
3. Vor Ausbruch des Widerstandskriegs machte die Theorie der nationalen Unterjochung viel von sich reden. Man sagte beispielsweise: „China ist schlechter bewaffnet als der Gegner und wird, wenn es den Kampf aufnimmt, unweigerlich den Krieg verlieren.“ „Falls wir einen Widerstandskrieg führen, wird es uns unvermeidlich wie Abessinien ergehen.“ Nach Beginn des Krieges hörte das offene Predigen der Theorie von der nationalen Unterjochung auf, aber im geheimen wird es fortgesetzt, und zwar sehr aktiv. Als Beispiel dafür kann die Atmosphäre des Kompromißlertums dienen, die sich einmal verdichtet, einmal zerstreut, und die Verfechter dieser Tendenz bedienen sich eines solchen Arguments: „Die Fortsetzung des Krieges bedeutet eine unvermeidliche Unterjochung.“ [1] Ein Student schrieb aus der Provinz Hunan: „Auf dem Lande ist alles sehr schwierig. Da ich als einzelner propagandistisch tätig bin, muß ich mit den Leuten sprechen, wann und wo ich sie antreffen kann. Die Gesprächspartner sind keineswegs Ignoranten; sie haben bis zu einem gewissen Grade begriffen, was vor sich geht, und bringen meinen Ausführungen großes Interesse entgegen. Wenn ich jedoch meine eigenen Verwand
ten treffe, sagen sie immer: China wird nicht siegen, es ist zum Untergang verurteilt.` Es kann einem direkt übel werden. Glücklicherweise treiben sie keine Propaganda, sonst wäre die Sache ganz schlimm. Die Bauern würden ihnen natürlich bedeutend mehr vertrauen!“ Solche Anhänger der Theorie von der unvermeidlichen Unterjochung Chinas bilden die soziale Basis für die Tendenz zu Kompromissen. Menschen dieser Art gibt es in allen Winkeln Chinas. Deshalb kann das Problem des Kompromißlertums jederzeit innerhalb der antijapanischen Front auftauchen und wird wahrscheinlich bis zum Ende des Krieges nicht verschwinden. Mir scheint, in einem Augenblick, da Hsüdschou gefallen und die Lage im Gebiet von Wuhan gespannt ist, wäre es nicht unnütz, die Theorie von der unvermeidlichen Unterjochung Chinas entschieden zu widerlegen.
4. In den zehn Monaten des Widerstandskriegs sind außerdem allerlei Ansichten laut geworden, die von einer Fiebrigkeit zeugen. So verfielen beispielsweise gleich in den ersten Kriegstagen viele in einen völlig unbegründeten Optimismus. Sie unterschätzten den Gegner und nahmen sogar an, daß die Japaner nicht bis in die Provinz Schansi vordringen könnten. Manche ignorierten die strategische Rolle des Partisanenkriegs beim Widerstand gegen die japanischen Eindringlinge und zweifelten an der These: „Im Hinblick auf das Ganze spielt der Bewegungskrieg die Hauptrolle, der Partisanenkrieg eine Nebenrolle; im Hinblick auf das Einzelne aber spielt der Partisanenkrieg die Hauptrolle, der Bewegungskrieg eine Nebenrolle.“ Sie waren auch mit dem folgenden strategischen Kurs der Achten Routearmee nicht einverstanden: „Im wesentlichen den Partisanenkrieg führen, aber unter günstigen Bedingungen auf den Bewegungskrieg nicht verzichten“. Sie hielten das für einen „mechanistischen“ Standpunkt  [2] Zur Zeit der Schlacht von Schanghai behaupteten manche: „Wenn man bloß drei Monate durchhalten könnte, die internationale Lage wird sich bestimmt ändern; die Sowjetunion wird unbedingt in den Krieg eintreten, und dann ist es mit dem Krieg zu Ende.“ Diese Leute setzten ihre Hoffnungen hinsichtlich der Perspektiven des Krieges vor allem auf die Hilfe des Auslands. [3] Nach dem Sieg bei Taiörldschuang [4] waren manche der Meinung, die Schlacht bei Hsüdschou sollte nun als „beinahe eine Entscheidungsschlacht“ durchgeführt und der bisherige Kurs auf einen langwierigen Krieg abgeändert werden. Man hörte Behauptungen wie: „Diese Schlacht ist das letzte verzweifelte Ringen des Feindes“ und „Wenn wir in dieser Schlacht
siegen, wird den japanischen Militaristen die moralische Stütze entzogen sein und ihnen nichts anderes übrigbleiben, als auf den Tag des Jüngsten Gerichts zu warten“ [5] Der Sieg bei Pinghsingguan machte bereits manchen übermütig, und der nächste Sieg bei Taiörldschuang verdrehte einer noch größeren Anzahl von Leuten den Kopf. Nun tauchten Zweifel auf, ob der Gegner Wuhan angreifen werde. Viele meinten: „Wohl kaum“; andere behaupteten: „Bestimmt nicht!“ Derartige Zweifel können bei allen wichtigen Problemen auftauchen. Man könnte zum Beispiel die Frage stellen, ob die Kräfte des Widerstands gegen die japanische Aggression ausreichten. Darauf könnte eine bejahende Antwort folgen, denn unsere Kräfte genügten jetzt schon, um die Offensive des Feindes aufzuhalten, wozu sollte man da diese Kräfte noch vergrößern? Oder zum Beispiel die Frage, ob die Losung von der Festigung und Erweiterung der antijapanischen nationalen Einheitsfront immer noch richtig sei. Darauf könnte eine verneinende Antwort folgen, denn die Einheitsfront in ihrem gegenwärtigen Zustand sei stark genug, um den Feind zurückzuwerfen, wozu sollte man sie da noch festigen und erweitern? Oder: Müssen wir unsere diplomatische Tätigkeit und unsere Propaganda im Ausland noch intensivieren? Darauf könnte ebenfalls eine verneinende Antwort folgen. Ferner: Sollen wir uns ernsthaft mit solchen Dingen befassen wie Reform des Armee-Systems und der politischen Ordnung, Entfaltung der Massenbewegung, strikte Durchführung der Volksbildung im Interesse der nationalen Verteidigung, Unterdrückung der Landesverräter und Trotzkisten, Entwicklung der Rüstungsindustrie und Verbesserung der Lebensbedingungen des Volkes? Oder: Sind die Losungen – Wuhan verteidigen, Kanton verteidigen, den Nordwesten verteidigen und im Hinterland des Gegners energisch den Partisanenkrieg entfalten – auch weiterhin richtig? Auf alle diese Fragen könnte eine verneinende Antwort folgen. Es gibt sogar Leute, die bereit sind, die Reibungen zwischen der Kuomintang und der Kommunistischen Partei zu verschärfen, sobald die Kriegslage eine mehr oder minder günstige Wendung nimmt, und die somit die Aufmerksamkeit von den äußeren auf die inneren Probleme lenken wollen. Das ist fast jedesmal nach einem größeren Sieg der Fall oder wenn der Gegner den Angriff zeitweilig einstellt. Alles eben Erwähnte bezeichnen wir als politische und militärische Kurzsichtigkeit. Die Argumentationen solcher Leute mögen plausibel klingen, aber in Wirklichkeit sind sie absolut haltlos, nichts als leeres Geschwätz, das nur äußerlich der Wahrheit ähnelt. Mit all diesem Geschwätz Schluß zu machen muß für die siegreiche Führung des Widerstandskriegs von Nutzen sein.
5. Die Frage lautet also: Wird China unterjocht werden? Und die Antwort heißt: Nein, das wird es nicht, der Endsieg wird China gehören. Wird China rasch siegen können? Die Antwort ist: Nein, das kann es nicht, der Widerstandskrieg wird langwierig sein.
6. Die grundlegenden Ansichten über diese Fragen haben wir bereits vor zwei Jahren in allgemeinen Zügen dargelegt. Am 16. Juli 1936, das heißt fünf Monate vor den Sian-Ereignissen und zwölf Monate vor den Ereignissen bei Lugoutjiao, gab ich in einem Gespräch mit dem amerikanischen Korrespondenten Herrn Edgar Snow eine allgemeine Einschätzung der Lage des Krieges zwischen China und Japan und umriß die Richtlinien, die den Sieg gewährleisten. Es schadet nichts, einige Auszüge aus diesem Gespräch in Erinnerung zu bringen:

Frage: Unter welchen Bedingungen kann China die Kräfte des japanischen Imperialismus besiegen und vernichten?
Antwort: Drei Bedingungen sind notwendig: erstens Schaffung einer antijapanischen Einheitsfront in China; zweitens Schaffung einer internationalen antijapanischen Einheitsfront; drittens Aufschwung der revolutionären Bewegung des japanischen Volkes und der Völker der japanischen Kolonien. Vom Standpunkt des chinesischen Volkes aus ist der große Zusammenschluß des chinesischen Volkes selbst die wichtigste von diesen drei Bedingungen.
Frage: Wie lange wird dieser Krieg Ihrer Meinung nach dauern?
Antwort: Das hängt von der Stärke der antijapanischen Einheitsfront in China sowie von vielen anderen entscheidenden Faktoren in China und in Japan ab. Mit anderen Worten, neben den eigenen Kräften Chinas, von denen die Kriegsdauer hauptsächlich abhängt, sind die internationale Hilfe für China sowie jene Hilfe, die ihm von Seiten der revolutionären Bewegung in Japan gewährt wird, von großer Bedeutung. Wenn sich die antijapanische Einheitsfront in China mächtig entwickelt und sowohl horizontal als auch vertikal wirkungsvoll organisiert wird, wenn die Regierungen und Völker, welche die Bedrohung ihrer eigenen Interessen durch den japanischen Imperialismus klar erkannt haben, dazu übergehen, China die notwendige Hilfe zu leisten, wenn die Revolution in Japan bald ausbricht, dann wird der Krieg rasch beendet werden, und China wird schnell den Sieg erringen. Wenn aber diese Bedingungen nicht in kurzer Zeit verwirklicht werden, dann wird sich der
Krieg in die Länge ziehen, das Ergebnis jedoch wird das gleiche sein: Japan wird eine Niederlage erleiden, und China wird siegen – nur werden in diesem Fall die Opfer größer sein, und wir werden eine Periode schwerer Leiden durchmachen müssen.
Frage: Wie wird sich Ihrer Meinung nach dieser Krieg in politischer und militärischer Hinsicht entwickeln?
Antwort: Die Kontinentalpolitik Japans steht schon fest. Wer da glaubt, China könnte durch Kompromisse mit Japan – durch weitere Preisgabe seines Territoriums und seiner souveränen Rechte – dem Angriff Japans Einhalt gebieten, gibt sich Illusionen hin. Es ist uns genau bekannt, daß sogar der Unterlauf des Yangtse und die Seehäfen Südchinas bereits in die Sphäre der Kontinentalpolitik des japanischen Imperialismus einbezogen sind. Außerdem strebt Japan danach, die Philippinen, Siam, Vietnam, die Malaüsche Halbinsel und Niederländisch-Ostindien zu erobern, um so China von den anderen Mächten zu isolieren und die Monopolherrschaft über den südwestlichen Pazifik zu errichten. Das ist die Seepolitik Japans. In einer solchen Periode wird China zweifellos in eine äußerst schwere Lage geraten. Aber die große Mehrheit der Chinesen ist davon überzeugt, daß diese Schwierigkeiten zu überwinden sind; nur die Reichen in den großen Handelshäfen sind Defätisten, weil sie fürchten, ihren Besitz zu verlieren. Viele nehmen an, China verlöre die Möglichkeit, den Krieg fortzusetzen, sobald seine Küste von den Japanern blockiert sein würde. Das ist purer Unsinn. Um diese Ansicht zu widerlegen, brauchen wir nur die Geschichte des Krieges der Roten Armee als Beispiel heranzuziehen. Im Widerstandskrieg ist China in einer viel günstigeren Lage, als es die Rote Armee in der Periode des Bürgerkriegs war. China ist ein riesiges Land. Selbst wenn es Japan gelingt, Gebiete mit einer Bevölkerung von 100 bis 200 Millionen zu besetzen, werden wir auch dann noch sehr weit von einer Niederlage entfernt sein. Wir werden noch über gewaltige Kräfte verfügen, um den Krieg gegen Japan führen zu können, während Japan im Verlauf des ganzen Krieges gezwungen sein wird, ständig Verteidigungskämpfe hinter seinen Linien zu führen. Die Zersplitterung und die ungleichmäßige Entwicklung der Wirtschaft Chinas sind sogar günstig für die Führung des Widerstandskriegs gegen die japanische Aggression. Würde beispielsweise Schanghai von den anderen Landesteilen abgeschnitten, so wäre dieser Verlust für China bei weitem nicht so ernst, wie es für die USA eine Isolierung New Yorks von den anderen Gebieten der USA wäre. Selbst wenn es Japan gelingt, die Küste Chinas zu blockieren, wird es nicht imstande sein, den Nordwesten, Südwesten und Westen unseres Landes zu blockieren. Deshalb besteht der Kernpunkt des Problems nach
wie vor im Zusammenschluß des gesamten chinesischen Volkes und in der Schaffung einer das ganze Land vereinigenden antijapanischen Front. Das haben wir schon längst vorgeschlagen.
Frage: Angenommen, der Krieg zieht sich sehr in die Länge, und Japan erleidet keine völlige Niederlage; kann sich die Kommunistische Partei in diesem Fall auf Friedensverhandlungen mit Japan einlassen und die japanische Herrschaft über Nordostchina anerkennen?
Antwort: Nein. Die Kommunistische Partei Chinas wird ebensowenig wie das ganze chinesische Volk den Japanern gestatten, auch nur einen Fußbreit unseres Bodens zu behalten.
Frage: Was muß Ihrer Meinung nach der hauptsächliche strategische Kurs Chinas in diesem Befreiungskrieg sein?
Antwort: Unser strategischer Kurs muß darin bestehen, unsere Hauptstreitmacht zu Operationen auf einer sehr langgestreckten und Einnahmebeweglichen Kampflinie einzusetzen. Um Siege zu erringen, muß die chinesische Armee einen Krieg von hochgradiger Beweglichkeit auf einem ausgedehnten Kriegsschauplatz führen: rasch vorstoßen und sich rasch zurückziehen, die Kräfte rasch konzentrieren und rasch auflockern. Das wird ein Bewegungskrieg von großem Maßstab sein und kein Stellungskrieg, in welchem man tiefe Gräben, hohe Wälle und zahlreiche Befestigungen errichtet und sich ganz und gar auf diese Verteidigungsanlagen stützt. Das bedeutet durchaus nicht, daß man alle militärisch wichtigen Punkte aufgeben muß. An solchen Punkten muß man sich, wenn es irgend vorteilhaft ist, auf den Stellungskrieg einrichten. Aber der strategische Kurs, der die Gesamtsituation zu verändern vermag, kann nur der Kurs auf den Bewegungskrieg sein. Obwohl der Stellungskrieg ebenfalls notwendig ist, wird er eine untergeordnete und zweitrangige Rolle spielen. Geographisch gesehen ist der Kriegsschauplatz so ausgedehnt, daß wir die Möglichkeit haben, einen höchst wirksamen Bewegungskrieg zu führen. Stößt die japanische Armee auf kraftvolle Aktionen unserer Truppen, dann wird sie zur Vorsicht gezwungen sein. Ihre Kriegsmaschinerie ist sehr schwerfällig, arbeitet sehr langsam, und ihre Wirksamkeit ist begrenzt. Wenn wir unsere Kräfte an einem schmalen Frontabschnitt konzentrieren und dem Feind Widerstand leisten wollten, indem wir unsere Kräfte verausgaben, dann würden wir unsere Armee der Vorteile unserer geographischen Lage und unserer wirtschaftlichen Organisation berauben und einen ähnlichen Fehler wie Abessinien machen. In der ersten Periode des Krieges müssen wir allen großen Entscheidungsschlachten ausweichen. Wir müssen zunächst durch einen Bewegungskrieg die Moral und die Kampfkraft der gegnerischen Truppen allmählich untergraben.
Neben dem Einsatz ausgebildeter Truppen zur Führung des Bewegungskriegs müssen wir zahlreiche Partisanenabteilungen aus den Reihen der Bauern aufstellen. Man muß zur Kenntnis nehmen, daß die antijapanischen Freiwilligenabteilungen in den Drei Nordöstlichen Provinzen ja nur einen unbeträchtlichen Teil der potentiellen Kräfte der Bauernschaft des Landes darstellen, die zur Führung des Widerstandskriegs mobilisiert werden können. Die chinesische Bauernschaft verfügt über gewaltige potentielle Kräfte, die, wenn sie nur richtig organisiert und geführt werden, die japanischen Truppen Tag und Nacht in Atem halten und dadurch zermürben werden. Man muß bedenken, daß der Krieg in China geführt wird. Das bedeutet, daß die japanische Armee restlos von den ihr feindlich gesinnten Chinesen eingekreist sein wird, daß sie gezwungen sein wird, die für den Krieg benötigten Mittel heranzuschaffen, die sie dann selbst zu bewachen hat, daß sie auch starke Truppenkontingente zum Schutz ihrer Verbindungslinien einsetzen und ständig vor Überraschungsangriffen auf der Hut sein muß und daß sie außerdem einen großen Teil ihrer Kräfte in der Mandschurei und in Japan selbst zu belassen hat.
Im Verlauf des Krieges wird China eine bedeutende Anzahl japanischer Soldaten gefangennehmen sowie eine große Menge an Waffen und Munition erbeuten und das für die eigene Ausrüstung verwenden; gleichzeitig wird China Hilfe vom Ausland erlangen, so daß sich die Bewaffnung der chinesischen Armee nach und nach verbessern wird. Daher wird China in der letzten Periode des Krieges in der Lage sein, zum Stellungskrieg überzugehen und die Stellungen der Japaner auf dem von ihnen besetzten Territorium anzugreifen. So wird die Wirtschaft Japans infolge seiner langdauernden Erschöpfung durch den chinesischen Widerstandskrieg zusammenbrechen, während die Moral der japanischen Truppen in unzähligen aufreibenden Kämpfen gebrochen sein wird. Was jedoch China anbelangt, so werden seine potentiellen Widerstandskräfte von Tag zu Tag anwachsen und einen Aufschwung erfahren, und die revolutionären Volksmassen werden in einem ununterbrochenen, mächtigen Strom an die Front treiben und für die Freiheit kämpfen. In Verbindung mit anderen Faktoren werden all diese Faktoren es uns ermöglichen, einen endgültigen, vernichtenden Schlag gegen die Befestigungen und Stützpunkte in den von Japan besetzten Gebieten zu führen und die japanischen Aggressionstruppen aus China zu vertreiben. (Siehe das Buch von Edgar Snow Red Star over China.)

Die Richtigkeit der hier dargelegten Ansichten wurde durch die zehnmonatigen Erfahrungen des Widerstandskriegs bestätigt und wird auch künftig bestätigt werden.
 7. Bereits am 25. August 1937, das heißt etwas über einen Monat nach den Ereignissen bei Lugoutjiao, hat das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Chinas in seinem „Beschluß über die gegenwärtige Lage und die Aufgaben der Partei“ klar ausgeführt:

Die militärische Provokation bei Lugoutjiao und die Eroberung von Peiping und Tientsin sind lediglich der Beginn eines großangelegten Angriffs der japanischen Eindringlinge auf Chinas Gebiete südlich der Großen Mauer. Die japanischen Eindringlinge haben in ihrem Land bereits mit der allgemeinen Mobilmachung begonnen. Ihre Propagandabehauptung, daß sie „keine weitere Verschärfung der Lage wünschten“, dient lediglich als Rauchvorhang zur Tarnung ihres Angriffs.
Der am 7. Juli bei Lugoutjiao geleistete Widerstand ist zum Auftakt des Widerstandskriegs Chinas gegen die japanische Aggression im Landesmaßstab geworden.
In der politischen Lage Chinas hat somit ein neues Stadium begonnen, das Stadium des Widerstandskriegs. Das Stadium der Vorbereitung des Widerstandskriegs ist bereits vorüber. Die zentrale Aufgabe im gegenwärtigen Stadium besteht darin, alle Kräfte zur Erringung des Sieges im Widerstandskrieg zu mobilisieren.
Der Schlüssel zum Sieg im Widerstandskrieg ist die Entfaltung des bereits begonnenen Widerstands zu einem totalen Widerstand der ganzen Nation. Nur durch einen solchen totalen Widerstandskrieg der ganzen Nation werden wir den endgültigen Sieg erringen können.
Infolge der ernsten Schwäche im gegenwärtigen Widerstandskrieg kann es im weiteren Verlauf des Krieges viele Rückschläge, Rückzüge, innere Spaltungen und Verräterei, zeitweilige und teilweise Kompromisse sowie andere ungünstige Zustände geben. Man muß daher einsehen, daß dieser Widerstandskrieg ein schwerer langwieriger Krieg sein wird. Aber wir sind überzeugt, daß der bereits ins Rollen gekommene Widerstandskrieg dank den Bemühungen unserer Partei und des ganzen Volkes alle Hindernisse hinwegfegen, weiterhin vorwärtsschreiten und sich entwickeln wird.

Die zehnmonatigen Erfahrungen des Widerstandskriegs haben bestätigt, daß auch diese Ansichten richtig waren; ihre Richtigkeit wird sich auch künftig bestätigen.
8. Idealistische und mechanistische Tendenzen in der Frage des Krieges sind die erkenntnistheoretischen Wurzeln aller aufgezeigten falschen Ansichten. Menschen mit derartigen Tendenzen gehen an die Frage subjektiv und einseitig heran. Entweder verlieren sie sich in
völlig unbegründeter und rein subjektivistischer Phrasendrescherei, oder sie greifen nur eine einzelne Seite beziehungsweise eine vorübergehende Erscheinung der Frage heraus, die sie dann ebenso subjektivistisch aufbauschen und für das Ganze der Frage halten. Falsche Ansichten lassen sich jedoch in zwei Kategorien teilen: Die eine besteht aus prinzipiellen und fest eingewurzelten Fehlern, die schwer zu korrigieren sind; die andere besteht aus zufälligen und vorübergehenden Fehlern, die leicht zu korrigieren sind. Aber da es sich bei der einen wie bei der anderen Kategorie eben um Fehler handelt, ist es notwendig, sie ausnahmslos zu korrigieren. Deshalb kann man nur erst dann zu richtigen Schlußfolgerungen gelangen, wenn man gegen die idealistischen und mechanistischen Tendenzen in der Frage des Krieges kämpft und den Krieg objektiv und allseitig studiert.

DIE BEWEISGRÜNDE IN DIESER FRAGE

 9. Warum wird der Widerstandskrieg gegen die japanische Aggression langwierig sein? Warum wird der Endsieg China gehören? Worauf gründen sich unsere Argumente?
Der Krieg zwischen China und Japan ist nicht irgendein beliebiger Krieg, sondern ein Krieg auf Leben und Tod, der zwischen dem halbkolonialen, halbfeudalen China und dem imperialistischen Japan in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts geführt wird. Darauf fußt unsere Argumentation bei der Gesamtfrage. Nimmt man jede der beiden kriegführenden Parteien für sich, so muß man feststellen, daß sie eine ganze Reihe einander entgegengesetzter Besonderheiten aufweisen.
10. Die japanische Seite. Erstens ist Japan ein mächtiger imperialistischer Staat, der, was seine militärische, wirtschaftliche und politisch-organisatorische Stärke betrifft, im Osten als erstklassig gilt und auch in der ganzen Welt eine der fünf bis sechs imperialistischen Großmächte ist. Das sind die Hauptvoraussetzungen für den aggressiven Krieg, den Japan führt. Die Unvermeidbarkeit dieses Krieges sowie die Unmöglichkeit eines raschen Sieges Chinas ergeben sich gerade aus dem imperialistischen System Japans und aus seiner großen militärischen, wirtschaftlichen und politisch-organisatorischen Stärke. Zweitens jedoch bedingt die imperialistische Natur der sozialökonomischen Ordnung Japans den imperialistischen Charakter des von
ihm geführten Krieges – eines reaktionären und barbarischen Krieges. In den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts haben die inneren und äußeren Widersprüche des japanischen Imperialismus diesen Staat nicht nur in einen abenteuerlichen Krieg von unvergleichlichen Ausmaßen getrieben, sie haben ihn auch auf seinen endgültigen Zusammenbruch zugedrängt. Vom Standpunkt der gesellschaftlichen Entwicklung ist Japan nicht mehr ein Land, das sich im Aufstieg befindet, und der Krieg wird den herrschenden Klassen Japans nicht den von ihnen erwarteten Aufschwung bringen, sondern das Gegenteil – den Untergang des japanischen Imperialismus. Das kennzeichnet eben den reaktionären Charakter des von Japan geführten Krieges. Dieser reaktionäre Charakter bestimmt zusammen mit den militärisch-feudalen Zügen des japanischen Imperialismus den besonders barbarischen Charakter des von ihm geführten Krieges. Und das alles wird die Gegensätze zwischen den Klassen in Japan, zwischen der japanischen und der chinesischen Nation sowie zwischen Japan und den meisten Staaten der Welt äußerst verschärfen. Der reaktionäre und barbarische Charakter des von Japan geführten Krieges – das ist der Hauptgrund, warum Japan den Krieg unvermeidlich verlieren wird. Drittens ist überdies zwar die Grundlage, auf der Japan den Krieg führt, seine große militärische, wirtschaftliche und politisch-organisatorische Stärke; zugleich aber ist sie von Natur aus unzureichend. Wenn auch die militärische, wirtschaftliche und politisch-organisatorische Stärke Japans groß ist, reicht sie dennoch quantitativ nicht aus. Japan ist ein verhältnismäßig kleines Land, das weder über genug Menschen noch über ausreichende militärische, finanzielle und materielle Hilfsquellen verfügt, so daß es einen langwierigen Krieg nicht durchhalten kann. Seine Machthaber versuchen, diese Schwierigkeiten durch den Krieg zu lösen, werden aber auch hier das Gegenteil erreichen; mit anderen Worten, sie haben den Krieg entfesselt, um diese Schwierigkeiten zu beheben, aber der Krieg wird diese noch vergrößern, wird sogar das verschlingen, was Japan ursprünglich besessen hat. Viertens schließlich kann Japan zwar eine internationale Unterstützung von den faschistischen Staaten erhalten, wird aber zugleich zwangsläufig auf internationale Widerstandskräfte stoßen, die den Japan unterstützenden Kräften überlegen sind. Diese Kräfte werden allmählich anwachsen und letzten Endes nicht nur die Unterstützung seitens der faschistischen Staaten aufwiegen, sondern auch einen Druck auf Japan selbst ausüben. Wer eine ungerechte Sache vertritt, der kann nur eine schwache Unterstützung finden – das ist ein Gesetz, das sich auch aus dem Wesen des von Japan geführten Krieges ergibt. Zusammenfassend kann man sagen: Die Stärke Japans liegt in seiner großen militärischen Macht, seine Schwäche dagegen in dem reaktionären und barbarischen Charakter des von ihm geführten Krieges, in dem Mangel an Menschen und Material sowie in der unzulänglichen internationalen Unterstützung. Das sind die Besonderheiten Japans.
11. Die chinesische Seite. Erstens sind wir ein halbkoloniales, halbfeudales Land. Angefangen mit dem Opiumkrieg [6], der Taiping-Tiänguo-Bewegung, den Reformen von 1898 [7], der Revolution von 1911 bis zum Nordfeldzug haben alle revolutionären Bewegungen und Reformbewegungen, die das Ziel verfolgten, China aus seiner halbkolonialen und halbfeudalen Lage zu befreien, ernste Mißerfolge erlitten, so daß China nach wie vor ein halbkoloniales und halbfeudales Land geblieben ist. Wir sind noch immer ein schwaches Land und hinsichtlich der militärischen, wirtschaftlichen und politischorganisatorischen Stärke dem Feind offensichtlich unterlegen. Also sind auch dadurch die Unvermeidbarkeit des Krieges und die Unmöglichkeit eines raschen Sieges Chinas bedingt. Zweitens aber ist die Befreiungsbewegung, die sich in China im Laufe der letzten hundert Jahre ununterbrochen entwickelte, gegenwärtig ganz anders als zu jeder anderen vorangegangenen historischen Periode. Die verschiedenen inneren und äußeren Kräfte, die die Befreiungsbewegung bekämpften, haben ihr zwar schwere Rückschläge gebracht, aber gleichzeitig haben sie das chinesische Volk gestählt. Obwohl China heute in militärischer, wirtschaftlicher, politischer und kultureller Hinsicht nicht so stark ist wie Japan, gibt es jetzt in China Faktoren, die fortschrittlicher sind, als es in jeder anderen historischen Periode der Fall war. Die Kommunistische Partei Chinas und die von ihr geführte Armee repräsentieren eben diese fortschrittlichen Faktoren. Gerade auf Grund dieser Fortschrittlichkeit kann der gegenwärtig von China geführte Befreiungskrieg eine lange Zeit ausgehalten werden und mit dem endgültigen Sieg Chinas enden. Im Gegensatz zum japanischen Imperialismus, der im Abstieg begriffen ist, ist China ein Land, das aufsteigt wie die aufgehende Sonne. Der Krieg, den China führt, ist fortschrittlich, und aus dieser Fortschrittlichkeit ergibt sich eben seine Gerechtigkeit. Da dieser Krieg gerecht ist, kann er zum Zusammenschluß des ganzen Landes führen, die Sympathien des Volkes im Feindesland hervorrufen und die Mehrheit der Länder der Welt zur Unterstützung Chinas gewinnen. Drittens ist China ein sehr
großes Land mit einem riesigen Territorium, reichen materiellen Hilfsquellen, einer zahlreichen Bevölkerung und einer großen Anzahl von Soldaten; infolgedessen ist es imstande, einen langwierigen Krieg auszuhalten. In dieser Beziehung bildet es wiederum einen Gegensatz zu Japan. Viertens schließlich genießt China infolge des fortschrittlichen, gerechten Charakters des von ihm geführten Krieges weitgehende internationale Unterstützung, was wiederum einen absoluten Gegensatz zu der Tatsache bildet, daß Japan mit seiner ungerechten Sache auf eine sehr dürftige Unterstützung rechnen kann. Um alles Gesagte zusammenzufassen: Der Nachteil Chinas liegt in der Schwäche seiner militärischen Macht, seine Vorteile liegen in dem fortschrittlichen und gerechten Charakter des von ihm geführten Krieges, in der Größe seines Territoriums und in der weitgehenden internationalen Unterstützung, die ihm zuteil wird. Das sind die Besonderheiten Chinas.
12. Also verfügt Japan zwar über eine große militärische, wirtschaftliche und politisch-organisatorische Stärke, aber der Krieg, den es führt, ist reaktionär und barbarisch, seine Menschen- und Materialreserven sind überdies unzureichend, und ferner ist seine internationale Lage ungünstig. Im Gegensatz dazu erlebt China, obwohl seine militärische, wirtschaftliche und politisch-organisatorische Stärke verhältnismäßig gering ist, eine Epoche des Fortschritts, und der Krieg, den es führt, ist ein fortschrittlicher und gerechter Krieg; überdies ist China ein großes Land, was ihm ermöglicht, einen langwierigen Krieg durchzuhalten; außerdem werden die meisten Länder der Welt China unterstützen. Das sind die grundlegenden; einander entgegengesetzten Besonderheiten Chinas und Japans im Krieg. Diese Besonderheiten bestimmten und bestimmen alle politischen Richtlinien, die militärische Strategie und Taktik der beiden Seiten, den langwierigen Charakter des Krieges, sie waren und sind dafür bestimmend, daß der endgültige Sieg China und nicht Japan zufallen wird. Der Krieg ist eine Art Wettstreit zwischen den erwähnten Besonderheiten. Im Verlauf des Krieges werden sich diese, ihrem jeweiligen Charakter gemäß, ändern, und daraus ergibt sich alles weitere. Diese Besonderheiten existieren in Wirklichkeit, sind nichts Eingebildetes und Trügerisches; sie stellen den ganzen Komplex der Grundelemente des Krieges dar, sind keineswegs nur unvollständige Bruchstücke; sie durchdringen alle größeren und kleineren Probleme der beiden Seiten sowie alle Etappen des Krieges und sind nicht etwas Bedeutungsloses. Wenn man bei der Untersuchung des Krieges zwischen China und Japan diese Besonderheiten vergißt, wird man unvermeidlich zu
falschen Schlüssen gelangen; mögen einige Ansichten für eine gewisse Zeit bei manchen Leuten Anklang finden und ihnen richtig erscheinen, der Verlauf des Krieges wird dennoch unbedingt beweisen, daß sie falsch sind. Nun wollen wir auf Grund dieser Besonderheiten alle Fragen erörtern, die zu klären sind.

DIE WIDERLEGUNG DER THEORIE VON DER UNVERMEIDLICHEN UNTERJOCHUNG CHINAS

13. Die Anhänger der Theorie von der unvermeidlichen Unterjochung Chinas, die nur einen einzigen Faktor vor Augen hatten, nämlich den Gegensatz zwischen der Stärke des Feindes und unserer Schwäche, sagten früher: „Falls wir Widerstand leisten, gehen wir zugrunde“; jetzt plappern sie: „Die Fortsetzung des Krieges bedeutet eine unvermeidliche Unterjochung.“ Wenn wir ihnen daraufhin lediglich erklären, der Feind sei zwar stark, sein Land aber klein, während China zwar ein schwaches, aber ein großes Land sei, so werden wir sie nicht überzeugen können. Sie können Beispiele aus der Geschichte des Sturzes der Sung-Dynastie durch die Mongolen und der Ming-Dynastie durch die Mandschuren anführen, um zu beweisen, daß ein kleiner, aber starker, dabei rückständiger Staat einen großen, aber schwachen, dabei fortschrittlichen Staat unterwerfen kann. Halten wir ihnen aber entgegen, das liege weit in der Vergangenheit zurück und könne nicht als Beweis dienen, können sie wiederum unter Bezugnahme auf die Tatsache der Unterwerfung Indiens durch Großbritannien nachzuweisen suchen, daß die Unterjochung eines großen, aber schwachen und rückständigen Landes durch ein kleines, aber starkes kapitalistisches Land möglich sei. Deshalb muß man auch noch andere Argumente anführen, und erst dann wird man alle Anhänger der Theorie von der unvermeidlichen Unterjochung Chinas zum Schweigen bringen und überzeugen sowie allen jenen, die propagandistisch tätig sind, ausreichende Argumente geben können, damit sie die Menschen, die noch unklar und unentschlossen sind, überzeugen und ihre Zuversicht in unseren Sieg im Widerstandskrieg festigen können.
14. Was müssen wir da als Argument ins Treffen führen? Die Besonderheiten der Epoche. Der konkrete Ausdruck dieser Besonderheiten sind: die Rückschrittlichkeit Japans und die dürftige inter
nationale Unterstützung, die ihm zuteil wird; die Fortschrittlichkeit Chinas und die breite internationale Unterstützung, die ihm erwiesen wird.
15. Dieser Krieg ist ein Krieg, der zwischen China und Japan in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts geführt wird, und nicht irgendein anderer Krieg. Was unseren Feind betrifft, so ist er vor allem eine imperialistische Macht, die zum Untergang verurteilt ist. Japan befindet sich bereits in der Epoche des Abstiegs und kann nicht nur nicht mit dem England aus der Zeit der Unterwerfung Indiens, als sich der Kapitalismus in England noch in seiner fortschrittlichen Epoche befand, gleichgesetzt werden, sondern nicht einmal mit dem Japan, wie es vor zwanzig Jahren zur Zeit des ersten Weltkriegs war. Der gegenwärtige Krieg ist am Vorabend des grandiosen Zusammenbruchs des Weltimperialismus und in erster Linie des Zusammenbruchs der faschistischen Staaten entfesselt worden. Eben deswegen hat unser Feind den abenteuerlichen Krieg entfesselt, der im Grunde genommen sein letztes verzweifeltes Ringen bedeutet. Daher wird der Ausgang des Krieges so sein: nicht China, sondern die herrschende Clique des japanischen Imperialismus wird untergehen – das ist eine unvermeidliche Konsequenz. Ferner hat Japan seinen Krieg zu einer Zeit begonnen, da ein Teil der Staaten der Welt bereits in einen Krieg verwickelt ist, während andere bald hineingeraten werden, da alle solche Staaten bereits dabei sind oder sich darauf vorbereiten, gegen die barbarische Aggression zu kämpfen, und hinzu kommt, daß die Interessen Chinas mit denen der meisten Staaten und Völker der Welt verknüpft sind. Hier sind die Wurzeln der Opposition, die Japan bei den meisten Ländern und Völkern der Welt hervorgerufen hat und in wachsendem Maße weiterhin hervorrufen wird.
16. Wie steht es mit China? Das China von heute ist mit dem China irgendeiner vergangenen historischen Periode nicht zu vergleichen. Die halbkoloniale und halbfeudale Gesellschaft – das ist eine Besonderheit Chinas; deshalb wird es als ein schwaches Land bezeichnet. Gleichzeitig aber durchlebt es in seiner historischen Entwicklung eine Epoche des Fortschritts, und das ist der Hauptgrund für einen sicheren Sieg über Japan. Wenn wir sagen, daß der Krieg gegen die japanischen Eindringlinge fortschrittlich ist, so meinen wir weder eine Fortschrittlichkeit schlechthin noch die Fortschrittlichkeit, die für den Krieg Abessiniens gegen die italienische Aggression kennzeichnend war, noch die Fortschrittlichkeit, die die Taiping-Tiänguo-Bewegung oder die Revolution von 1911 charakterisierte, sondern die Fortschritt
lichkeit des heutigen China. Worin besteht die Fortschrittlichkeit des heutigen China? Sie besteht darin, daß China nicht mehr im vollen Sinne des Wortes ein feudaler Staat ist; in China ist bereits der Kapitalismus, sind bereits Bourgeoisie und Proletariat entstanden, breite Massen des Volkes sind erwacht oder im Erwachen begriffen, die Kommunistische Partei ist entstanden, es gibt eine politisch fortschrittliche Armee – die von der Kommunistischen Partei geführte chinesische Rote Armee; angesammelt haben sich die Traditionen und Erfahrungen einiger Jahrzehnte der Revolution und insbesondere die Erfahrungen der letzten siebzehn Jahre, die seit der Gründung der Kommunistischen Partei Chinas vergangen sind. Diese Erfahrungen haben das chinesische Volk und die politischen Parteien Chinas erzogen; heute wurden gerade diese Erfahrungen zur Grundlage für unseren Zusammenschluß zum Widerstand gegen die japanische Aggression. Wenn festgestellt wird, daß in Rußland ohne die Erfahrungen von 1905 der Sieg im Jahre 1917 unmöglich gewesen wäre, dann können wir auch sagen, daß bei uns ohne die Erfahrungen der letzten siebzehn Jahre der Sieg im Widerstandskrieg unmöglich sein würde. Das sind unsere inneren Bedingungen.
Die internationalen Bedingungen haben es ermöglicht, daß China im Krieg nicht isoliert ist, was auch in der Geschichte erstmalig der Fall ist. In der Vergangenheit haben sowohl China als auch Indien ihre Kriege stets isoliert geführt. Erst in unseren Tagen begegnen wir einer in der ganzen Welt entstandenen oder entstehenden ungemein breiten und tiefgehenden Volksbewegung und der Unterstützung, die von dieser Bewegung China erwiesen wird. Die russische Revolution von 1917 fand ebenfalls in der ganzen Welt Unterstützung, und darum konnten die russischen Arbeiter und Bauern siegen, aber diese Unterstützung war damals ihrem Ausmaß nach nicht so groß und ihrem Charakter nach nicht so tiefgehend wie die Unterstützung, die China in unseren Tagen genießt. Heute entfaltet sich die Volksbewegung in der ganzen Welt in einer nie gekannten Breite und Tiefe. In der gegenwärtigen internationalen Politik stellt insbesondere die Existenz der Sowjetunion einen wesentlichen Faktor dar; die Sowjetunion wird China zweifellos mit größtem Enthusiasmus unterstützen. Vor zwanzig Jahren fehlte dieser Faktor ganz und gar. Das alles zusammengenommen schuf und schafft die unerläßlichen und wichtigen Voraussetzungen für den endgültigen Sieg Chinas. Obwohl wir heute vorläufig noch keine unmittelbare und breite Unterstützung erhalten und eine solche sich erst in der Zukunft ergeben wird, können wir jedoch, da
solche Bedingungen wie die Fortschrittlichkeit Chinas und die Größe seines Territoriums gegeben sind, den Krieg in die Länge ziehen, uns die internationale Unterstützung sichern und sie abwarten.
17. Dazu kommt noch, daß Japan ein kleines Land ist und über ein kleines Territorium, wenige materielle Hilfsquellen, eine geringere Bevölkerungszahl und eine begrenzte Truppenstärke verfügt, während China ein großes Land mit einem riesigen Territorium, reichen materiellen Hilfsquellen, einer zahlreichen Bevölkerung und einer großen Zahl von Soldaten ist. So gibt es neben dem Gegensatz zwischen der Stärke Japans und der Schwäche Chinas noch einen anderen Gegensatz, nämlich daß einem kleinen, rückschrittlichen Land, das nur geringe internationale Unterstützung bekommt, ein großes, fortschrittliches Land gegenübersteht, das breite internationale Unterstützung genießt. Das ist der Grund dafür, daß China auf keinen Fall unterjocht werden wird. Der erste Gegensatz – Japan ist stark, und China ist schwach – gestattet es Japan zwar, in China eine gewisse Zeit hindurch und bis zu einer gewissen Grenze sein Unwesen zu treiben, zwingt China unvermeidlich, eine schwierige Wegstrecke zurückzulegen, und ist bestimmend dafür, daß der Widerstandskrieg gegen die japanische Aggression kein Krieg mit rascher Entscheidung, sondern ein langwieriger Krieg sein wird. Der zweite Gegensatz dagegen – einem kleinen, rückschrittlichen Land, das nur geringe internationale Unterstützung erhält, steht ein großes, fortschrittliches Land gegenüber, das breite internationale Unterstützung genießt – ist seinerseits dafür bestimmend, daß Japan in China nicht unbegrenzt sein Unwesen treiben kann und unweigerlich die endgültige Niederlage erleiden wird, während China niemals unterjocht werden und mit Sicherheit den Endsieg erringen wird.
18. Warum aber wurde Abessinien unterjocht? Erstens war es nicht nur ein schwaches, sondern auch ein kleines Land. Zweitens war es nicht so fortschrittlich wie China. Es war ein alter Staat, der gerade erst von der Sklavenhalter- zur Leibeigenschaftsordnung überging; dort gab es weder einen Kapitalismus noch bürgerliche politische Parteien, geschweige denn eine kommunistische Partei. Ebensowenig gab es dort eine solche Armee wie in China und schon gar nicht eine solche Armee wie unsere Achte Route-Armee. Drittens war es nicht in der Lage, die internationale Hilfe abzuwarten, und mußte den Krieg isoliert führen. Viertens – und das ist das Wichtigste – hat im Krieg gegen die italienischen Eindringlinge die Führung Fehler gemacht. Die Folge von all dem wat, daß Abessinien
unterjocht wurde. Aber in Abessinien ist noch ein ziemlich umfangreicher Partisanenkrieg im Gange, und wenn dieser Krieg hartnäckig weitergeführt wird, können die Abessinier mit Hilfe dieses Partisanenkriegs im Verlauf künftiger Änderungen der internationalen Lage die Unabhängigkeit ihrer Heimat wiedergewinnen.
19. Wenn jedoch die Anhänger der Theorie von der unvermeidlichen Unterjochung Chinas die Niederlagen der chinesischen Befreiungsbewegung während der letzten hundert Jahre als Beispiele benutzen, um zu beweisen, daß „wir zugrunde gehen werden, falls wir Widerstand leisten“ und daß „die Fortsetzung des Krieges eine unvermeidliche Unterjochung bedeutet“, dann können wir darauf mit einem einzigen Satz antworten: Die Zeiten sind verschieden. Sowohl China selbst als auch die Lage in Japan und die internationale Lage sind heute nicht mehr so, wie sie früher waren. Gewiß ist Japan stärker geworden, während China nach wie vor ein halbkoloniales und halbfeudales Land und weiterhin sehr schwach geblieben ist. Das ist ein seht ernster Umstand. Es ist auch eine Tatsache, daß es Japan vorläufig noch möglich ist, das Volk unter Kontrolle zu halten und die internationalen Widersprüche zur Aggression in China auszunutzen. Aber im Verlauf eines langen Krieges werden unvermeidlich Änderungen in entgegengesetzter Richtung eintreten. Gegenwärtig sind sie noch keine vollendeten Tatsachen, werden es aber in der Zukunft unvermeidlich sein. Eben dies haben die Anhänger der Theorie von der unvermeidlichen Unterjochung Chinas außer acht gelassen. Nun, und in China? In China gibt es heute nicht nur neue Menschen, eine neue politische Partei, eine neue Armee und eine neue Politik des Widerstands gegen die japanischen Eindringlinge – in all dem unterscheidet sich die Lage stark von der Situation vor mehr als zehn Jahren -, sondern das alles wird sich unvermeidlich auch weiterentwickeln. Obwohl die Befreiungsbewegung in der Geschichte Chinas immer wieder Rückschläge erlitten hat, so daß es China nicht möglich gewesen ist, noch beträchtlichere Kräfte zum Einsatz im heutigen Widerstandskrieg anzusammeln – das ist eine sehr schmerzliche historische Lehre, und man soll künftig nie wieder zulassen, daß die Chinesen selbst irgendwelche revolutionären Kräfte zerstören -, wird es nichtsdestoweniger, wenn wir energische Anstrengungen unternehmen, auch auf der gegebenen Grundlage bestimmt möglich sein, allmählich vorwärtszukommen und die Widerstandskraft zu steigern. Die große antijapanische nationale Einheitsfront – das ist die Hauptrichtung dieser Anstrengungen. Was die internationale Unterstützung
anbelangt, so hat sich die gegenwärtige Weltlage – obwohl im gegebenen Moment eine unmittelbare Unterstützung in breitem Maßstab noch nicht zu spüren ist – bereits grundlegend gewandelt, und eine solche unmittelbare und breite Unterstützung reift heute immerhin schon heran. Für jeden der unzähligen Mißerfolge, welche die Befreiungsbewegung in China in den letzten hundert Jahren erfuhr, gibt es sowohl objektive als auch subjektive Gründe; aber keinesfalls kann man eine Analogie zu der gegenwärtigen Lage ziehen. Obwohl es auch heute viele schwierige Bedingungen gibt, die den Widerstandskrieg zu einem erbitterten Krieg machen – wie zum Beispiel der Umstand, daß der Feind stark und wir schwach sind, daß die Schwierigkeiten des Feindes erst beginnen, während unser Fortschritt noch bei weitem unzureichend ist usw. -, gibt es nichtsdestoweniger sehr viele günstige Bedingungen für den Sieg über den Feind. Wir brauchen nur unsere subjektiven Anstrengungen zu machen, und wir werden die Schwierigkeiten überwinden und den Sieg erringen können. In der Geschichte Chinas gab es noch keine Periode, die durch so günstige Bedingungen für uns charakterisiert wäre wie die gegenwärtige. Das ist der Grund dafür, daß der Widerstandskrieg keinesfalls mit einer Niederlage enden wird, wie sie unsere Befreiungsbewegung in der Vergangenheit immer wieder erlitten hat.

KOMPROMISS ODER WIDERSTAND? FÄULNIS ODER FORTSCHRITT?

20. Wir haben die Unhaltbarkeit der Theorie von der unvermeidlichen Unterjochung Chinas aufgezeigt. Doch es gibt viele Leute, die dieser Theorie nicht beipflichten, aber durchaus echte Patrioten sind, sich über die gegenwärtige Lage größte Sorgen machen und zwei Befürchtungen hegen: Einerseits fürchten sie einen Kompromiß mit Japan und andererseits zweifeln sie an der Möglichkeit des politischen Fortschritts in China. Diese beiden beunruhigenden Probleme werden in breiten Kreisen diskutiert, die jedoch keine Grundlage für ihre Lösung finden. Nun wollen wir zur Untersuchung dieser beiden Probleme übergehen.
21. Es wurde bereits gesagt, daß das Kompromißlertum seine sozialen Wurzeln hat, und solange diese bestehen, wird die Frage des Kompromisses immer wieder auftauchen. Aber die Versuche zum
Kompromiß werden nicht gelingen. Um die Beweisgründe zu finden, braucht man sich wiederum nur Japan und China sowie die internationale Lage vor Augen zu führen. Wenden wir uns erstens Japan zu. Schon zu Beginn des Widerstandskriegs nahmen wir an, es werde der Moment eintreten, da die einen Kompromiß fördernden Stimmungen zunehmen würden, d. h., der Feind werde nach der Besetzung Nordchinas sowie der Provinzen Kiangsi und Tschekiang versuchen, China zur Kapitulation zu bewegen. Später wurde ein solcher Versuch tatsächlich unternommen; die Krise war jedoch bald vorbei – unter anderem, weil der Feind begonnen hatte, überall eine barbarische Politik durchzuführen und sich mit offenen Räubereien und Plünderungen zu befassen. Im Falle einer Kapitulation Chinas würde allen Chinesen das Dasein von Kolonialsklaven bereitet werden. Diese auf die Unterjochung Chinas gerichtete räuberische Politik des Feindes hat zwei Seiten – eine materielle und eine geistige – und betrifft alle Chinesen ohne Ausnahme, sowohl die unteren Schichten der Bevölkerung als auch die Oberschicht der Gesellschaft, obwohl sie dieser gegenüber natürlich in etwas delikaterer Form durchgeführt wird. Ein Unterschied besteht hier jedoch nur im Grad, nicht aber im Prinzip. Im allgemeinen hat der Feind jene alten Methoden, die er in den Drei Nordöstlichen Provinzen anwandte, auf die Gebiete Chinas südlich der Großen Mauer übertragen. In materieller Hinsicht beraubt der Feind das einfache Volk seiner Kleidung und Nahrung, so daß die breiten Volksmassen an Hunger und Kälte leiden; er raubt auch Produktionsinstrumente, ruiniert und versklavt auf diese Weise die nationale Industrie Chinas. In geistiger Hinsicht zerstört er das Nationalbewußtsein des chinesischen Volkes. Unter der „Flagge der Sonne“ kann kein Chinese dem Verhängnis entgehen, ein gehorsamer Untertan, ein Arbeitsvieh zu sein, dem es verboten ist, auch nur die leiseste Spur von chinesischem Nationalgefühl zu zeigen. Diese barbarische Politik wird der Feind noch tiefer ins Land hineintragen. Er hat einen unersättlichen Appetit und will den Krieg nicht einstellen. Die vom japanischen Kabinett in seiner Erklärung vom 16. Januar 1938 [8] verkündete Politik wird bisher entschlossen durchgeführt, ja sie muß unbedingt durchgeführt werden, und das hat die Empörung aller Bevölkerungsschichten Chinas ausgelöst. All das ist die Folge des reaktionären und barbarischen Charakters des Krieges, den der Gegner führt. Man sagt, „man kann dem Unglück schlecht ausweichen“, und so entsteht eine unversöhnliche Feindschaft gegen die japanischen Eindringlinge. Man kann damit rechnen, daß der Feind bei Gelegenheit erneut versuchen wird, China zur Kapitulation zu überreden, und daß einige Anhänger der Theorie von der unvermeidlichen Unterjochung Chinas wieder an die Oberfläche kommen und sich höchstwahrscheinlich mit gewissen Elementen des Auslands verständigen werden (und solche Elemente sind in England, in den USA und in Frankreich zu finden, insbesondere in der Oberschicht Englands), um mit ihnen gemeinsame Sache zu machen. Aber die allgemeine Tendenz der Entwicklung wird eine Kapitulation keinesfalls zulassen. Eine der Ursachen hierfür ist die Hartnäckigkeit und die außerordentliche Barbarei, womit Japan diesen Krieg führt.
22. Wenden wir uns zweitens China zu. In China gibt es drei Faktoren, die gewährleisten; daß es im Widerstandskrieg ausharrt. Der erste ist die Kommunistische Partei, jene zuverlässige Kraft, die das Volk zum Widerstand gegen Japan führt: Der zweite Faktor ist die Kuomintang. Da sie von England und den USA abhängig ist, kapituliert sie nicht, solange England und die USA ihr dazu keine Weisung geben. Der dritte Faktor sind die übrigen Parteien und Gruppen, von denen die meisten gegen einen Kompromiß und für den Widerstandskrieg sind. Falls diese drei Kräfte sich zusammenschließen, wird jeder, der einen Kompromiß mit dem Feind will, als auf der Seite der Landesverräter stehend betrachtet und von allen verurteilt. Denjenigen, die nicht Verräter sein wollen, bleibt keine andere Wahl, als sich zusammenzuschließen und den Widerstandskrieg hartnäckig zu Ende zu führen; und so wird ein Kompromiß praktisch kaum zustande kommen können.
23. Wenden wir uns drittens der internationalen Lage zu. Abgesehen von den Verbündeten Japans und einigen Elementen in den Oberschichten anderer kapitalistischer Länder ist die ganze Welt nicht für einen Kompromiß Chinas, sondern für seinen antijapanischen Widerstand. Dieser Umstand stärkt die Hoffnungen Chinas. Heute hofft unser ganzes Volk, daß die internationalen Kräfte ihre Hilfe für China allmählich verstärken werden. Diese Hoffnung ist nicht vergeblich. Vor allem ist es die Existenz der Sowjetunion, die China zu seinem Widerstandskrieg ermutigt. Die sozialistische Sowjetunion mit ihrer beispiellos starken Macht hat stets mit China Wohl und Wehe geteilt. In vollem Gegensatz zu den Oberschichten aller kapitalistischen Staaten, denen es allein um ihren Profit geht, hält es die Sowjetunion für ihre Pflicht, allen schwachen Nationen Hilfe zu leisten, alle revolutionären Kriege zu unterstützen. Daß China seinen Krieg nicht in einer Isolierung führt, gründet sich nicht nur auf die
internationale Hilfe schlechthin, sondern vor allem auf die Unterstützung durch die Sowjetunion. Die Tatsache, daß China und die Sowjetunion geographisch benachbart sind, verschärft die kritische Lage Japans und begünstigt Chinas Widerstandskrieg. Die geographische Nähe Chinas und Japans erhöht die Schwierigkeiten, auf die China in diesem Krieg stößt. Die geographische Nähe Chinas und der Sowjetunion dagegen stellt eine günstige Bedingung für Chinas Widerstandskrieg dar.
24. Aus dem Gesagten läßt sich schließen, daß die Gefahr eines Kompromisses besteht, aber überwunden werden kann. Denn selbst wenn sich die Politik des Feindes bis zu einem gewissen Grade ändern sollte, kann sie sich doch nicht grundlegend wandeln. Obwohl in China das Kompromißlertum seine sozialen Wurzeln hat, bilden die Gegner des Kompromißlertums die überwiegende Mehrheit. Unter den internationalen Kräften gibt es zwar ebenfalls einige Elemente, die einen Kompromiß begünstigen, aber die Hauptkräfte unterstützen den Widerstandskrieg Chinas. Diese drei Faktoren zusammen bieten durchaus die Möglichkeit, die Gefahr eines Kompromisses zu überwinden und den Widerstandskrieg unerschütterlich bis zu Ende zu führen.
25. Jetzt gehe ich zur Antwort auf die zweite Frage über. Der innenpolitische Fortschritt und die hartnäckige Führung des Widerstandskriegs sind voneinander nicht zu trennen. Je größer der politische Fortschritt ist, um so mehr sind wir imstande, den Krieg hartnäckig zu führen; und umgekehrt, je hartnäckiger der Krieg geführt wird, desto größer wird der politische Fortschritt sein. Aber hauptsächlich hängt alles von der hartnäckigen Führung des Widerstandskriegs ab. Unter dem Kuomintang-Regime gibt es auf verschiedenen Gebieten bedrückend viele ungesunde Erscheinungen; und die Anhäufung solcher unerwünschten Faktoren in der Vergangenheit bereitet in den breiten Kreisen der Patrioten viel Kummer und Verdruß. Trotzdem besteht kein Grund zum Pessimismus, denn unsere im Widerstandskrieg gewonnenen Erfahrungen haben bereits erwiesen, daß das chinesische Volk in den letzten zehn Monaten einen gewaltigen Fortschritt gemacht hat, wozu es in der Vergangenheit viele Jahre benötigt hätte. Obwohl die Fäulniserscheinungen, die sich in der Vergangenheit angehäuft haben, das Tempo des Wachstums der Widerstandskräfte des Volkes sehr stark verzögern, unsere militärischen Erfolge verringern und Verluste im Kriege verursachen, gestattet es die allgemeine Lage In China, in Japan wie auch in der ganzen Welt
dem chinesischen Volk nicht, auf der Stelle zu treten. Da es solche Faktoren wie die Fäulniserscheinungen gibt, die den Fortschritt behindern, geht dieser langsam vor sich. Der Fortschritt und sein langsames Tempo sind zwei Besonderheiten der gegenwärtigen Lage. Die zweite dieser Besonderheiten entspricht ganz offenbar nicht den dringenden Erfordernissen des Krieges, und das ist es, was unseren Patrioten Sorgen bereitet. Wir befinden uns jedoch mitten in einem revolutionären Krieg, und ein revolutionärer Krieg ist ein Gegengift, das nicht nur das Gift des Feindes vernichtet, sondern auch unsere eigenen Schlacken hinwegsäubert. Jeder gerechte revolutionäre Krieg besitzt eine gewaltige Macht und kann viele Dinge umgestalten oder den Weg für ihre Umgestaltung bahnen. Der Krieg zwischen China und Japan wird beide Länder, China wie Japan, umgestalten; vorausgesetzt, daß China im Widerstandskrieg ausharrt und an der Einheitsfront festhält, wird gewiß das alte Japan in ein neues Japan, das alte China in ein neues China verwandelt werden, und die Menschen und Dinge in beiden Ländern werden im Verlauf des Krieges und nach Kriegsende eine Umgestaltung erfahren. Wir handeln richtig, wenn wir den Widerstandskrieg und den Aufbau des Landes im Zusammenhang betrachten. Wenn wir sagen, Japan werde ebenfalls umgestaltet, dann meinen wir, daß der aggressive Krieg, den die Machthaber Japans führen, mit einer Niederlage enden wird und in Japan eine Volksrevolution auslösen kann. Der Tag des Sieges der Revolution des japanischen Volkes wird zum Tag der Umgestaltung Japans werden, und das ist eng mit dem Widerstandskrieg Chinas verbunden. Eine solche Perspektive soll man im Auge behalten.

DIE THEORIE VON DER UNVERMEIDLICHEN UNTERJOCHUNG CHINAS IST FALSCH, ABER EBENSO FALSCH IST AUCH DIE THEORIE VOM RASCHEN SIEG

26. Somit haben wir die grundlegenden und untereinander gegensätzlichen Besonderheiten, die den Feind bzw. uns kennzeichnen – Stärke oder Schwäche, großes oder kleines Territorium, fortschrittlicher oder reaktionärer Charakter, breite oder geringe internationale Unterstützung -, einer vergleichenden Analyse unterzogen; wir haben die Theorie von der unvermeidlichen Unterjochung Chinas widerlegt; wir haben die Fragen beantwortet, warum ein Kompromiß nicht ohne weiteres zustande kommen kann und weshalb der politische Fortschritt möglich ist. Die Anhänger der Theorie von der unvermeidlichen Unterjochung Chinas haben den Widerspruch zwischen der Stärke des Feindes und unserer Schwäche überschätzt. Sie haben ihn übertrieben, bedienen sich seiner als Argument zur Lösung der Gesamtfrage und übersehen die anderen Widersprüche. Darin, daß sie nur das Verhältnis zwischen der Stärke des Feindes und unserer Schwäche vor Augen haben, offenbart sich ihre Einseitigkeit; darin, daß sie diese eine Seite der Frage aufbauschen und sie als das Ganze betrachten, offenbart sich ihr Subjektivismus. Untersucht man die Frage in ihrer Gesamtheit, erweist sich, daß ihre Theorie unhaltbar und falsch ist. Jenen aber, die weder der Theorie von der unvermeidlichen Unterjochung Chinas beipflichten, noch ewige Pessimisten sind, sondern sich nur zeitweilig pessimistischen Stimmungen hingeben, da sie durch den Unterschied zwischen der Stärke des Feindes und unserer Schwäche zu einem bestimmten Zeitpunkt und in einer gewissen Teilsituation oder durch die Fäulniserscheinungen innerhalb des Landes in Verwirrung geraten sind – solchen Leuten müssen wir zeigen, daß auch ihren Ansichten Einseitigkeit und Subjektivismus zugrunde liegen. Aber diese Leute lassen sich leichter korrigieren: Es genügt, sie auf ihre Fehler hinzuweisen, und sie werden das schon begreifen, da sie Patrioten sind und ihre Fehler zeitweiligen Charakter haben.
27. Aber die Anhänger der Theorie vom raschen Sieg haben ebenfalls unrecht. Entweder vergessen sie völlig den Widerspruch zwischen der Stärke des Feindes und unserer Schwäche und wenden ihre Aufmerksamkeit nur den übrigen Widersprüchen zu; oder sie bauschen die Vorzüge Chinas so weit auf, daß diese jede Ähnlichkeit mit der Wirklichkeit verlieren und kaum mehr wiederzuerkennen sind; oder sie halten das zu einem bestimmten Zeitpunkt und an einem bestimmten Ort herrschende Kräfteverhältnis für das Kräfteverhältnis der Gesamtsituation – sie sehen, wie es in einem Sprichwort heißt, hinter einem Blättchen vor dem Auge den Tai-Berg nicht – und glauben, im Recht zu sein. Kurz gesagt, ihnen fehlt der Mut zuzugeben, daß der Feind stark ist, wir aber schwach sind. Sie verwischen oft diese Tatsache und vertuschen damit eine Seite der Wahrheit. Ebensowenig finden sie den Mut, den beschränkten Charakter unserer Vorzüge zuzugeben, und vertuschen damit noch eine andere Seite der Wahrheit. Daraus entspringen ihre großen und kleinen Fehler; schuld
daran sind wiederum der Subjektivismus und die Einseitigkeit. Diese Freunde sind wohlmeinend, sind ebenfalls Patrioten. Aber wenn auch „die Pläne der Herren großartig sind“, so sind ihre Ansichten doch falsch, und wollte man nach ihren Rezepten handeln, würde man sich sicherlich den Kopf einrennen. Denn wenn die Einschätzung einer Lage der Wirklichkeit nicht entspricht, können die daraus folgenden Aktionen ihr Ziel nicht erreichen. Wollte man sich aber trotzdem darauf versteifen, dann würde man die Niederlage der Armee und den Untergang des Vaterlands herbeiführen, also das gleiche Resultat erzielen wie die Defätisten. Daher ist auch die Theorie vom raschen Sieg untauglich.
28. Bestreiten wir die Gefahr einer nationalen Unterjochung? Nein, wir bestreiten sie nicht. Wir erkennen an, daß China vor zwei möglichen Perspektiven steht – Befreiung oder Unterjochung – und daß zwischen beiden ein heftiger Kampf im Gange ist. Wir haben die Aufgabe, die Befreiung herbeizuführen und die Unterjochung zu verhindern. Die Bedingungen für die Befreiung sind der politische Fortschritt in China – er ist die grundlegende Bedingung – und die Schwierigkeiten des Feindes sowie die internationale Hilfe, die uns zuteil wird. Im Gegensatz zu den Anhängern der Theorie von der unvermeidlichen Unterjochung Chinas erkennen wir, weil wir objektiv und allseitig an die Frage herangehen, die gleichzeitige Existenz zweier Möglichkeiten an: die Möglichkeit der Unterjochung Chinas und die der Befreiung, betonen aber, daß die Möglichkeit der Befreiung das Übergewicht hat, weisen darauf hin, unter welchen Bedingungen sie zu erreichen ist, und setzen alles daran, diese Bedingungen zu erkämpfen. Die Anhänger der Theorie von der unvermeidlichen Unterjochung Chinas dagegen erkennen, weil sie subjektiv und einseitig an die Frage herangehen, nur eine Möglichkeit an, und zwar die der Unterjochung Chinas, und bestreiten die Möglichkeit der Befreiung. Sie können noch weniger die für die Befreiung notwendigen Bedingungen aufzeigen und werden keine Anstrengungen machen, diese Bedingungen zu erkämpfen. Wir geben zwar auch zu, daß Kompromißtendenzen und Fäulniserscheinungen vorhanden sind, sehen jedoch auch andere Tendenzen und andere Erscheinungen, die, wie wir feststellen, nach und nach die Oberhand gewinnen werden und schon jetzt in erbittertem Kampf mit den ersten begriffen sind; ferner zeigen wir die Bedingungen für den Sieg dieser letzteren Tendenzen und Erscheinungen auf und setzen alles daran, die Kompromißtendenzen zu überwinden und die Fäulniserscheinungen auszumer
zen. Daher sind wir nicht pessimistisch, und die Pessimisten stehen zu uns im Gegensatz.
29. Es ist nicht etwa so, daß wir uns nicht einen raschen Sieg wünschen; wer von uns wäre nicht dafür, daß die japanischen „Teufel“ über Nacht vertrieben würden? Aber wir müssen darauf hinweisen, daß ein rascher Sieg, wenn die dafür notwendigen Bedingungen nicht gegeben sind, nur in unseren Köpfen, nicht aber in der Wirklichkeit existieren kann, daß er nichts ist als eine Illusion, eine Scheintheorie. Deshalb verweisen wir, indem wir die ganze Lage sowohl bei uns als auch beim Feind objektiv und allseitig einschätzen, auf die Strategie des langwierigen Krieges als den einzigen Weg zur Erringung des endgültigen Sieges und lehnen die völlig unbegründete Theorie vom raschen Sieg ab. Wir sind dafür, daß alle Kräfte angespannt werden, um die für den endgültigen Sieg notwendigen Bedingungen zu erkämpfen. Je vollständiger und je eher diese Bedingungen erfüllt sind, desto größer werden die Garantien für unseren Sieg sein, desto eher wird er errungen werden. Wir glauben, daß man nur so die Dauer des Krieges verkürzen kann, und verwerfen die Theorie vom raschen Sieg, deren Anhänger durch leeres Geschwätz billige Erfolge haben wollen.

WARUM WIRD DER KRIEG LANGWIERIG SEIN?

30. Jetzt gehen wir dazu über, die Frage des langwierigen Krieges zu untersuchen. Zu einer richtigen Antwort auf die Frage: „Warum wird der Krieg langwierig sein?“ kann man nur gelangen, wenn man allen grundlegenden, untereinander gegensätzlichen Faktoren, die für China bzw. Japan bestimmend sind, Rechnung trägt. Würden wir beispielsweise lediglich behaupten, daß der Feind eine starke imperialistische Macht ist und wir ein schwaches, halbkoloniales und halbfeudales Land sind, dann drohte uns die Gefahr, auf die Theorie von der unvermeidlichen Unterjochung Chinas abzugleiten, denn allein daraus, daß ein Schwacher einem Starken gegenübersteht, ergibt sich durchaus nicht, weder theoretisch noch praktisch, daß der Krieg langwierig sein wird. Das ergibt sich ebensowenig allein daraus, daß das eine Land groß, das andere aber klein, das eine fortschrittlich und das andere reaktionär ist, daß das eine breite Unterstützung von außen genießt und das andere nur geringe Hilfe bekommt. Daß das Große das Kleine verschlingt, kommt ebensooft vor wie umgekehrt. Es kommt auch oft vor, daß ein fortschrittlicher Staat oder eine fortschrittliche Sache, wenn sie noch schwach sind, von einem größeren, aber reaktionären Staat oder einer stärkeren, aber rückschrittlichen Sache überwältigt werden. Der Umfang der Hilfe, die kriegführende Länder von außen erhalten, bildet zwar einen wichtigen, aber doch untergeordneten Faktor, dessen Wirkung wiederum durch die grundlegenden Faktoren bei den beiden kriegführenden Seiten bestimmt wird. Wenn wir daher sagen, daß der Widerstandskrieg gegen die japanischen Eindringlinge langwierig sein wird, so ist dies eine Schlußfolgerung, die sich aus der Wechselbeziehung sämtlicher auf beiden Seiten wirkender Faktoren ergibt. Darin, daß der Feind stark ist, wir aber schwach sind, liegt die Gefahr unserer Unterjochung. Daneben hat der Feind seine Mängel, wir aber unsere Vorzüge. Durch unsere Anstrengungen können die Vorzüge des Gegners abgeschwächt und seine Mängel vergrößert werden. Andererseits können wir eben durch unsere Anstrengungen unsere Vorzüge steigern und unsere Mängel überwinden. Ebendarum sind wir imstande, den endgültigen Sieg zu erringen und der Unterjochung zu entgehen, während der Feind eine endgültige Niederlage erleiden wird und den Zusammenbruch seines ganzen imperialistischen Systems nicht vermeiden kann.
31. Wenn der Feind nur einen einzigen Vorzug aufzuweisen hat und seine übrigen Faktoren sämtlich Mängel sind, wir aber nur einen schwachen Punkt haben und alle übrigen Faktoren unsere Stärken sind, so ergibt sich die Frage: Warum hat dieser Zustand nicht zu einem Kräfteausgleich geführt, sondern dazu, daß der Feind sich gegenwärtig in einer überlegenen Position befindet und wir uns in einer unterlegenen? Es ist völlig klar, daß man an die Frage keinesfalls so formal herangehen darf. Die Sache ist die, daß der Abstand zwischen der Stärke des Feindes und unserer Schwäche gegenwärtig noch zu groß ist. Die Mängel des Feindes haben bisher noch nicht so sehr zugenommen und können auch nicht auf einen Schlag so groß werden, daß seine Stärke aufgehoben wird, während unsere Vorzüge sich vorläufig noch nicht so weit entwickelt haben und sich auch nicht auf einen Schlag so weit entwickeln können, wie es notwendig wäre, um unsere Schwäche auszugleichen. Ebendarum kann es bisher noch keinen Kräfteausgleich geben, es besteht noch eine Ungleichheit der Kräfte.
32. Wenngleich durch unsere Bemühungen, im Widerstandskrieg auszuharren und an der Einheitsfront festzuhalten, in der Stärke und
Überlegenheit des Feindes sowie in unserer Schwäche und Unterlegenheit einige Veränderungen eingetreten sind, hat sich jedoch noch keine grundlegende Wandlung vollzogen. Deshalb wird der Feind in einem bestimmten Stadium des Krieges bis zu einem bestimmten Grad Siege erringen können, wir dagegen werden Niederlagen einstecken müssen. Aber sowohl die Siege des Feindes als auch unsere Niederlagen sind nur auf dieses bestimmte Stadium und diesen bestimmten Grad beschränkt und können sich nicht darüber hinaus zu einem vollständigen Sieg bzw. zu einer vollständigen Niederlage entwickeln. Wie erklärt sich das? Erstens dadurch, daß das Verhältnis zwischen der Stärke des Feindes und unserer Schwäche von Anfang an relativ und nicht absolut war; zweitens dadurch, daß unsere Bemühungen, im Widerstandskrieg auszuharren und an der Einheitsfront festzuhalten, diese Relativität noch weiter erhöht haben. Nehmen wir das ursprüngliche Kräfteverhältnis: Wenn auch der Feind stark war, verringerten andere für ihn ungünstige Faktoren seine Stärke, allerdings vorläufig noch nicht in dem Maße, wie es notwendig wäre, um seine Überlegenheit zunichte zu machen; wir waren damals zwar schwach, aber unsere Schwäche wurde durch andere für uns günstige Faktoren aufgewogen, allerdings vorläufig noch nicht so weit, wie es notwendig wäre, um unsere Unterlegenheit aufzuheben. So kommt es, daß der Feind relativ stark ist und wir relativ schwach sind, daß der Feind uns relativ überlegen ist und wir ihm relativ unterlegen sind. Stärke und Schwäche, Überlegenheit und Unterlegenheit der beiden Seiten waren von Anfang an nicht absolut; obendrein haben im Verlauf des Krieges unsere beharrlichen Bemühungen um den Widerstandskrieg und die Einheitsfront das ursprüngliche Verhältnis zwischen der Stärke des Feindes und unserer Schwäche, zwischen der Überlegenheit des Feindes und unserer Unterlegenheit weiterhin verändert, so daß sich sowohl die Siege des Feindes als auch unsere Niederlagen auf ein bestimmtes Stadium und einen bestimmten Grad beschränken und der Krieg langwierig sein wird.
33. Aber die Lage verändert sich weiter. Wenn wir es verstehen, eine richtige militärische und politische Taktik zu verfolgen, wenn wir keine prinzipiellen Fehler begehen und maximale Anstrengungen machen, so werden im Verlauf des Krieges alle für den Feind ungünstigen und alle für uns günstigen Faktoren mit der Dauer des Krieges stärker werden, wird sich das ursprüngliche Verhältnis zwischen der Stärke des Feindes und unserer Schwäche unweigerlich weiterhin ändern und das Verhältnis zwischen der Überlegenheit des Feindes und unserer
Unterlegenheit fortgesetzt wandeln. Wenn ein bestimmtes neues Stadium erreicht ist, wird ein großer Wandel im Verhältnis zwischen Stärke und Schwäche, zwischen Überlegenheit und Unterlegenheit eintreten, was dann zur Niederlage des Feindes und zu unserem Sieg führen wird.
34. Gegenwärtig kann es sich der Feind noch leisten, seine Stärke auszuspielen, denn unser Widerstandskrieg hat ihn noch nicht grundlegend geschwächt. Solche Faktoren wie der Mangel an Menschenreserven und an materiellen Hilfsquellen beim Feind können seine Offensive vorläufig noch nicht aufhalten; im Gegenteil, diese Reserven und Hilfsquellen geben ihm vorläufig noch die Möglichkeit, die Offensive bis zu einer bestimmten Grenze fortzusetzen. Der reaktionäre und barbarische Charakter des von Japan geführten Krieges, ein Faktor, der die Klassengegensätze in Japan selbst zu verschärfen und den Widerstand der chinesischen Nation zu verstärken vermag, hat ebenfalls noch nicht dazu geführt, daß die Offensive des Feindes im wesentlichen aufgehalten würde. Schließlich befindet sich auch der Faktor der internationalen Isolierung Japans erst im Stadium des Werdens und der Entwicklung, und Japan ist noch nicht in eine vollständige Isolierung geraten. In den Ländern, die uns ihre Hilfsbereitschaft bezeugt haben, beliefern viele Kapitalisten, die mit Munition und strategischen Rohstoffen handeln und lediglich auf Profit aus sind, Japan noch mit Kriegsmaterial in großen Mengen. [9] Ihre Regierungen [10] sind ebenfalls noch nicht bereit, gemeinsam mit der Sowjetunion wirksame Sanktionen gegen Japan anzuwenden. Alles das ist dafür bestimmend, daß unser Widerstandskrieg nicht von einem raschen Sieg gekrönt werden kann, sondern daß er langwierig sein wird. Was China anbelangt, so ist zwar auf militärischem, wirtschaftlichem, politischem und kulturellem Gebiet, wo sich seine Schwäche offenbart, im Laufe der zehn Monate des Widerstandskriegs ein gewisser Fortschritt zu verzeichnen, aber dieser Fortschritt hat noch lange nicht den Grad erreicht, der notwendig ist, um den Angriff des Feindes aufzuhalten und unsere Gegenoffensive vorzubereiten. Außerdem mußten wir in quantitativer Hinsicht sogar gewisse Verluste erleiden. Die für uns günstigen Faktoren spielen zwar bereits eine positive Rolle, doch sind, bis sie den Stand erreichen, der genügen würde, um den Angriff des Feindes zum Stehen zu bringen und unsere Gegenoffensive vorzubereiten, weitere gewaltige Anstrengungen notwendig. Heute sind weder die Beseitigung der Fäulniserscheinungen und die Beschleunigung des innenpolitischen Fortschritts noch die Überwindung
der Japan unterstützenden Kräfte und die Stärkung der antijapanischen Kräfte im Ausland vollendete Tatsachen. Alles das ist wiederum dafür bestimmend, daß unser Krieg nicht von einem raschen Sieg gekrönt werden, sondern nur langwierig sein kann.

DIE DREI ETAPPEN DES LANGWIERIGEN KRIEGES

35. Wenn der Krieg zwischen China und Japan langwierig sein und der Endsieg China gehören wird, kann man mit Recht annehmen, daß dieser langwierige Krieg in seiner konkreten Entwicklung drei Etappen durchlaufen wird. Die erste Etappe wird die Etappe des strategischen Angriffs des Gegners und unserer strategischen Verteidigung sein, die zweite die Etappe der strategischen Konsolidierung des Gegners und unserer Vorbereitung zur Gegenoffensive, die dritte die Etappe unserer strategischen Gegenoffensive und des strategischen Rückzugs des Gegners. Es ist unmöglich vorauszusagen, welche konkrete Lage sich in jeder dieser drei Etappen ergeben wird. Aber von den gegenwärtigen Bedingungen ausgehend, kann man dennoch auf einige Grundtendenzen in der Entwicklung des Krieges hinweisen. Die Entwicklung der objektiven Wirklichkeit wird ungemein ereignisreich sein und im Zickzack verlaufen, und keiner vermag dem Krieg zwischen China und Japan ein „Horoskop“ zu stellen; dennoch ist es aber für die strategische Führung notwendig, die Hauptkonturen der Entwicklungstendenzen des Krieges zu umreißen. Wenn auch diese Konturen den künftigen Tatsachen nicht voll und ganz entsprechen und von ihnen korrigiert werden sollten, ist es dennoch notwendig, solche Konturen zu skizzieren, um eine feste und zielbewußte strategische Führung in einem langwierigen Krieg zu sichern.
36. Die erste Etappe des Krieges ist gegenwärtig noch nicht abgeschlossen. Der Feind beabsichtigt, Kanton, Wuhan und Landschou zu erobern und diese drei Punkte miteinander zu verbinden. Um dieses Ziel zu erreichen, wird der Gegner mindestens fünfzig Divisionen rund anderthalb Millionen Soldaten – einsetzen, anderthalb bis zwei Jahre aufwenden und mehr als zehn Milliarden Yen ausgeben müssen. Indem der Gegner so tief in das Land eindringt, wird er auf außerordentlich große Schwierigkeiten stoßen und Konsequenzen heraufbeschwören, die er sich nicht einmal vorstellen kann. Was die Versuche des Gegners anbelangt, sich restlos der Kanton-Hankou-Eisenbahnlinie
und der Autostraße Sian-Landschou zu bemächtigen, so wird er sich dazu auf höchst gefahrvolle Kriegshandlungen einlassen müssen und sein Ziel wohl kaum ganz erreichen. Wir aber müssen beim Entwerfen unserer Kriegspläne von der Annahme ausgehen, daß der Gegner sowohl die erwähnten drei Punkte und sogar außerdem noch gewisse Gegenden besetzen als auch sie miteinander verbinden wird, und uns auf einen langwierigen Krieg vorbereiten, so daß wir imstande sein werden, mit dem Gegner fertig zu werden, wenn er dieses Vorhaben verwirklichen sollte. Die Formen der Kriegführung, die wir in dieser Etappe anwenden, sind vorwiegend der Bewegungskrieg, der durch den Partisanenkrieg und den Stellungskrieg unterstützt wird. Wenn auch durch subjektive Fehler der Kuomintang-Militärbehörde der Stellungskrieg in der ersten Phase dieser Etappe in den Vordergrund gerückt worden ist, wird er nichtsdestoweniger vom Standpunkt der gesamten Etappe nur eine Hilfsrolle spielen. In dieser Etappe hat sich in China bereits eine breite Einheitsfront gebildet, ist eine nie dagewesene Geschlossenheit erreicht worden. Der Gegner griff zu gemeinen und schamlosen Mitteln und wird weiter danach greifen, um China zur Kapitulation zu veranlassen und so ohne großen Kraftaufwand seine Pläne einer raschen Entscheidung in die Tat umzusetzen und ganz China zu bezwingen. Das ist ihm aber in der Vergangenheit nicht gelungen und wird ihm wohl auch in der Zukunft kaum gelingen. In dieser Etappe hat China zwar beträchtliche Verluste erlitten, aber daneben auch einen bedeutenden Fortschritt erzielt, der als Hauptgrundlage für die Fortsetzung des Widerstandskriegs in seiner zweiten Etappe dienen wird. In der ersten Etappe leistete die Sowjetunion unserem Land bereits eine große Hilfe. Was den Gegner betrifft, so begann sein Kampfgeist bereits zu sinken; der Angriffsschwung des feindlichen Heeres hat in der mittleren Phase dieser Etappe im Vergleich zur Anfangsphase bereits nachgelassen und wird in der Schlußphase noch weiter abnehmen. In den Finanzen und in der Wirtschaft Japans zeigen sich Symptome einer Erschöpfung; seine Bevölkerung und seine Soldaten beginnen kriegsmüde zu werden; innerhalb der diesen Krieg dirigierenden Clique sind Anzeichen von „Kriegsüberdruß“ bereits bemerkbar und wächst der Pessimismus hinsichtlich der Perspektiven des Krieges.
37. Die zweite Etappe kann als die Etappe des strategischen Gleichgewichts bezeichnet werden. Am Ende der ersten Etappe wird der Feind aus Mangel an Streitkräften und infolge unseres zähen Widerstands gezwungen sein, gewisse Endpunkte für seinen strategischen
Angriff festzulegen. Sobald diese Punkte erreicht sind, wird er seinen strategischen Angriff einstellen und zu der Etappe übergehen, in der er das von ihm eroberte Territorium sichert. In dieser Etappe wird der Gegner versuchen, das eroberte Territorium zu behaupten und mit Hilfe solcher Täuschungsmittel wie der Bildung von Marionettenregimen dieses Territorium zu seinem Eigentum zu machen und das chinesische Volk bis aufs Hemd auszuplündern. Aber hier wird er auf einen hartnäckigen Partisanenkrieg stoßen. Unter Ausnutzung des Umstands, daß hinter den feindlichen Linien nicht genügend Truppen bleiben, wird sich der Partisanenkrieg bereits in der ersten Etappe überall entfalten, und zahlreiche Stützpunktgebiete werden geschaffen – dies alles wird den Gegner bei der Sicherung des von ihm eroberten Territoriums ernstlich gefährden. Deshalb wird es auch in der zweiten Etappe nach wie vor zu ausgedehnten Kampfhandlungen kommen. In dieser Etappe wird die Form unserer Kriegführung hauptsächlich der Partisanenkrieg sein, der durch den Bewegungskrieg unterstützt wird. Bis zu diesem Zeitpunkt wird China eine große Anzahl von regulären Truppen erhalten können, aber es wird ihm schwerfallen, sofort zur strategischen Gegenoffensive überzugehen, weil einerseits der Gegner in den von ihm besetzten Großstädten und an den Hauptverbindungslinien eine strategische Defensivposition beziehen wird und andererseits China vorläufig noch nicht über hinreichende technische Voraussetzungen dafür verfügt. Abgesehen von den Truppenteilen, welche die Fronten zu verteidigen haben, wird unsere Armee in großen Massen hinter die feindlichen Linien hinüberwechseln und dort in verhältnismäßig aufgelockerten Einheiten operieren; auf die vom Gegner nicht besetzten Gebiete gestützt, werden unsere Truppen im Zusammenwirken mit den bewaffneten Abteilungen der Volksmassen einen breiten und erbitterten Partisanenkrieg gegen die vom Feind besetzten Gebiete führen, wobei sie den Gegner mit allen Kräften in Trab halten, um seine Kräfte im Bewegungskrieg zu vernichten, wie das alles jetzt in der Provinz Schansi geschieht. Der Krieg wird in dieser Etappe sehr hart sein, viele Gebiete werden schwere Zerstörungen erfahren. Doch der Partisanenkrieg wird erfolgreich verlaufen; und wenn er gut geführt wird, kann dem Gegner nur etwa ein Drittel des von ihm besetzten Territoriums verbleiben, während wir die anderen zwei Drittel nach wie vor in den Händen halten werden, und das wird eine große Niederlage für den Gegner und einen großen Sieg für China bedeuten. Zu dieser Zeit wird sich das ganze vom Gegner eroberte Territorium in drei Arten von Gebieten teilen: erstens Stützpunktgebiete des Gegners, zweitens Stützpunktgebiete des Partisanenkriegs und drittens Partisanengebiete, um deren Besitz von beiden Seiten gekämpft wird. Die Dauer dieser Etappe wird davon abhängen, inwieweit sich das Kräfteverhältnis zwischen uns und dem Gegner verschiebt und die internationale Lage sich ändert. Im allgemeinen müssen wir darauf gefaßt sein, daß die zweite Etappe relativ lang sein wird, und müssen bereit sein, diese schwierige Wegstrecke zurückzulegen. Es wird für China eine Periode schwerer Leiden sein, in der wir vor zwei sehr ernsten Problemen stehen, nämlich vor ökonomischen Schwierigkeiten und vor der Wühltätigkeit der Landesverräter. Der Gegner wird eine wütende Aktivität zur Zersetzung der Einheitsfront in China entfalten, und alle Organisationen der Landesverräter auf dem vom Gegner besetzten Territorium werden sich zu einer sogenannten „Einheitsregierung“ zusammentun. Im Zusammenhang mit dem Verlust der Großstädte und den Kriegsschwierigkeiten werden die schwankenden Elemente in unseren Reihen beginnen, ihre Kompromißideen aktiv zu propagieren, und die pessimistischen Stimmungen werden sich beträchtlich verstärken. Zu dieser Zeit wird unsere Aufgabe darin bestehen, die Volksmassen des ganzen Landes so zu mobilisieren, daß sie wie ein Mann zusammenstehen und den Krieg mit beispielloser Hartnäckigkeit führen, die Einheitsfront zu erweitern und zu festigen, jeglichen Pessimismus und jegliches Kompromißlertum zu überwinden, das Land zu einem harten Kampf aufzurufen und eine neue Politik der Kriegszeit durchzuführen, um diesen schwierigen Weg zurücklegen zu können. In der zweiten Etappe müssen wir das ganze Land aufrufen, entschlossen eine einheitliche Regierung aufrechtzuerhalten, müssen wir gegen eine Spaltung kämpfen, unsere Kampftechnik planmäßig steigern, die Armee umgestalten, das ganze Volk mobilisieren und uns auf die Gegenoffensive vorbereiten. In dieser Etappe wird die internationale Lage für Japan noch ungünstiger sein, und die bedeutenden internationalen Kräfte werden dazu neigen, China noch mehr Hilfe zu erweisen, wenn auch möglicherweise das Gerede vom „Realismus“ Chamberlainscher Prägung auftauchen wird, dem zufolge man den „vollendeten Tatsachen“ Rechnung tragen müsse, wie es so schön heißt. Die Bedrohung Südostasiens und Sibiriens durch Japan wird sich verstärken, und es kann sogar ein neuer Krieg ausbrechen. Was den Gegner anbelangt, so werden einige Dutzend seiner Divisionen, die in China gleichsam in einen Morast geraten sind, außerstande sein, von hier loszukommen. Der breit entfaltete Partisanenkrieg und die antijapanische Volksbewegung werden diese riesige japanische Armee zermürben. Einerseits werden sie ihr große Verluste zufügen und andererseits sie moralisch zersetzen, indem sie in ihr immer mehr Heimweh, Kriegsmüdigkeit und sogar Antikriegsstimmungen erzeugen. Obwohl man nicht sagen kann, Japan werde mit seiner Ausplünderung Chinas absolut nichts erreichen können, so wird es jedoch den Japanern nicht gelingen, rasche und große Erfolge zu erzielen, da Japan nicht genügend Kapital besitzt und mit unserem Partisanenkrieg schwer zu schaffen hat. Diese zweite Etappe wird im gesamten Krieg eine Übergangsetappe bilden und dabei die schwierigste Etappe sein, aber sie wird zugleich den Wendepunkt darstellen. Die Frage, ob China zu einem unabhängigen Staat oder zu einer Kolonie werden wird, wird nicht durch den Verlust der Großstädte in der ersten Etappe entschieden, sondern durch das Ausmaß der Anstrengungen der ganzen Nation in der zweiten Etappe. Wenn wir im Widerstandskrieg ausharren, an der Einheitsfront festhalten und hartnäckig einen langwierigen Krieg führen können, dann wird China in der zweiten Etappe die Kräfte erlangt haben, um seine Schwäche in Stärke umzuwandeln. In dem dreiaktigen Drama des Widerstandskriegs Chinas wird das der zweite Akt sein. Und durch die Anstrengungen des gesamten Schauspielerkollektivs wird es dann möglich sein, den glänzenden Schlußakt wunderbar zu spielen.
38. Die dritte Etappe wird die Etappe der Gegenoffensive sein; in der wir die verlorenen Gebiete zurückerobern werden. Wenn China die verlorenen Gebiete wiedergewinnen wird, so wird das hauptsächlich seinen eigenen Kräften zu verdanken sein, die in der vorangegangenen Etappe ausgebildet wurden und in der dritten Etappe weiterhin wachsen werden. Aber die eigenen Kräfte Chinas werden allein nicht ausreichen; wir werden uns auch noch auf die Hilfe der internationalen Kräfte und auf die inneren Veränderungen im Land des Feindes stützen müssen, sonst werden wir nicht siegen können. Daher werden der internationalen propagandistischen und diplomatischen Tätigkeit Chinas noch größere Aufgaben gestellt. In dieser Etappe wird unser Krieg nicht mehr in einer strategischen Verteidigung bestehen, sondern sich in eine strategische Gegenoffensive verwandeln, die sich in strategischen Angriffen manifestieren wird; der Krieg wird schon nicht mehr auf den strategisch inneren Linien verlaufen, sondern allmählich auf die strategisch äußeren Linien übergehen. Er wird erst beendet sein, wenn wir uns bis zum Yalu-Fluß durchgekämpft haben. Die dritte Etappe ist die Schlußetappe des langwierigen Krieges. Wenn wir sagen „den Krieg hartnäckig bis zum Ende führen“, so heißt das,
daß wir die ganze Wegstrecke dieser Etappe zurücklegen müssen. Die Hauptform unserer Kriegführung in der dritten Etappe wird wiederum der Bewegungskrieg sein, wobei aber der Stellungskrieg an Bedeutung zunehmen wird. Wenn in der ersten Etappe der gegebenen Bedingungen wegen die Verteidigung von Stellungen aus nicht als wesentlich betrachtet werden kann, so wird in der dritten Etappe infolge der veränderten Bedingungen und Aufgaben der Angriff auf die Stellungen des Gegners eine sehr wichtige Rolle spielen. Der Partisanenkrieg wird zum Unterschied von der zweiten Etappe, wo er die Hauptform der Kriegführung sein wird, in dieser Etappe wiederum eine Rolle beim strategischen Zusammenwirken spielen, indem er den Bewegungs- und Stellungskrieg unterstützt.
39. Es ist also offenkundig, daß der Krieg lange dauern und folglich auch hart sein wird. Der Feind wird nicht imstande sein, ganz China zu verschlingen, aber er kann viele Gebiete Chinas ziemlich lange besetzt halten. China kann auch nicht die Japaner rasch vertreiben, aber der größte Teil des Territoriums wird nach wie vor in seinen Händen verbleiben. Letzten Endes wird der Feind eine Niederlage erleiden, und wir werden siegen, aber bis zu diesem Ziel werden wir einen schweren Weg zurückzulegen haben.
40. In diesem langdauernden und harten Krieg wird das chinesische Volk bestens gestählt werden. Die verschiedenen politischen Parteien, die am Krieg teilnehmen, werden ebenfalls einer Stählung und Prüfung unterworfen sein. Die Einheitsfront muß aufrechterhalten werden; nur wenn man an der Einheitsfront festhält, kann man den Krieg hartnäckig führen; und nur wenn man an der Einheitsfront festhält und den Krieg hartnäckig führt, ist der Endsieg zu erkämpfen. Unter diesen Voraussetzungen werden wir alle Schwierigkeiten überwinden können. Nachdem die schwierige Wegstrecke des Krieges zurückgelegt worden ist, werden wir die breite Straße erreichen, die zum Sieg führt. Das ist die natürliche Logik des Krieges.
41. Die Veränderungen im Kräfteverhältnis zwischen uns und dem Gegner werden in diesen drei Etappen folgendermaßen vor sich gehen. In der ersten Etappe ist der Gegner uns überlegen. Es ist damit zu rechnen, daß hinsichtlich unserer Unterlegenheit in der Zeit vom Ausbruch des Widerstandskriegs bis zum Ende der ersten Etappe zwei unterschiedliche Arten von Veränderungen eintreten können. Die erste Art wären Veränderungen, die abwärts führen. Die anfängliche Unterlegenheit Chinas wird sich durch die im Verlauf der ersten Etappe erlittenen Verluste noch verschärfen, nämlich durch die
Verkleinerung des Territoriums, der Bevölkerungszahl, des wirtschaftlichen Potentials, der militärischen Kräfte und der kulturellen Einrichtungen. Es ist nicht ausgeschlossen, daß diese Verluste gegen Ende der ersten Etappe bedeutende Ausmaße erreichen werden, besonders auf dem Gebiet der Wirtschaft. Das wird von gewissen Leuten als ein Argument für die Theorie von der unvermeidlichen Unterjochung Chinas und für das Kompromißlertum ausgenutzt werden. Man darf jedoch die Veränderungen der zweiten Art nicht vergessen, nämlich jene Veränderungen, die aufwärts führen. Das wären die im Krieg gewonnenen Erfahrungen, die Fortschritte der Armee, der politische Fortschritt, die Mobilisierung des Volkes, die Entwicklung der Kultur in einer neuen Richtung, das Aufflammen des Partisanenkriegs, das Anwachsen der internationalen Hilfe usw. Das, was während der ersten Etappe abwärts führt, sind Verluste alter Quantität und Qualität, wobei sich diese Verluste hauptsächlich quantitativ äußern. Das aber, was aufwärts führt, sind Dinge neuer Quantität und Qualität, wobei sich diese Errungenschaften hauptsächlich qualitativ äußern. Die zweite Art der Veränderungen bietet uns eine Grundlage, auf der wir einen langwierigen Krieg führen und den Endsieg erringen können.
42. Zweierlei Veränderungen werden in der ersten Etappe auch auf der Seite des Gegners vor sich gehen. Die Veränderungen der ersten Art, nämlich Veränderungen, die abwärts führen, kommen im Verlust von Hunderttausenden an Toten und Verwundeten, im Verbrauch von Waffen und Munition, im Sinken der Moral der Truppen, im Wachstum der Unzufriedenheit der japanischen Bevölkerung, im Rückgang des Handels, in der Verausgabung von mehr als zehn Milliarden Yen, in der Verurteilung Japans durch die internationale öffentliche Meinung usw. zum Ausdruck. Die Veränderungen dieser Art geben uns ebenfalls eine Grundlage, auf der wir einen langwierigen Krieg führen und den Endsieg erringen können. Aber man muß auch Veränderungen der zweiten Art beim Feind in Rechnung stellen, Veränderungen, die aufwärts führen: Erweiterung des Territoriums, Zuwachs der Bevölkerung und Vermehrung der natürlichen Hilfsquellen. Das ist ein weiteres Argument dafür, daß unser Widerstandskrieg langwierig sein wird und nicht mit einem raschen Sieg enden kann; eben das wird von gewissen Leuten als ein Argument für die Theorie von der unvermeidlichen Unterjochung Chinas und für das Kompromißlertum ausgenutzt werden. Wir müssen aber berücksichtigen, daß die Veränderungen zum Besseren beim Feind vorüberge
henden und partiellen Charakter tragen. Unser Feind ist eine zum Untergang verurteilte imperialistische Macht, und die Besetzung chinesischen Bodens durch ihn ist vorübergehend. Die stürmische Entwicklung des Partisanenkriegs in China wird die besetzten Gebiete faktisch auf einen kleinen Landstreifen beschränken. Außerdem bringt die Besetzung chinesischen Bodens durch den Gegner neue Widersprüche zwischen Japan und anderen Mächten hervor und verschärft alte Widersprüche. Ferner wird Japan, wie die Erfahrungen in den Drei Nordöstlichen Provinzen zeigen, relativ lange Zeit im wesentlichen nur Mittel aufwenden, ohne Einnahmen zu erzielen. Das alles liefert wiederum Argumente, mit denen wir die Theorie von der unvermeidlichen Unterjochung Chinas und die Theorie von der Notwendigkeit eines Kompromisses zerschlagen und unsere Theorien vom langwierigen Krieg und von unserem Endsieg stützen.
43. In der zweiten Etappe werden die erwähnten Veränderungen der beiden Seiten weitergehen. Obwohl die Einzelheiten der Situation nicht vorauszusehen sind, wird sich im allgemeinen die Lage Japans weiter verschlechtern und die Chinas weiter verbessern. [11] So wird beispielsweise der Partisanenkrieg in China die militärischen und finanziellen Reserven Japans in gewaltigen Mengen verschlingen; die Unzufriedenheit der japanischen Bevölkerung wird noch weiter anwachsen, die Moral seiner Truppen wird weiter sinken, und die internationale Isolierung Japans wird sich weiter verstärken. China dagegen wird auf politischem, militärischem und kulturellem Gebiet sowie bei der Mobilisierung der Volksmassen noch weitere Fortschritte machen; der Partisanenkrieg wird sich noch breiter entfalten, die Wirtschaft wird auf der Basis der Kleinindustrie und der weitausgedehnten Landwirtschaft im Landesinnern ebenfalls eine gewisse Weiterentwicklung erfahren; die internationale Hilfe wird nach und nach anwachsen und wird im wesentlichen anders aussehen als heute. Die zweite Etappe wird wahrscheinlich sehr lange dauern. Im Laufe dieser Zeit werden im Kräfteverhältnis zwischen uns und dem Gegner gewaltige Veränderungen zu unseren Gunsten vor sich gehen: China wird allmählich aufsteigen, während Japan allmählich absteigen wird. China wird sich aus seiner Unterlegenheit befreien; Japan dagegen seine Überlegenheit einbüßen. Zunächst wird ein Kräfteausgleich eintreten, dann aber werden China und Japan, was ihre Überlegenheit bzw. Unterlegenheit anbelangt, den Platz wechseln. Dann wird China die Vorbereitungen für die strategische Gegenoffensive im wesentlichen abgeschlossen haben und in die Etappe der Gegenoffensive und
der Vertreibung des Gegners eintreten. Es muß noch einmal darauf hingewiesen werden, daß das, was wir die Verwandlung von Unterlegenheit in Überlegenheit und den Abschluß der Vorbereitungen für die Gegenoffensive genannt haben, ein Anwachsen der eigenen Kräfte Chinas, ein Anwachsen der Schwierigkeiten Japans und ein Anwachsen der internationalen Hilfe für China in sich einschließt. Durch das Zusammenwirken dieser Faktoren wird die Überlegenheit Chinas zustande kommen, wird seine Vorbereitung zur Gegenoffensive abgeschlossen sein.
44. Da die politische und wirtschaftliche Entwicklung Chinas ungleichmäßig ist, wird die strategische Gegenoffensive im Anfangsstadium der dritten Etappe nicht einheitlich und gleichmäßig im ganzen Land verlaufen, sondern von Region zu Region verschieden sein, hier anschwellen, dort abflauen. Der Gegner wird in dieser Etappe nicht in den Versuchen nachlassen, die Einheitsfront Chinas mit allen möglichen Zersetzungsmitteln zu sprengen, daher wird die Aufgabe, die innere Geschlossenheit Chinas zu erhalten, noch größere Bedeutung erlangen; man darf auf keinen Fall zulassen, daß unsere strategische Gegenoffensive wegen innerer Uneinigkeit auf halbem Wege steckenbleibt. In diesem Zeitabschnitt wird sich die internationale Lage für China ungemein günstig gestalten. Und China wird dann seine Aufgabe darin sehen müssen, diese internationale Lage auszunutzen, um seine vollständige Befreiung zu erkämpfen und einen unabhängigen, demokratischen Staat aufzubauen, wodurch es der antifaschistischen Bewegung in der ganzen Welt Hilfe leisten wird.
45. China wird aus der Unterlegenheit zum Kräfteausgleich und dann zur Überlegenheit gelangen, Japan aber von der Überlegenheit zum Kräfteausgleich und schließlich zur Unterlegenheit; China wird von der Verteidigung zum Gleichgewicht und dann zur Gegenoffensive schreiten, Japan dagegen vom Angriff zur Sicherung der besetzten Gebiete und schließlich zum Rückzug – das wird der Verlauf des Krieges zwischen China und Japan, die unausbleibliche Tendenz, seiner Entwicklung sein.
46. So kommen wir zu nachstehenden Fragen und Schlußfolgerungen: Wird China unterjocht werden? Die Antwort lautet: Nein, es wird nicht unterjocht werden, der Endsieg wird ihm gehören. Wird China rasch siegen können? Die Antwort lautet: Nein, das kann es nicht, der Krieg wird langwierig sein. Sind diese Schlußfolgerungen richtig? Meiner Meinung nach sind sie richtig.
47. An diesem Punkt werden die Anhänger der Theorie von der unvermeidlichen Unterjochung Chinas und des Kompromißlertums wieder auf den Plan treten und erklären: Um von seiner Unterlegenheit zum Kräfteausgleich überzugehen, benötige China eine ebenso große militärische und wirtschaftliche Stärke wie die Japans, um aber vom Kräfteausgleich zur Überlegenheit überzugehen, brauche es eine militärische und wirtschaftliche Stärke, die der Japans überlegen ist; das aber sei doch unmöglich, und folglich seien die oben gezogenen Schlußfolgerungen nicht richtig.
48. Das ist die „Theorie von der Allmacht der Waffen“ [12], eine mechanistische Auffassung in der Frage des Krieges, eine Ansicht, die sich aus dem subjektivistischen und einseitigen Herangehen an Probleme ergibt. Wir vertreten eine direkt entgegengesetzte Ansicht und sehen nicht nur die Waffen, sondern auch die Menschen. Waffen sind im Krieg ein wichtiger Faktor, jedoch nicht der entscheidende; der entscheidende Faktor sind die Menschen, nicht die Dinge. Das Kräfteverhältnis ist nicht nur durch das Verhältnis der militärischen und wirtschaftlichen Kräfte gegeben, sondern auch durch das Verhältnis der Menschenreserven und der moralischen Kräfte der Menschen. Die militärischen und wirtschaftlichen Kräfte müssen von Menschen gehandhabt werden. Wenn die überwältigende Mehrheit der Chinesen, der Japaner und der Bevölkerung der anderen Länder der Welt auf der Seite des Widerstandskriegs gegen die japanische Aggression steht, wird man da die militärischen und wirtschaftlichen Kräfte, die eine kleine Minderheit von Menschen in Japan mit Gewalt in ihren Händen hält, noch als ein Zeichen von Überlegenheit ansehen können? Nein, das kann keine Überlegenheit sein. Und sollte dann die Überlegenheit etwa nicht auf Seiten Chinas sein, das hinsichtlich seiner militärischen und wirtschaftlichen Stärke verhältnismäßig unterlegen ist? Es besteht kein Zweifel daran, daß die militärische und wirtschaftliche Macht Chinas allmählich anwachsen wird, wenn es im Widerstandskrieg ausharrt und an der Einheitsfront festhält. Die militärische und wirtschaftliche Macht des Gegners wird dagegen infolge der Schwächung Japans durch den langen Krieg und seine inneren und äußeren Widersprüche unbedingt Veränderungen in umgekehrter Richtung erfahren. Sollte unter diesen Umständen die Überlegenheit etwa nicht auf Seiten Chinas sein? Aber auch das ist noch nicht alles. Gegenwärtig können wir die militärische und wirtschaftliche Stärke anderer Staaten nicht als eine umfangreiche und offene Verstärkung unserer Seite in Rechnung stellen, aber werden wir 
das in Zukunft etwa nicht tun können? Wenn nicht nur China allein der Gegner Japans sein wird, wenn künftig noch ein Staat oder mehrere Staaten einen bedeutenden Teil ihrer militärischen und wirtschaftlichen Macht offen einsetzen werden, um sich gegen Japan zu wehren oder es anzugreifen, und uns offen zu Hilfe kommen werden, wird da die Überlegenheit etwa nicht noch entschiedener auf unserer Seite sein? Japan ist ein kleines Land; der Krieg, den es führt, hat einen reaktionären und barbarischen Charakter; international wird es immer mehr isoliert. China ist ein großes Land; der Krieg, den es führt, ist fortschrittlich und gerecht; international wird China immer mehr unterstützt. Sollte sich da schließlich nach einer längeren Entwicklung aller dieser Faktoren das Verhältnis – Überlegenheit des Feindes und unsere Unterlegenheit – nicht entscheidend verändern?
49. Was die Anhänger der Theorie vom raschen Sieg anbelangt, so begreifen sie nicht, daß der Krieg ein Kräftemessen bedeutet und daß, solange nicht bestimmte Veränderungen im Kräfteverhältnis der kriegführenden Seiten eingetreten sind, kein Grund besteht, strategisch entscheidende Schlachten zu liefern und vorzeitig den Weg der Befreiung anzustreben. Wollten sie ihre Ideen in die Tat umsetzen, würden sie sich unweigerlich die Köpfe einrennen. Möglicherweise dreschen sie nur zu ihrem eigenen Vergnügen leere Phrasen und denken nicht daran, den Worten Taten folgen zu lassen. Zu guter Letzt wird ein solcher Lehrmeister auftreten wie die Tatsachen und diesen Schwätzern eine kalte Dusche verabreichen. Die Tatsachen werden beweisen, daß diese Leute nichts anderes als Schwätzer sind, die nach billigen Erfolgen trachten und mit möglichst wenig Anstrengung eine möglichst große Ernte einbringen wollen. Solches Geschwätz gab es in der Vergangenheit und gibt es auch heute, aber vorläufig noch nicht allzuviel. Wenn aber der Krieg in die Etappe des Gleichgewichts der Kräfte und dann in die Etappe der Gegenoffensive tritt, wird es möglicherweise viel mehr solches Geschwätz geben. Doch wenn die Verluste Chinas in der ersten Etappe relativ groß sind und wenn sich die zweite Etappe sehr lange hinzieht, werden daneben die Theorien von der unvermeidlichen Unterjochung Chinas und von der Notwendigkeit eines Kompromisses eine noch stärkere Verbreitung finden. Deshalb werden wir das Feuer hauptsächlich gegen die Theorie von der unvermeidlichen Unterjochung Chinas und gegen das Kompromißlertum richten müssen und erst in zweiter Linie gegen die hohle Theorie von einem raschen Sieg.
 50. Es steht schon fest, daß der Krieg langwierig sein wird. Aber keiner kann voraussagen, wieviel Jahre und Monate er dauern wird. Das wird voll und ganz davon abhängen, inwieweit sich unsere Kräfte und die des Feindes verändern. Wer die Dauer des Krieges abkürzen will, dem bleibt keine andere Wahl, als alle Anstrengungen zu machen, um unsere Kräfte zu verstärken und die Kräfte des Gegners zu verringern. Das kann man, konkret gesprochen, nur erreichen, wenn man alles daransetzt, um im Verlauf der Kriegshandlungen möglichst viele Siege zu erkämpfen und dadurch viele feindliche Truppen aufzureiben; um den Partisanenkrieg zu entfalten und dadurch das vom Feind besetzte Territorium auf minimale Ausmaße zu bringen; um die Einheitsfront zu festigen und zu erweitern und dadurch die Kräfte des ganzen Landes zusammenzuschließen; um frische Truppen aufzustellen und neue Rüstungsbetriebe zu errichten; um den politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Fortschritt zu beschleunigen; um alle Schichten der Bevölkerung – Arbeiter, Bauern, Kaufleute und Intellektuelle – zu mobilisieren; um die feindlichen Armeen zu zersetzen und ihre Soldaten für uns zu gewinnen; um die Propaganda im Ausland zwecks Erlangung internationaler Hilfe zu betreiben; um die Unterstützung des japanischen Volkes und aller unterdrückten Nationen zu erlangen. Nur auf diesem Wege kann man die Dauer des Krieges verkürzen. Hier werden keinerlei Winkelzüge helfen.

DER KRIEG DER GEGENSEITIGEN VERZAHNUNG

51. Wir können mit Sicherheit behaupten, daß unser langwieriger Widerstandskrieg gegen die japanische Aggression eine ruhmreiche und einzigartige Seite in der Kriegsgeschichte der Menschheit füllen wird. Eine der charakteristischen Besonderheiten dieses Krieges ist seine Form einer gegenseitigen Verzahnung. Sie ergibt sich aus den gegensätzlichen Faktoren, wie es die Barbarei Japans und sein Mangel an Streitkräften einerseits und die Fortschrittlichkeit Chinas und die Weite seines Territoriums andererseits sind. In der Geschichte hat es bereits Kriege einer gegenseitigen Verzahnung gegeben wie zum Beispiel der drei Jahre dauernde Bürgerkrieg in Rußland nach der Oktoberrevolution. Aber die Besonderheiten eines solchen Krieges in China sind seine außerordentlich lange Dauer und seine ungewöhnlich großen Ausmaße, wodurch alle in der Geschichte bekannten Rekorde
geschlagen werden. Diese Verzahnungsform wird durch folgende Tatsachen gekennzeichnet.
52. Die inneren und die äußeren Linien. Der Widerstandskrieg gegen die japanischen Eindringlinge als Ganzes wird auf den inneren Linien geführt; was aber die Beziehung zwischen der Hauptstreitmacht und den Partisaneneinheiten betrifft, so operiert die Hauptstreitmacht auf den inneren Linien, die Partisaneneinheiten dagegen auf den äußeren Linien, und dadurch entsteht ein eigenartiges Bild: der Gegner wird in die Zange genommen. Das gleiche gilt auch für die Beziehung zwischen den einzelnen Partisanengebieten. Jedes Partisanengebiet bildet einzeln genommen die inneren Linien, während die anderen Partisanengebiete, in bezug auf dieses Gebiet, die äußeren Linien darstellen, wodurch wiederum eine Vielzahl von Fronten entsteht, die den Gegner in die Zange nehmen. In der ersten Etappe des Krieges zieht sich die strategisch auf den inneren Linien operierende reguläre Armee zurück, während die strategisch auf den äußeren Linien operierenden Partisaneneinheiten weitausholend in die Gebiete hinter den feindlichen Linien vorrücken; in der zweiten Etappe werden sie noch stürmischer vorstoßen. Dadurch wird ein seltsames Zusammenspiel von Rückzug und Vorstoß entstehen.
53. Mit und ohne Hinterland. Die reguläre Armee, welche die Frontlinie bis zu den äußersten Grenzen der vom Feind besetzten Gebiete ausdehnt, stützt sich auf das Haupthinterland Chinas. Die Partisaneneinheiten, welche ihre Frontlinie bis tief ins feindliche Hinterland hinein ausdehnen, sind vom Haupthinterland getrennt. Aber in jedem Partisanengebiet gibt es dennoch auch ein eigenes kleines Hinterland, auf das sich die Partisaneneinheiten stützen und ihre bewegliche Frontlinie aufbauen können. Zum Unterschied davon fehlt den Partisaneneinheiten, die aus einem Partisanengebiet vorübergehend für Aktionen hinter den feindlichen Linien ausgeschickt werden, nicht nur ein Hinterland, sondern auch eine Frontlinie. „Operationen ohne Hinterland“ sind eine Besonderheit des revolutionären Krieges in der neuen Epoche in einem Land, das ein riesiges Territorium, ein fortschrittliches Volk, eine fortschrittliche politische Partei und eine fortschrittliche Armee hat. Bei solchen Operationen haben wir nichts zu befürchten, sondern viel zu gewinnen; wir sollen keine Zweifel hegen, sondern diese Operationen fördern.
54. Die Einkreisung und die Gegeneinkreisung. Betrachtet man den Krieg als Ganzes, so kann kein Zweifel daran bestehen, daß wir in strategischer Hinsicht vom Feind eingekreist sind, da er strategisch
in der Offensive ist und auf den äußeren Kampflinien operiert, während wir uns in der strategischen Defensive befinden und auf den inneren Kampflinien operieren. Dies ist die erste Form unserer Einkreisung durch den Feind. Da wir unter Einsatz unserer zahlenmäßig überlegenen Kräfte in operativer und taktischer Hinsicht eine Politik der Kampfhandlungen auf den äußeren Linien gegen den Feind anwenden, der in strategischer Hinsicht von den äußeren Linien her aus verschiedenen Richtungen gegen uns vorrückt, so können wir eine oder mehrere der einzelnen Kolonnen des Feindes in unsere Einkreisung bringen. Dies ist die erste Form der Gegeneinkreisung des Feindes durch uns. Wenn wir sodann die Stützpunktgebiete des Partisanenkriegs im Hinterland des Feindes betrachten, so ist jedes dieser isolierten Stützpunktgebiete entweder von allen vier Seiten, wie beispielsweise das Wutai-Gebirge, oder von drei Seiten, wie beispielsweise Nordwestschansi, durch den Feind eingekreist. Dies ist die zweite Form unserer Einkreisung durch den Feind. Wenn man jedoch die einzelnen Stützpunktgebiete der Partisanen im Zusammenhang miteinander oder mit den Kampffronten der regulären Truppen betrachtet, so sieht man, daß viele Teile des Feindes von uns eingekreist sind. So haben wir beispielsweise in der Provinz Schansi die Eisenbahnstrecke Datung-Pudschou von drei Seiten (vom Osten, vom Westen und vom Süden her) und die Stadt Taiyüan von allen Seiten eingekreist. In den Provinzen Hopeh und Schantung gibt es viele Beispiele für eine derartige Einkreisung. Dies ist die zweite Form der Gegeneinkreisung des Feindes durch uns. Somit entstehen je zwei Formen der Einkreisung durch den Feind und durch uns, die im großen und ganzen dem „Wetji“-Spiel gleichen; die Schlachten und Gefechte, die der Feind gegen uns und die wir gegen ihn führen, gleichen dem „Nehmen“ der Spielsteine, während die Stützpunkte des Feindes (wie z. B. die Stadt Taiyüan) und die Stützpunktgebiete der Partisanen (wie z. B. das Wutai-Gebirge) sich mit den „Fenstern“ auf dem Brett vergleichen lassen. Stellen wir uns das „Wetji“-Spiel im Weltmaßstab vor, so ergibt sich noch eine dritte Form der gegenseitigen Einkreisung – die Beziehung zwischen der Front der Aggression und der Front des Friedens. Mit Hilfe der ersten Front kreist der Gegner China, die Sowjetunion, Frankreich, die Tschechoslowakei und andere Staaten ein, während wir unsererseits mit Hilfe der zweiten Front die Gegeneinkreisung Deutschlands, Japans und Italiens verwirklichen. Aber die Einkreisung durch uns gleicht der Handfläche Buddhas: Sie wird zu fünf Bergketten werden, die sich über das Weltall erstrecken und die modernen Sun Wu-kungs – die faschistischen Aggressoren – schließlich so niederdrücken, daß sie sich nie wieder erheben können. [13] Wenn es uns gelingt, auf internationaler Ebene eine antijapanische Front im Pazifikraum zu bilden, bei der China als eine strategische Einheit auftritt, während die Sowjetunion und möglicherweise auch andere Staaten weitere strategische Einheiten und die Volksbewegung in Japan auch eine strategische Einheit darstellen, so daß ein großes Netz gebildet würde, aus dem die faschistischen Sun Wu-kungs niemals entschlüpfen könnten – dann wird dem Gegner die Stunde des Untergangs geschlagen haben. Und fürwahr, der Tag der endgültigen Zerschmetterung des japanischen Imperialismus wird zweifellos anbrechen, wenn dieses große Netz im wesentlichen gespannt sein wird. Das ist durchaus kein Scherz; das ist die folgerichtige Entwicklungstendenz des Krieges.
55. Große und kleine Gebiete. Es besteht die Möglichkeit, daß das vom Gegner besetzte Gebiet den größeren Teil des chinesischen Territoriums südlich der Großen Mauer und die übrigen, unberührten Gebiete nur den geringeren Teil davon bilden werden. Das ist eine Seite der Sache. Der Feind wird aber in dem von ihm eingenommenen größeren Teil Chinas überall – im Unterschied zu den Drei Nordöstlichen Provinzen – faktisch nur die Großstädte, die Hauptverbindungslinien und einige Gebiete des Flachlands besetzen können, also Objekte, die zwar von erstrangiger Bedeutung sind, aber ihrer Fläche und ihrer Bevölkerung nach möglicherweise nur den kleineren Teil des eroberten Territoriums ausmachen; Partisanengebiete dagegen, die sich überall ausbreiten, werden den größeren Teil bilden. Das ist eine andere Seite der Sache. Geht man aber über die Gebiete südlich der Großen Mauer hinaus und bezieht die Mongolei, Sinkiang, Tschinghai und Tibet ein, dann wird die Fläche der unbesetzten Gebiete den größeren Teil des chinesischen Territoriums darstellen, während die vom Gegner eroberten Gebiete nur den kleineren Teil ausmachen werden, auch wenn man die Drei Nordöstlichen Provinzen dazu rechnet. Das ist eine dritte Seite der Sache. Der vom Krieg unberührte Teil wird natürlich für uns von sehr großer Bedeutung sein, und wir müssen größte Anstrengungen machen, diese Gebiete zu entwickeln, und zwar nicht nur in politischer, militärischer und wirtschaftlicher Hinsicht, sondern, was ebenfalls wichtig ist, auch in kultureller Hinsicht` Der Gegner hat bereits unsere früheren Kulturzentren in kulturell rückständige Gebiete verwandelt, wir aber müssen die bislang kulturell rückständigen Gebiete in Kulturzentren verwan
deln. Zugleich ist die Arbeit in den ausgedehnten Partisanengebieten hinter den feindlichen Linien überaus wichtig, es gilt sie ebenfalls in jeder Hinsicht zu entwickeln, auch in kultureller Beziehung. Wir können zusammenfassend sagen, daß sich die großen Landgebiete Chinas in Regionen des Fortschritts und des Lichtes verwandeln werden, während die vom Gegner eroberten kleinen Gebiete und insbesondere die Großstädte vorübergehend zu Regionen der Rückständigkeit und der Finsternis werden.
56. Somit wird der lange und breit entfaltete Widerstandskrieg gegen die japanischen Eindringlinge ein Krieg der mannigfachen gegenseitigen Verzahnung sein – auf militärischem, politischem, wirtschaftlichem und kulturellem Gebiet. Dieser Krieg wird ein großartiges, Schauspiel in der Geschichte der Kriege bieten, er wird ein heroisches Werk der chinesischen Nation, eine ruhmreiche Heldentat sein, die die ganze Welt in Erstaunen versetzen wird. Dieser Krieg wird sich nicht nur auf China und Japan auswirken und dem Fortschritt dieser beiden Länder einen starken Anstoß geben, sondern er wird auch auf die ganze Welt einwirken und für alle Länder, in erster Linie für die unterdrückten Nationen wie Indien, als Ansporn zum Fortschritt dienen. An diesem Krieg der gegenseitigen Verzahnung sollen alle Chinesen bewußt teilnehmen: Die Formen dieses Krieges sind die eines Krieges, den die chinesische Nation für ihre Befreiung führt, sind die spezifischen Formen des Befreiungskriegs eines riesigen halbkolonialen Landes in den dreißiger und vierziger Jahren des 20. Jahrhunderts.

EIN KRIEG FÜR DEN EWIGEN FRIEDEN

57. Der langwierige Charakter des von China geführten Widerstandskriegs gegen die japanische Aggression ist nicht zu trennen von dem Kampf für die Erringung des ewigen Friedens in China und in der ganzen Welt. In der Geschichte gab es noch nie eine Periode, wo der Krieg uns dem ewigen Frieden so nahe gebracht hätte wie heute. Infolge der Entstehung der Klassen war das Leben der Menschheit mehrere Jahrtausende hindurch von Kriegen erfüllt. Wieviel Kriege hat jede Nation geführt! Zu Kriegen kam es sowohl innerhalb einer Nation als auch zwischen verschiedenen Nationen. Im imperialistischen Stadium der kapitalistischen Gesellschaft wurden die Kriege in besonderen Ausmaßen und mit besonderer Härte geführt. Der erste imperialistische Weltkrieg vor zwanzig Jahren war ein in der Geschichte beispielloser Krieg, aber noch nicht der letzte Krieg. Allein der Krieg, der jetzt begonnen hat, bringt uns dem letzten Krieg näher, das heißt dem Anbruch des ewigen Friedens für die ganze Menschheit. Gegenwärtig ist bereits ein Drittel der Menschheit in den Krieg hineingerissen. Seht: Italien und Japan, Abessinien, Spanien und dann auch China. In diesen Ländern, die sich bereits im Krieg befinden, leben rund 600 Millionen Menschen, also fast ein Drittel der gesamten Bevölkerung der ganzen Welt. Eine Besonderheit des gegenwärtigen Krieges besteht darin, daß er seinem Charakter nach kontinuierlich ist und uns dem ewigen Frieden näher bringt. Warum ist er kontinuierlich? Dem Krieg Italiens gegen Abessinien folgte der Krieg Italiens gegen Spanien, wobei auch Deutschland in diesen Krieg eintrat; dann folgte der Krieg Japans gegen China. Was wird nun kommen? Zweifellos wird Hitler einen Krieg gegen die Großmächte beginnen. „Faschismus ist Krieg“ [14] – das ist absolut wahr. Der gegenwärtige Krieg wird zu einem Weltkrieg anwachsen, und es wird keine Unterbrechung geben. Die Menschheit kann dem Unheil des Krieges nicht entgehen. Warum sagen wir dennoch, dieser Krieg bringe uns dem ewigen Frieden näher? Er entstand auf der Grundlage der Entwicklung der allgemeinen Krise des Weltkapitalismus, die im ersten Weltkrieg begonnen hat. Diese allgemeine Krise zwingt die kapitalistischen Länder, den Weg eines neuen Krieges zu beschreiten, und sie zwingt in erster Linie die faschistischen Länder, sich in neue Kriegsabenteuer einzulassen. Wir können das Ergebnis dieses Krieges voraussehen: der Kapitalismus wird keine Rettung finden, sondern seinem Zusammenbruch entgegengehen. Dieser Krieg wird größer und härter sein als der Krieg vor zwanzig Jahren; in ihn werden unvermeidlich alle Nationen hineingerissen werden; der Krieg wird von sehr langer Dauer sein; die Menschheit wird sehr große Leiden zu ertragen haben. Aber dank der Existenz der Sowjetunion und der wachsenden Bewußtheit der Völker der Welt werden aus diesem Krieg zweifellos große revolutionäre Kriege entstehen, die gegen alle konterrevolutionären Kriege gerichtet sein und so diesem Krieg den Charakter eines Kampfes für den ewigen Frieden verleihen werden. Selbst wenn später noch eine Periode von Kriegen kommen sollte, so wird dennoch der ewige Frieden in der Welt nicht mehr allzu fern sein. Sobald die Menschheit den Kapitalismus vernichtet hat, wird sie in die Epoche des ewigen Friedens eintreten, in der keine Kriege mehr nötig sein werden. Nicht mehr gebraucht werden dann die Armeen, die Kriegsschiffe, die Militärflugzeuge und das Giftgas. Dann wird die Menschheit für alle Zeiten keinen Krieg mehr zu sehen bekommen. Die bereits begonnenen revolutionären Kriege sind ein Teil dieses Krieges für den ewigen Frieden. Der Krieg zwischen China und Japan, die zusammen eine Bevölkerung von über 500 Millionen haben, wird in diesem Krieg- einen wichtigen Platz einnehmen, und die Befreiung der chinesischen Nation wird in diesem Krieg errungen werden. Das befreite neue China der Zukunft ist von der befreiten neuen Welt der Zukunft nicht zu trennen. Deshalb trägt unser Widerstandskrieg gegen die japanischen Eindringlinge den Charakter eines Krieges für den ewigen Frieden.
58. Die im Laufe der Geschichte geführten Kriege teilen sich in zwei Arten: in gerechte und ungerechte Kriege. Alle Kriege, die dem Fortschritt dienen, sind gerecht, und alle Kriege, die den Fortschritt behindern, sind ungerecht. Wir Kommunisten sind gegen alle den Fortschritt behindernden, ungerechten Kriege, jedoch nicht gegen fortschrittliche, gerechte Kriege. Was letztere betrifft, sind wir Kommunisten nicht nur nicht gegen sie, sondern nehmen auch aktiv an ihnen teil. Ein ungerechter Krieg war zum Beispiel der erste Weltkrieg. Er wurde von beiden Seiten für imperialistische Interessen geführt und deshalb von den Kommunisten der ganzen Welt entschlossen bekämpft. Man bekämpft einen solchen Krieg in der Weise, daß man, ehe er noch ausgebrochen ist, alles tut, um seinen Ausbruch zu verhindern; ist er aber bereits ausgebrochen, dann bekämpft man, wo immer dies nur möglich ist, den Krieg mit dem Krieg, setzt dem ungerechten Krieg einen gerechten entgegen. Der Krieg, den Japan führt, ist ein ungerechter Krieg, der den Fortschritt behindert. Die Völker der ganzen Welt, darunter auch das japanische Volk, müssen ihn bekämpfen und tun es bereits. Was China betrifft, so haben hier alle – von den Volksmassen bis zur Regierung, von der Kommunistischen Partei bis zur Kuomintang – das Banner der Gerechtigkeit erhoben und führen den revolutionären nationalen Krieg gegen die Aggression. Unser Krieg ist ein heiliger, gerechter und fortschrittlicher Krieg für den Frieden für den Frieden nicht nur in einem einzigen Land, sondern in der ganzen Welt, und nicht nur für eine kurze Frist, sondern für alle Zeiten. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen wir einen Kampf auf Leben und Tod führen, zu jedem Opfer bereit sein und bis zum Ende durchhalten, dürfen wir den Kampf nicht einstellen, bevor das Ziel erreicht ist. Wie groß die Opfer auch sein mögen und wie lange es
auch dauern mag – es zeichnet sich klar eine neue Welt ab, in der ewiger Frieden und ewiges Licht herrschen werden. Was uns im gegenwärtigen Krieg beseelt, ist eben die Zuversicht, daß wir ein solches neues China und eine solche neue Welt erkämpfen können, wo ewiger Friede und ewiges Licht herrschen werden. Der Faschismus und der Imperialismus wollen den Krieg verewigen. Wir dagegen wollen ihm in nicht allzu ferner Zukunft ein Ende bereiten. Um dieses Ziel zu verwirklichen, sind die größten Anstrengungen der großen Mehrheit der Menschheit notwendig. Die 45o Millionen Chinesen machen ein Viertel der Menschheit aus; wenn es uns gelingt, mit unseren einmütigen Anstrengungen den japanischen Imperialismus zu zerschlagen und ein freies, gleichberechtigtes neues China zu schaffen, so werden wir damit zweifellos einen überaus großen Beitrag zur Sache der Erringung des ewigen Friedens in der ganzen Welt leisten. Das ist keine leere Hoffnung. Der Verlauf der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklung in der ganzen Welt bringt uns diesem Ziel bereits näher; es bedarf nur der Anstrengungen der Mehrzahl der Menschen, und nach einigen Jahrzehnten wird das Ziel bestimmt erreicht sein.

DIE AKTIVITÄT IM KRIEG

59. Alles zuvor Gesagte dient lediglich zur Erläuterung, warum der Krieg langwierig sein und der Endsieg China gehören wird. Bisher war hauptsächlich immer davon die Rede, was ist und was nicht ist. Jetzt wollen wir zu der Frage übergehen, wie man handeln muß und wie man nicht handeln darf. Wie soll man den langwierigen Krieg führen und wie kann man den endgültigen Sieg erringen? Das sind die Fragen, die wir nachstehend beantworten wollen. Zu diesem Zweck wollen wir folgende Probleme nacheinander erörtern: die Aktivität im Krieg; Krieg und Politik; die politische Mobilisierung im Widerstandskrieg; das Ziel des Krieges; offensive Aktionen im Rahmen der Defensive, Kampfhandlungen mit rascher Entscheidung im Rahmen eines langwierigen Krieges und Aktionen auf den äußeren Kampflinien im Rahmen von Operationen auf den inneren Linien; Initiative, Flexibilität und Planmäßigkeit; Bewegungskrieg, Partisanenkrieg und Stellungskrieg; Vernichtungskrieg und Zermürbungskrieg; die Möglichkeit, Fehler des Gegners auszunutzen; die Frage der Entscheidungsschlachten im Widerstandskrieg gegen die japanische Aggression; Armee und Volk – die Grundlage des Sieges. Nun wollen wir mit der Frage der Aktivität beginnen.
60. Wenn wir sagen, daß wir uns gegen ein subjektivistisches Herangehen an die Fragen wenden, so meinen wir damit, daß wir Ideen verwerfen, die nicht auf objektiven Tatsachen beruhen und ihnen nicht entsprechen, sondern Fiktionen oder Scheintheorien darstellen; handelte man derartigen Ideen entsprechend, so würde man unweigerlich ein Fiasko erleiden. Deshalb muß man solche Ideen bekämpfen. Aber alle Taten werden von Menschen vollbracht; ohne Beteiligung von Menschen lassen sich weder der langwierige Krieg noch der Endsieg realisieren. Um etwas erfolgreich zustande zu bringen, muß es zunächst Menschen geben, die auf Grund der objektiven Tatsachen zu bestimmten Ideen, Leitsätzen und Ansichten gelangen, Pläne aufstellen, den Kurs und die konkrete Politik sowie Strategie und Taktik festlegen. Ideen usw. sind etwas Subjektives, Taten oder Handlungen dagegen sind Äußerungen des Subjektiven im Objektiven. Denken und ‚ Handeln machen die den Menschen eigene Aktivität aus. Diese I Aktivität bezeichnen wir als „bewußte Aktivität“, und sie ist ein Merkmal, das den Menschen von allen anderen Lebewesen unterscheidet. Alle auf den objektiven Tatsachen beruhenden und ihnen entsprechenden Ideen sind richtig, und alle auf richtigen Ideen beruhenden Taten oder Handlungen sind ebenfalls richtig. Eben solchen Ideen und Handlungen, einer solchen bewußten Aktivität müssen wir vollen Spielraum gewähren. Der Widerstandskrieg hat das Ziel, die Imperialisten zu vertreiben und das alte China in ein neues China zu verwandeln. Um dieses Ziel zu erreichen, ist es notwendig, das ganze chinesische Volk zu mobilisieren und seine bewußte Aktivität zum Widerstand gegen Japan voll zu entfalten. Wenn wir aber die Hände in den Schoß legen, ist uns nur die Unterjochung beschieden; dann werden wir weder einen langwierigen Krieg führen können, noch werden wir den Endsieg erleben.
61. Die bewußte Aktivität ist ein spezifischer Zug des Menschen. Dieser Zug tritt im Krieg stark hervor. Gewiß wird der Sieg oder die Niederlage durch eine ganze Reihe von Bedingungen bestimmt, die beiden kriegführenden Seiten eigen sind – durch militärische, politische, ökonomische, geographische Bedingungen sowie durch den Charakter des Krieges und durch die internationale Hilfe. Aber der Ausgang des Krieges wird nicht ausschließlich durch diese Bedingungen bestimmt. Diese Bedingungen bieten lediglich die Möglichkeit von Sieg oder Niederlage; sie allein entscheiden jedoch nicht darüber.
Um aber eine Entscheidung über Sieg oder Niederlage herbeizuführen, bedarf es noch subjektiver Anstrengungen, nämlich der Leitung des Krieges und der Führung des Krieges – mit anderen Worten der bewußten Aktivität im Krieg.
62. Jene, die Kriegsoperationen leiten, dürfen nicht im Streben nach dem Sieg die durch die objektiven Bedingungen gezogenen Grenzen überschreiten; innerhalb dieser Grenzen können und müssen sie jedoch aktiv den Sieg anstreben. Die Aktionsbühne des Truppenführers in einem Krieg muß sich auf das gründen, was die objektiven Bedingungen zulassen; doch auf einer solchen Bühne kann er dann viele klangreiche und farbenprächtige, viele majestätische und kraftvolle Stücke inszenieren. Auf der gegebenen objektiven materiellen Basis müssen die Truppenführer im Widerstandskrieg gegen die japanische Aggression alle ihre Fähigkeiten aufbieten und die ganze Armee mit sich führen, um die Feinde der Nation niederzuwerfen, unsere Gesellschaft und unser Land, die unter der Aggression und der Unterdrückung leiden, zu verändern und ein freies, gleichberechtigtes neues China zu schaffen. Hier ist der Platz, wo sich unsere subjektive Fähigkeit zur Führung entfalten kann und muß. Wir sind nicht dafür, daß irgendeiner unserer Kommandeure im Widerstandskrieg gegen Japan sich von den objektiven Bedingungen loslöst und zu einem um sich schlagenden Draufgänger wird; wir müssen vielmehr jeden Kommandeur dazu ermuntern, ein kühner Heerführer mit klarem Kopf zu werden. Ein solcher Heerführer muß nicht nur eine den Feind bezwingende Tapferkeit besitzen, sondern auch die Fähigkeit haben, bei allen Veränderungen und Neuentwicklungen während des ganzen Krieges Herr der Situation zu bleiben. Im Ozean des Krieges schwimmend, darf der Kommandeur nicht untergehen; er muß vielmehr mit abgemessenen Stößen sicher ans andere Ufer gelangen. Die Strategie und die Taktik als Gesetze der Kriegführung sind eben die Kunst, im Ozean des Krieges zu schwimmen.

KRIEG UND POLITIK

63. Mit dem Satz „Der Krieg ist eine Fortsetzung der Politik“ wird gesagt, daß der Krieg Politik ist, daß der Krieg selbst eine Aktion von politischem Charakter darstellt; seit alters hat es ‚keinen Krieg gegeben, der nicht politischen Charakter getragen hätte. Der Widerstandskrieg gegen die japanischen Eindringlinge ist ein revolutionärer Krieg, der von der ganzen Nation geführt wird. Der Sieg in diesem Krieg ist nicht zu trennen von seinem politischen Ziel – der Vertreibung der japanischen Imperialisten und der Schaffung eines freien, gleichberechtigten neuen China; er ist unmöglich ohne die Verwirklichung der Generallinie auf ein Ausharren im Widerstandskrieg und auf ein Festhalten an der Einheitsfront; er ist unmöglich ohne die Mobilisierung des gesamten Volkes; er ist unmöglich ohne die Verwirklichung solcher politischen Prinzipien wie die Einheit zwischen Offizieren und Soldaten sowie zwischen Armee und Volk, wie die Zersetzung der gegnerischen Armee usw.; er ist unmöglich ohne die richtige Durchführung der Politik der Einheitsfront; er ist unmöglich ohne eine Mobilisierung auf dem Gebiet der Kultur; er ist unmöglich ohne Anstrengungen zur Gewinnung einer internationalen Hilfe sowie der Unterstützung durch das Volk des feindlichen Landes. Mit einem Wort, der Krieg ist nicht eine Minute lang von der Politik zu trennen. Sollte bei den Militärs, die den Widerstandskrieg führen, eine Tendenz aufkommen, die darin besteht, die Politik zu unterschätzen, den Krieg von der Politik zu isolieren und den Krieg zu etwas Absolutem zu machen, so ist das falsch und muß berichtigt werden.
64. Doch der Krieg hat seine Besonderheiten, und das will sagen, daß er nicht mit der Politik schlechthin gleichgesetzt werden kann. „Der Krieg ist eine bloße Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln.“ [15] Wenn sich die Politik bis zu einer bestimmten Stufe entwickelt hat, wo sie nicht mehr auf die alte Weise fortgeführt werden kann, dann bricht der Krieg aus, mit dessen Hilfe die der Politik im Wege liegenden Hindernisse hinweggefegt werden. So war beispielsweise der halbselbständige Status Chinas ein Hindernis für die Entwicklung der Politik des japanischen Imperialismus; und so entfesselte Japan den aggressiven Krieg, um dieses Hindernis hinwegzufegen: Nun, und China? Das imperialistische Joch ist schon längst zu einem Hindernis für die bürgerlich-demokratische Revolution in China geworden, und deshalb kam es in China viele Male zu Befreiungskriegen, durch welche dieses Hindernis beseitigt werden sollte. Da jetzt Japan das Mittel des Krieges anwendet, um China zu unterdrücken und dem Vorwärtsschreiten der chinesischen Revolution den Weg ganz zu versperren, sind wir gezwungen, einen Widerstandskrieg gegen Japan zu führen und dieses Hindernis voller Entschlossenheit aus unserem Weg zu räumen. Sobald die Hindernisse aus dem Weg geschafft sind und das politische Ziel erreicht ist, geht der Krieg zu Ende. Sind aber die
Hindernisse nicht gänzlich beiseite geräumt, dann muß der Krieg fortgesetzt werden, bis das Ziel völlig erreicht ist. So muß z. B. jeder, der einen Kompromiß mit dem Feind zu schließen versucht, bevor die Aufgaben des Widerstandskriegs erfüllt sind, unweigerlich einen Fehlschlag erleiden; denn selbst wenn aus diesem oder jenem Grund ein Kompromiß zustande gekommen wäre, würde der Krieg dennoch erneut entbrennen, weil die breiten Volksmassen einen solchen Ausgang des Krieges bestimmt nicht akzeptieren und ihn unbedingt fortsetzen würden, bis das politische Ziel völlig erreicht ist. Man kann deshalb sagen: Die Politik ist Krieg ohne Blutvergießen, der Krieg ist Politik mit Blutvergießen.
65. Aus den Besonderheiten des Krieges ergibt sich ein ganzes System spezifischer Organisationen des Krieges, eine ganze Serie spezifischer Methoden der Kriegführung, ein spezifischer Prozeß des Krieges. Solche Organisationen sind die Armee und alles, was dazu gehört. Solche Methoden sind die Strategie und die Taktik, die der Führung militärischer Operationen dienen. Ein solcher Prozeß des Krieges ist jene spezifische Form der gesellschaftlichen Tätigkeit, bei der jede der beiden kämpfenden Armeen unter Anwendung einer für sie günstigen und für den Gegner ungünstigen Strategie und Taktik Angriffs- oder Verteidigungsaktionen unternimmt. Deshalb sind die Erfahrungen des Krieges spezifische Erfahrungen. Und alle Teilnehmer des Krieges müssen auf ihre gewöhnliche Lebensweise verzichten und sich auf den Krieg umstellen. Nur so kann man den Sieg erringen.

DIE POLITISCHE MOBILISIERUNG ZUM WIDERSTANDSKRIEG GEGEN DIE JAPANISCHE AGGRESSION

66. Ohne eine in die Breite und Tiefe gehende politische Mobilisierung kann ein so großer revolutionärer nationaler Krieg unmöglich mit dem Sieg enden. Vor dem Widerstandskrieg wurde keine politische Mobilisierung zum Kampf gegen die japanische Aggression durchgeführt, und das war eine große Nachlässigkeit Chinas, wodurch wir schon um einen Zug hinter dem Gegner zurückgeblieben sind. Aber auch nach dem Kriegsausbruch war die politische Mobilisierung keineswegs sehr weitgehend, geschweige denn durchgreifend. Die übergroße Mehrheit der Bevölkerung wird durch Kanonenschüsse und Fliegerbomben des Gegners von dem Krieg in Kenntnis gesetzt. Das ist auch eine Art Mobilisierung – allerdings eine, die der Gegner für uns durchführt und nicht wir selbst. Wer in entlegenen Gegenden wohnt und keinen Geschützdonner hört, lebt bis auf den heutigen Tag in sorgloser Ruhe. Dieser Umstand muß unbedingt geändert werden, sonst werden wir in diesem Krieg auf Leben und Tod den Sieg nicht erringen können. Wir dürfen in keinem Fall einen weiteren Zug an den Gegner verlieren; im Gegenteil, man muß den Zug der politischen Mobilisierung voll ausnutzen, um den Gegner zu besiegen. Dieser Zug ist entscheidend; er ist wirklich von erstrangiger Bedeutung, während es eine zweitrangige Sache ist, daß wir in der Bewaffnung und in anderer Hinsicht dem Gegner nachstehen. Werden die Volksmassen im ganzen Land mobilisiert, dann wird ein riesiges Meer entstehen, in dem der Gegner ertrinken wird, dann werden auch jene Bedingungen geschaffen sein, die unsere Lücken auf dem Gebiet der Bewaffnung usw. wettmachen, werden die Voraussetzungen gegeben sein, um alle Schwierigkeiten des Krieges zu überwinden. Will man siegen, so muß man im Widerstandskrieg ausharren, an der Einheitsfront festhalten, den langwierigen Krieg durchhalten. Doch ist das alles von der Mobilisierung der Volksmassen nicht zu trennen. Den Sieg wünschen und die politische Mobilisierung vernachlässigen hieße „gen Süden fahren, während der Wagen gen Norden gerichtet ist“; die Folge wäre, daß man unweigerlich den Sieg einbüßt.
67. Was ist aber die politische Mobilisierung? Vor allem muß man der Armee und dem Volk das politische Ziel des Krieges klarmachen. Es ist notwendig, jedem Soldaten und jedem Zivilisten begreiflich zu machen, wofür der Krieg geführt werden muß und inwieweit der Krieg ihn persönlich betrifft. Das politische Ziel des Widerstandskriegs ist „die Vertreibung der japanischen Imperialisten und der Aufbau eines freien, gleichberechtigten neuen China“. Nur wenn man dieses Ziel jedem Soldaten und jedem Zivilisten klargemacht hat, kann man eine Aufwallung zum Widerstandskampf gegen die japanischen Eindringlinge auslösen und Hunderte Millionen von Menschen zu einer Einheit zusammenschließen, damit sie alles dem Krieg zur Verfügung stellen. Ferner genügt es noch nicht, lediglich das Kriegsziel zu erläutern; man muß auch die Maßnahmen und die Politik zeigen, die zu diesem Ziel führen. Und das bedeutet, daß auch ein politisches Programm notwendig ist. Heute haben wir bereits das „Zehn-Punkte-Programm für den Widerstand gegen Japan zur Rettung des Vaterlands“ sowie das „Programm für den Widerstands
krieg und den Aufbau des Landes“. Man sollte diese Programme in der Armee und im Volk verbreiten, die gesamte Armee und das ganze Volk zu ihrer Verwirklichung mobilisieren. Ohne ein klares und konkretes politisches Programm kann man unmöglich die gesamte Armee und das gesamte Volk mobilisieren, um den Widerstandskrieg bis zum Ende zu führen. Dann wird gefragt, wie man die Mobilisierung durchführen solle. Das hat durch mündliche Ansprachen, durch Flugblätter und Plakate, durch Zeitungen, Broschüren und Bücher, durch Theater und Film, durch die Schule, durch Massenorganisationen und durch die Kader zu geschehen. Das wenige, was gegenwärtig in den unter der Herrschaft der Kuomintang stehenden Gebieten in dieser Hinsicht getan wird, ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein; außerdem entsprechen die Methoden der Durchführung nicht dem Geschmack der Volksmassen, und auch die Manier ist dem Volke fremd. Dies muß sich von Grund auf ändern. Und schließlich darf man sich nicht mit einer einmaligen Mobilisierung zufriedengeben. Die politische Mobilisierung für den Widerstandskrieg muß ständig betrieben werden. Gewiß sollen wir den Volksmassen nicht ein auswendig gelerntes politisches Programm endlos vorplappern – ein solches Geplapper wird sich keiner anhören wollen; wir müssen vielmehr die politische Mobilisierung mit der Entwicklung des Krieges, mit dem Leben der Soldaten und der Volksmassen verknüpfen und sie in eine ständige Bewegung verwandeln. Das ist eine ungemein wichtige Sache. Davon hängt in erster Linie der Sieg im Krieg ab.

DAS ZIEL DES KRIEGES

 68. Hier wird nicht vom politischen Ziel des Krieges die Rede sein, da wir vorher bereits über das politische Ziel des Widerstandskriegs gegen die japanische Aggression – „Vertreibung der japanischen Imperialisten und Aufbau eines freien, gleichberechtigten neuen China“ – gesprochen haben. In diesem Abschnitt werden wir auf das Grundziel des Krieges als Politik mit Blutvergießen und als gegenseitige Vernichtung zweier Armeen eingehen. Das Ziel des Krieges besteht in nichts anderem als in der „Selbsterhaltung und der Vernichtung des Feindes“ (den Feind vernichten heißt ihn entwaffnen oder ihn „seiner Widerstandskraft berauben“, nicht aber ihn bis auf den letzten Mann physisch vernichten). In alten Zeiten führte man Krieg mit Speer und Schild: Mit dem Speer griff man an, um den Gegner zu vernichten, mit dem Schild wehrte man ab, um sich selbst am Leben zu erhalten. Noch bis auf den heutigen Tag sind die Waffen eine Weiterführung von Speer und Schild. Bomber, Maschinengewehr, Ferngeschütz, Giftgas – all das stellt eine Weiterentwicklung des Speeres dar; Luftschutzunterstand, Stahlhelm, Betonbunker, Gasmaske – das alles ist eine Weiterentwicklung des Schildes. Der Panzer ist eine neuartige Waffe, die beides, Speer und Schild, miteinander kombiniert. Der Angriff ist das Hauptmittel zur Vernichtung des Gegners, aber auch die Verteidigung ist unentbehrlich. Der Angriff zielt direkt auf die Vernichtung des Gegners ab, dient aber zugleich auch der Selbsterhaltung; denn wenn man den Feind nicht vernichtet, wird man selbst vernichtet. Die Verteidigung gilt unmittelbar der Selbsterhaltung, doch ist sie gleichzeitig ein Hilfsmittel des Angriffs oder ein Mittel, den Übergang zum Angriff vorzubereiten. Der Rückzug gehört zur Kategorie der Verteidigung, ist ihre Fortsetzung; die Verfolgung hingegen ist eine Fortsetzung des Angriffs. Man muß darauf hinweisen, daß unter den Kriegszielen die Vernichtung des Feindes das Hauptsächliche ist und die Selbsterhaltung an zweiter Stelle kommt; denn nur wenn man den Feind in großer Zahl vernichtet hat, kann die Selbsterhaltung wirksam gewährleistet sein. Daher ist der Angriff als Hauptmittel zur Vernichtung des Feindes primär und die Verteidigung als Hilfsmittel für die Vernichtung des Feindes und als ein Mittel zur Selbsterhaltung sekundär. In der Praxis des Krieges wird zwar die meiste Zeit hindurch die Verteidigung als Hauptmittel angewandt, während in der restlichen Zeit der Angriff als Hauptmittel dient; betrachtet man aber den Krieg als Ganzes, dann ist dennoch der Angriff das Primäre.
69. Wie läßt es sich erklären, daß wir im Krieg zu heroischen Opfern aufrufen? Steht das nicht im Widerspruch zur „Selbsterhaltung“? Nein, das eine widerspricht nicht dem anderen; das sind Gegensätze, die einander bedingen. Der Krieg ist Politik mit Blutvergießen und fordert einen Preis, manchmal einen äußerst hohen. Ein teilweises und zeitweiliges Opfer (Sich-nicht-Erhalten) dient dazu, daß das Ganze für die Dauer erhalten wird. Wenn wir sagen, daß der Angriff als ein Mittel, das im wesentlichen zur Vernichtung des Gegners bestimmt ist, gleichzeitig die Funktion der Selbsterhaltung erfüllt, gehen wir eben hiervon aus. Das ist eben auch der Grund, warum die Verteidigung gleichzeitig vom Angriff begleitet werden muß und keine rein defensive Verteidigung sein darf.

70. Das Kriegsziel – die Selbsterhaltung und die Vernichtung des Feindes – macht das Wesen des Krieges aus und dient als Grundlage aller Kriegshandlungen, die alle, von den technischen bis zu den strategischen, von diesem Wesen durchdrungen sind. Das Kriegsziel bildet das Grundprinzip des Krieges, und alle technischen, taktischen, operativen und strategischen Grundsätze und Prinzipien sind davon absolut nicht zu trennen. Was bedeutet das Prinzip der Feuerführung „Deckung nehmen und das Feuer entfalten“? Das erstere gilt der Selbsterhaltung, und das letztere zielt auf die Vernichtung des Gegners ab. Das erstere bringt solche Verfahren hervor wie die Ausnutzung des Geländes und seiner Objekte, das sprungweise Vorgehen, die aufgelockerte Formation usw.; das letztere aber das Freimachen des Schußfeldes, Organisierung des Feuernetzes usw. In der Taktik werden Stoßtruppen, Bindungstruppen und Reserven verwendet. Die ersten sind zur Vernichtung der gegnerischen Kräfte, die zweiten zur Erhaltung der eigenen Kräfte bestimmt, während die dritten je nach den Umständen für den einen oder den anderen Zweck eingesetzt werden: entweder zur Unterstützung der Stoßtruppen sowie als Verfolgungstruppen, um den Feind zu vernichten, oder zur Unterstützung der Bindungstruppen sowie als Deckungstruppen, um die eigenen Kräfte zu erhalten. Also sind sowohl alle technischen, taktischen, operativen und strategischen Prinzipien als auch alle technischen, taktischen, operativen und strategischen Kampfhandlungen absolut nicht vom Kriegsziel zu trennen. Dieses beeinflußt den Krieg als Ganzes und durchdringt seinen gesamten Ablauf.
71. Truppenführer aller Ebenen dürfen im Widerstandskrieg bei der Leitung der Operationen weder die einander entgegengesetzt wirkenden grundlegenden Faktoren Chinas und Japans noch das Ziel des Krieges außer acht lassen. Die Entfaltung dieser Faktoren im Verlauf der Kriegshandlungen wird zum gegenseitigen Kampf um die Erhaltung der eigenen Kräfte und für die Vernichtung der gegnerischen Kräfte. In diesem Krieg bestehen unsere Aufgaben darin, mit allen Kräften in jeder Schlacht einen großen oder kleinen Sieg zu erringen, einen Teil der Kräfte des Gegners zu entwaffnen, einen Teil seiner Truppen und seines Materials zu vernichten. Wir müssen derartige Teilerfolge bei der Vernichtung des Gegners zu großen strategischen Siegen anhäufen, um so unser politisches Ziel zu erreichen: den Gegner endgültig aus dem Land zu vertreiben, das Vaterland zu schützen und ein neues China aufzubauen.

OFFENSIVE AKTIONEN IM RAHMEN DER DEFENSIVE, KAMPFHANDLUNGEN MIT RASCHER ENTSCHEIDUNG IM RAHMEN EINES LANGWIERIGEN KRIEGES UND AKTIONEN AUF DEN ÄUSSEREN KAMPFLINIEN IM RAHMEN VON OPERATIONEN AUF DEN INNEREN LINIEN

72. Untersuchen wir jetzt den konkreten strategischen Kurs im Widerstandskrieg gegen die japanischen Eindringlinge. Wir haben bereits gesagt, daß unser strategischer Kurs im Widerstandskrieg der Kurs auf einen langwierigen Krieg ist, und das ist völlig richtig. Aber das ist der allgemeine und nicht der konkrete Kurs. Wie ist konkret ein langwieriger Krieg zu führen? Das ist die Frage, die wir jetzt untersuchen wollen. Unsere Antwort lautet: In der ersten und in der zweiten Etappe, das heißt in den Etappen, da der Gegner angreift und dann das von ihm eroberte Territorium sichert, sind offensive Aktionen in operativer und taktischer Hinsicht im Rahmen der strategischen Defensive durchzuführen, Schlachten oder Gefechte mit rascher Entscheidung im Rahmen eines strategisch langwierigen Krieges auszutragen und ist operativ oder taktisch auf den äußeren Linien zu operieren, während man sich strategisch auf den inneren Linien befindet. In der dritten Etappe sollen wir dann zur strategischen Gegenoffensive übergehen.
73. Da Japan ein mächtiger imperialistischer Staat ist, wir aber ein schwaches halbkoloniales und halbfeudales Land sind, hat Japan den Kurs auf die strategische Offensive genommen, während wir uns in der strategischen Defensive befinden. Japan versucht, strategisch einen Krieg mit rascher Entscheidung zu führen, während wir bewußt den Kurs auf einen strategisch langwierigen Krieg nehmen müssen. Japan setzt einige Dutzend recht schlagkräftiger Divisionen seines Heeres (gegenwärtig bereits bis zu 30 Divisionen) und einen Teil seiner Kriegsflotte ein, um China zu Land und von der See einzukreisen und zu blockieren, während seine Luftstreitkräfte China bombardieren. Bisher hat sein Heer bereits eine ausgedehnte Front von Baotou bis Hangdschou besetzt, seine Kriegsflotte hat bereits die Provinzen Fukien und Kuangtung erreicht, so daß Japan in einem weiten Raum Operationen auf äußeren Linien durchführt. Wir aber führen Operationen auf den inneren Linien durch. Das alles ist das Ergebnis der
Besonderheit, daß der Gegner stark ist, wir aber schwach sind. Das ist die eine Seite der Lage.
74. Aber auf der anderen Seite ist die Lage genau umgekehrt. Obwohl Japan stark ist, mangelt es ihm an Streitkräften, während China, wenn es auch schwach ist, ein riesiges Territorium, eine zahlreiche Bevölkerung und eine große Armee besitzt. Daraus ergeben sich zwei wichtige Folgerungen. Erstens kann der Gegner, der mit seiner zahlenmäßig schwachen Armee in ein großes Land einrückt, nur einen gewissen Teil der Großstädte und der Hauptverbindungslinien sowie einige Gebiete des Flachlands besetzen. Folglich werden auf dem von den Japanern eroberten Territorium riesige Gebiete bleiben, die sie nicht zu besetzen vermögen, was dem chinesischen Partisanenkrieg ein weites Operationsfeld erschließt. Was ganz China betrifft, so kann sich der Gegner, selbst wenn es ihm gelingen sollte, die Linie Kanton-Wuhan-Landschou und die anliegenden Gebiete zu besetzen, doch schwerlich darüber hinaus noch weiterer Gebiete bemächtigen. Und dadurch bleiben China ein Haupthinterland und ein Hauptstützpunktgebiet zur Führung eines langwierigen Krieges und zur Erringung des Endsiegs. Zweitens wird der Feind, indem er seine geringen Streitkräfte unserer zahlenmäßig starken Armee entgegenstellt, unweigerlich von dieser eingekreist werden. Da der Gegner uns aus verschiedenen Richtungen angreift, befindet er sich strategisch auf den äußeren Linien, wir aber befinden uns strategisch auf den inneren Linien; der Gegner führt den strategischen Angriff, während wir uns in der strategischen Verteidigung befinden. Das mag für uns sehr ungünstig scheinen. Aber wir können zwei unserer Vorteile – die Ausdehnung des Territoriums und die große zahlenmäßige Stärke der Armee – ausnutzen und, statt in einem sturen Stellungskrieg zu verharren, einen flexiblen Bewegungskrieg führen, indem wir gegen eine Division des Gegners mehrere unserer Divisionen, gegen zehntausend seiner Soldaten mehrere Zehntausende unserer Soldaten, gegen eine Kolonne des Gegners mehrere unserer Kolonnen einsetzen und von den äußeren Linien des Schlachtfelds her eine der gegnerischen Kolonnen überraschend einkreisen und angreifen. Auf diese Weise wird der Gegner, der strategisch auf den äußeren Linien operiert und den Angriff führt, gezwungen sein, in operativer und taktischer Hinsicht auf den inneren Linien zu operieren und sich zu verteidigen. Unsere Truppen dagegen, die strategisch auf den inneren Linien operieren und sich verteidigen, werden in operativer und
taktischer Hinsicht auf den äußeren Linien operieren und angreifen. So verfährt man mit einer der gegnerischen Kolonnen, und so soll man auch den anderen Kolonnen des Gegners begegnen. Die erwähnten zwei Punkte ergeben sich aus der Besonderheit, daß das Land des Gegners klein, unseres aber groß ist. Da ferner die Armee des Gegners zwar gering an Zahl, aber dafür (hinsichtlich ihrer Bewaffnung und des Ausbildungsgrads ihrer Truppen) stark ist, während unsere Armee zwar der Zahl nach groß, aber (ebenfalls nur hinsichtlich der Bewaffnung und des Ausbildungsgrads der Truppen, nicht aber im Hinblick auf die Kampfmoral) schwach ist, müssen wir in Schlachten und Gefechten nicht nur eine zahlenmäßig stärkere Streitmacht gegen eine kleinere einsetzen und von den äußeren gegen die inneren Linien operieren, sondern auch Kurs auf Operationen mit rascher Entscheidung nehmen. Um eine rasche Entscheidung herbeizuführen, soll man den Gegner in der Regel nicht dann angreifen, wenn er haltgemacht ; hat, sondern nur dann, wenn er sich auf dem Marsch befindet. Wir i müssen im voraus seitlich der Straße, über die der Gegner offensichtlich vorrücken muß, starke Truppenkontingente getarnt konzentrieren und den Gegner, wenn er sich auf dem Marsch befindet, im überraschenden Vorstoß einkreisen und angreifen, um ihn gar nicht zur Besinnung kommen zu lassen und das Gefecht rasch zum Abschluß zu bringen. Wenn wir gut kämpfen, können wir den uns entgegenstehenden Gegner gänzlich oder zum größten Teil oder doch immerhin zum Teil vernichten. Und selbst wenn das Gefecht für uns nicht so günstig verläuft, werden dem Gegner dennoch große Verluste an Verwundeten und Toten beigebracht. So wird es in dem einen Gefecht sein, so muß es auch in allen übrigen Gefechten sein. Würde es uns auch nur einmal im Monat – wir wollen nicht unbescheiden sein – gelingen, einen relativ großen Sieg wie den bei Pinghsingguan oder bei Taiörldschuang zu erringen, so würde das die Moral des Gegners stark untergraben, den Kampfgeist unserer Armee heben und sympathisierenden Widerhall in der ganzen Welt auslösen. So verwandelt sich unser strategisch langwieriger Krieg auf dem Schlachtfeld in Operationen mit rascher Entscheidung, während der Krieg des , Gegners, der strategisch ein Krieg mit rascher Entscheidung sein soll, ‚ durch zahlreiche Niederlagen in Schlachten und Gefechten zwangsläufig zu einem langwierigen Krieg wird.
75. Der eben charakterisierte Operationskurs für Schlachten und Gefechte läßt sich in einem Wort zusammenfassen: „Offensive Operationen mit rascher Entscheidung auf den äußeren Linien“. Er 
steht zwar im Gegensatz zu unserem strategischen Kurs – „langwieriger Verteidigungskrieg auf den inneren Linien“, ist aber gerade zur Verwirklichung dieses strategischen Kurses notwendig. Würden wir uns in Schlachten und Gefechten ebenfalls auf „langwierige defensive Operationen auf den inneren Linien“ orientieren, wie das beispielsweise in der Anfangsperiode des Widerstandskriegs geschah, so würde das absolut nicht den beiden Umständen entsprechen, daß Japan ein kleines Land ist, China aber ein großes, daß der Gegner stark ist, wir aber schwach. Auf diese Weise würden wir unser strategisches Ziel nie erreichen, keinen langwierigen Krieg führen können, sondern vom Gegner zerschlagen werden. Deshalb haben wir immer empfohlen, eine entsprechende Anzahl großer Feldarmeen im ganzen Land zu bilden, wobei jede von ihnen zahlenmäßig die Feldarmee des Gegners um das Doppelte, Dreifache oder gar Vierfache übertreffen soll, und gemäß dem dargelegten Kurs mit diesen Feldarmeen auf riesigen Schauplätzen gegen den Gegner zu operieren. Dieser Kurs ist nicht nur für die reguläre Kriegführung geeignet, sondern er kann und muß auch im Partisanenkrieg angewendet werden. Er ist nicht nur auf irgendeine Etappe des Krieges anwendbar, sondern auf dessen Gesamtverlauf. In der Etappe der strategischen Gegenoffensive, in der unsere technischen Bedingungen besser sind und wir uns nicht länger in der Lage befinden, daß wir als Schwache gegen einen starken Gegner kämpfen, werden wir noch größere Möglichkeiten erhalten, massenweise Gefangene und Beute zu machen, wenn wir nach wie vor mit überlegenen Kräften von den äußeren Linien her offensive Operationen mit rascher Entscheidung durchführen. Stellen wir beispielsweise einer motorisierten Division des Gegners zwei, drei oder vier eigene motorisierte Divisionen entgegen, so werden wir diese Division um so sicherer vernichten können. Daß mehrere Athleten einen einzigen leicht überwältigen können, ist eine Binsenwahrheit.
76. Wenn wir auf den Schlachtfeldern mit aller Entschlossenheit Kurs auf „offensive Operationen mit rascher Entscheidung auf den äußeren Linien“ nehmen, dann werden wir damit nicht nur das Kräfteverhältnis auf den einzelnen Schlachtfeldern, sondern allmählich auch das allgemeine Kräfteverhältnis verändern. Da wir auf den Schlachtfeldern den Angriff führen, der Gegner aber sich verteidigen muß, da wir mit überlegenen Kräften auf den äußeren Linien operieren, der Gegner aber mit zahlenmäßig unterlegenen Kräften auf den inneren, da wir Operationen mit rascher Entscheidung durch
führen, der Gegner jedoch, obwohl er versucht, die Gefechte in Erwartung von Verstärkungen in die Länge zu ziehen, dazu bereits nicht mehr imstande ist, wird sich der Gegner aus einem starken in einen schwachen und seine Überlegenheit in eine Unterlegenheit verwandeln, während wir uns umgekehrt aus der schwachen Seite in die starke verwandeln und aus unserer Unterlegenheit eine Überlegenheit wird. Nach zahlreichen solchen siegreichen Schlachten wird auch in dem allgemeinen Kräfteverhältnis zwischen uns und dem Gegner eine Änderung eintreten. Das heißt, wir werden nach vielen Siegen auf den Schlachtfeldern in offensiven Operationen mit rascher Entscheidung auf den äußeren Linien unsere Kräfte allmählich vergrößern und den Feind schwächen, und das allgemeine Kräfteverhältnis wird dadurch unbedingt beeinflußt und verändert werden. Und dann werden diese Veränderungen zusammen mit unseren anderen Bedingungen, mit den innenpolitischen Änderungen in Japan und mit der günstigen internationalen Lage es uns ermöglichen, das allgemeine Kräfteverhältnis zwischen uns und dem Feind zu einem Kräfteausgleich und später auch zu unserem Übergewicht über den Gegner zu gestalten. Dann ist der Zeitpunkt für uns gekommen, die Gegenoffensive durchzuführen und den Gegner aus unserem Land zu vertreiben.
77. Der Krieg ist ein Messen der Kräfte, aber im Verlauf des Krieges verändert sich das ursprüngliche Verhältnis der Kräfte. Der entscheidende Faktor dabei sind die subjektiven Anstrengungen, die darauf gerichtet sind, möglichst viele Siege zu erringen und möglichst wenig Fehler zu begehen. Die objektiven Faktoren bieten die Möglichkeiten derartiger Veränderungen, aber zur Realisierung dieser Möglichkeiten bedarf es eines richtigen Kurses und subjektiver Anstrengungen. Dabei spielt der subjektive Faktor die entscheidende Rolle.

INITIATIVE, FLEXIBILITÄT UND PLANMÄSSIGKEIT

78. Bei operativen und taktischen Angriffsaktionen mit rascher Entscheidung auf den äußeren Linien, wovon eben die Rede war, liegt der Schwerpunkt auf dem Angriff; mit den äußeren Linien ist der Bereich des Angriffs, mit der raschen Entscheidung seine Dauer gemeint, weshalb wir diese Kriegführung „offensive Operationen mit rascher Entscheidung auf den äußeren Linien“ nennen. Das ist der beste Kurs, den man bei einem langwierigen Krieg einschlägt, ist also auch der Kurs auf den Bewegungskrieg. Aber dieser Kurs kann ohne Initiative, Flexibilität und Planmäßigkeit nicht verwirklicht werden. Gehen wir nunmehr an die Untersuchung dieser drei Fragen.
79. Wir haben schon früher von der bewußten Aktivität gesprochen. Weshalb müssen wir uns da noch der Frage der Initiative zuwenden? Wie bereits erwähnt, versteht man unter bewußter Aktivität ein bewußtes Handeln und bewußte Anstrengungen, sie ist ein charakteristischer Zug, der den Menschen von allen anderen Lebewesen unterscheidet, und dieses Merkmal tritt im Krieg besonders stark hervor. Was die Initiative anbelangt, von der jetzt die Rede ist, so bedeutet sie die Handlungsfreiheit für eine Armee zum Unterschied von einer Lage, in welche eine Armee gedrängt worden ist und wo sie keine Handlungsfreiheit besitzt. Für eine Armee ist die Handlungsfreiheit ihr Lebenselement. Einer Armee, die diese Freiheit eingebüßt hat, droht die Gefahr, geschlagen oder vernichtet zu werden. Die Entwaffnung eines Soldaten resultiert daraus, daß er die Handlungsfreiheit eingebüßt hat und in einen passiven Zustand gedrängt worden ist. Das gleiche gilt für die Niederlage einer Armee. Infolgedessen streben beide kriegführenden Seiten mit aller Kraft danach, die Initiative zu erlangen und eine Passivität zu vermeiden. Man kann sagen, daß die offensiven Operationen mit rascher Entscheidung auf den äußeren Linien, wie wir sie befürworten, sowie die für ihre Durchführung notwendige Flexibilität und Planmäßigkeit voll und ganz darauf abzielen, die Initiative zu erlangen, die notwendig ist, um den Gegner in den Zustand der Passivität zu versetzen und das Ziel der Erhaltung der eigenen Kräfte und der Vernichtung der gegnerischen Kräfte zu erreichen. Initiative oder Passivität ist jedoch von der Überlegenheit oder Unterlegenheit der Kräfte im Krieg untrennbar. Daher lassen sie sich auch nicht davon trennen, ob die subjektive Führung des Krieges richtig oder falsch ist. Darüber hinaus kann man auch dann die Initiative an sich reißen und den Gegner zur Passivität zwingen, wenn man eine Situation ausnutzt, bei der der Gegner die Dinge falsch beurteilt und sich überraschen läßt. Wir werden uns nunmehr mit der Untersuchung dieser Punkte befassen.
80. Initiative ist mit Überlegenheit, Passivität mit Unterlegenheit der kriegführenden Kräfte untrennbar verbunden. Solche Überlegenheit oder Unterlegenheit ist die objektive Grundlage für Initiative bzw. Passivität. Selbstverständlich läßt sich die strategische Initiative verhältnismäßig günstig durch den strategischen Angriff aufrechter
halten und entwickeln; doch kann man nur dann die Initiative zu jeder Zeit und an jedem Ort – also die absolute Initiative – erhalten, wenn eine absolute Überlegenheit einer absoluten Unterlegenheit gegenübersteht. Trägt ein starker, gesunder Mann einen Ringkampf mit einem Schwerkranken aus, so hat er dabei die absolute Initiative. Wenn es bei Japan nicht so viele unüberwindliche Widersprüche gäbe, wenn es zum Beispiel eine riesige Streitmacht von mehreren oder gar zehn Millionen Mann auf einmal in den Kampf werfen könnte, wenn seine finanziellen Hilfsquellen um ein Vielfaches größer als seine jetzigen wären, wenn ihm unter den Volksmassen im eigenen Land oder von anderen Ländern her keine Opposition erwüchse und wenn es nicht eine so barbarische Politik betriebe, die den verzweifelten Widerstand des chinesischen Volkes auslösen muß, dann wäre es gewiß in der Lage, die absolute Überlegenheit zu behalten und jederzeit und an jedem Ort die absolute Initiative zu haben. Wie aber die Geschichte zeigt, ist eine solche absolute Überlegenheit nur gegen Ende eines Krieges oder einer Schlacht anzutreffen, während sie in ihrem Anfangsstadium selten vorkommt. So hatten zum Beispiel die Ententeländer im ersten Weltkrieg am Vorabend der Kapitulation Deutschlands die absolute Überlegenheit erlangt, während Deutschland in eine absolute Unterlegenheit geraten war; daraus ergaben sich die Niederlage Deutschlands und der Sieg der Entente. Dies war ein Fall von absoluter Überlegenheit und absoluter Unterlegenheit gegen Ende eines Krieges. Noch ein Beispiel: Am Vorabend unseres Sieges bei Taiörldschuang gerieten die japanischen Truppen, die zum gegebenen Zeitpunkt und am betreffenden Ort isoliert waren, nach erbitterten Kämpfen in eine absolut unterlegene Position, während unsere Kräfte zur absoluten Überlegenheit gelangten, so daß der Gegner eine Niederlage erlitt und wir einen Sieg errangen. Dies war ein Fall von absoluter Überlegenheit und absoluter Unterlegenheit gegen Ende einer Schlacht. Es kommt auch vor, daß ein Krieg oder eine Schlacht mit einer relativen Überlegenheit der einen Partei oder mit einem Kräfteausgleich zwischen beiden Parteien endet; in diesem Fall kommt es dann im Krieg zu einem Kompromiß und bei einer Schlacht zur Stagnation. In den meisten Fällen aber entscheiden absolute Überlegenheit und Unterlegenheit über Sieg und Niederlage. All das gilt für das Ende eines Krieges oder einer Schlacht, nicht für den Beginn. Das Ende des Krieges zwischen China und Japan läßt sich jetzt schon voraussagen: Japan wird infolge seiner absoluten Unterlegenheit geschlagen werden; China wird dank seiner absoluten Überlegenheit den Sieg erringen. Zur Zeit jedoch ist die Überlegenheit auf der einen Seite und die Unterlegenheit auf der anderen Seite keinesfalls absolut, sondern relativ. Ein solcher für Japan günstiger Faktor wie seine große militärische, wirtschaftliche und politischorganisatorische Stärke sichert ihm eine Überlegenheit über unsere geringe militärische, wirtschaftliche und politisch-organisatorische Stärke und schafft darum die Grundlage für seine Initiative. Da jedoch Japans militärische und sonstige Stärke in quantitativer Hinsicht nicht beträchtlich ist und noch eine Reihe anderer ungünstiger Faktoren hinzukommt, wird seine Überlegenheit durch die eigenen inneren Widersprüche verringert. Auf chinesischem Boden ist Japans Überlegenheit noch geringer geworden, weil es hier auf das weite Territorium, die riesige Bevölkerung, die zahlenmäßig starke Armee und den entschlossenen nationalen Widerstandskrieg stieß. Somit wird die Position Japans, wenn man das Ganze im Auge hat, zu einer relativ überlegenen; infolgedessen sind seine Möglichkeiten, die Initiative auszuüben und zu behalten, beschränkt, und diese Initiative hat sich ebenfalls als relativ erwiesen. Was China betrifft, so ist es zwar hinsichtlich seiner Stärke unterlegen und gerät dadurch strategisch in einen gewissen passiven Zustand, ist aber seinem Gegner nicht allein an Größe des Territoriums sowie an Bevölkerungs- und Truppenzahl überlegen, sondern auch durch den Haß seines Volkes und seiner Armee gegen den Feind und durch deren Kampfgeist. Zusammen mit anderen günstigen Faktoren mindert diese Überlegenheit das Ausmaß der Unterlegenheit Chinas in bezug auf die militärische, wirtschaftliche und sonstige Stärke und verwandelt sie zu einer relativen strategischen Unterlegenheit. Auch die Passivität Chinas wird dadurch graduell verringert, so daß es sich jetzt strategisch in einer nur relativ passiven Position befindet. Da aber jede Passivität ein Nachteil ist, muß man mit allen Kräften bestrebt sein, sich ihrer zu entledigen. Militärisch läßt sich das dadurch erreichen, daß man entschlossen rasche Entscheidung bringende Angriffsaktionen auf den äußeren Kampflinien durchführt, hinter den feindlichen Linien einen Partisanenkrieg entfaltet und sich so in vielen operativen Kämpfen des Bewegungs- und Partisanenkriegs eine überwältigende Überlegenheit und die Initiative auf einem Teilgebiet sichert. Durch eine solche partielle Überlegenheit und Initiative in vielen Schlachten können wir allmählich unsere strategische Überlegenheit und unsere strategische Initiative aufbauen und so aus der strategischen Unterlegenheit und Passivität herauskommen. Dies ist die Wechselbeziehung zwischen Initiative und Passivität, zwischen Überlegenheit und Unterlegenheit.
81. Daraus wird auch der Zusammenhang zwischen Initiative oder Passivität einerseits und der subjektiven Führung andererseits begreiflich. Wie wir bereits dargelegt haben, können wir aus unserer relativen strategischen Unterlegenheit und Passivität dadurch herauskommen, daß wir in vielen Fällen durch künstliche Mittel zu einer partiellen Überlegenheit und Initiative gelangen, wodurch der Feind seiner partiellen Überlegenheit und Initiative beraubt und zur Unterlegenheit und Passivität verdammt wird. Aus der Anhäufung solcher Teilerfolge ergeben sich für uns strategische Überlegenheit und Initiative, für den Feind aber strategische Unterlegenheit und Passivität. Eine solche Umkehrung hängt von der richtigen subjektiven Führung ab. Warum? Weil der Gegner, ebenso wie wir selbst, nach Überlegenheit und Initiative strebt. In diesem Sinne ist der Krieg ein Wettstreit an subjektiven Fähigkeiten zwischen den Befehlshabern der beiden kriegführenden Armeen in ihrem Bemühen, auf der Grundlage solcher materiellen Bedingungen wie der militärischen Stärke und der finanziellen Mittel Überlegenheit und Initiative zu erlangen. Aus diesem Wettstreit gehen jeweils ein Sieger und ein Besiegter hervor. Sehen wir einmal von dem Gegensatz zwischen den objektiven materiellen Bedingungen ab, so wird der Sieger seinen Erfolg notwendigerweise der richtigen subjektiven Truppenführung und der Besiegte seine Niederlage der falschen subjektiven Truppenführung zuzuschreiben haben. Wir räumen ein, daß im Vergleich zu allen anderen gesellschaftlichen Erscheinungen der Krieg ein Phänomen ist, mit dem man sich schwerer zurechtfindet, das durch weniger Gewißheit gekennzeichnet ist, d. h. mehr „Wahrscheinlichkeit“ in sich birgt. Andererseits ist jedoch der Krieg durchaus nichts Übernatürliches, sondern ein den Gesetzen der Notwendigkeit unterworfener irdischer Prozeß. Darum bleibt der Grundsatz von Sun Dsi „Kennst du den Feind und kennst du dich selbst – hundert Schlachten ohne Schlappe“ [16] nach wie vor eine wissenschaftliche Wahrheit. Fehler im Krieg sind darauf zurückzuführen, daß man weder den Feind noch sich selbst kennt; und die Eigenart des Krieges macht es denn auch in vielen Fällen unmöglich, den Feind und sich selbst restlos zu kennen, woraus sich dann eine Ungewißheit in den Kriegssituationen und -handlungen ergibt und wodurch Fehler und Niederlagen entstehen. Doch wie immer die Umstände und die Handlungen im Krieg auch seien, ist es dennoch möglich, ihre allgemeinen Züge, ihre wesentlichen Punkte
zu erkennen. Ein Befehlshaber kann weniger Fehler machen und im allgemeinen richtig führen, wenn er zuerst die verschiedenen Erkundungsmittel anwendet, um dann klug zu folgern und zu urteilen. Mit der Waffe dieser „im allgemeinen richtigen Führung“ können wir mehr Siege erringen, unsere Unterlegenheit in Überlegenheit, unsere Passivität in Initiative verwandeln. Das ist der Zusammenhang zwischen Initiative oder Passivität einerseits und richtiger oder falscher subjektiver Führung andererseits.
82. Die These, daß eine falsche subjektive Führung Überlegenheit und Initiative in Unterlegenheit und Passivität verwandeln und eine richtige subjektive Führung den entgegengesetzten Wandel bewirken kann, wird um so überzeugender, wenn man sich die historischen Beispiele für Niederlagen großer und mächtiger Armeen und für Siege kleiner und schwacher Armeen vor Augen hält. Solche Beispiele gibt es in der chinesischen wie in der ausländischen Geschichte sehr viele. Beispiele aus der Geschichte Chinas sind die Schlacht von Tschengpu zwischen den Staaten Djin und Tschu [17], die Schlacht bei Tschenggao zwischen den Staaten Tschu und Han, die Schlacht, in welcher Han Hsin die Truppen des Staates Dschao besiegte, [18] die Schlacht von Kunyang zwischen den Staaten Hsin und Han, die Schlacht von Guandu zwischen Yüan Schao und Tsao Tsao, die Schlacht von Tschibi zwischen den Staaten Wu und We, die Schlacht bei Yiling zwischen den Staaten Wu und Schu, die Schlacht am Fe-Fluß zwischen den Staaten Tjin und Djin usw. Zu den Beispielen in der Geschichte anderer Völker zählen die meisten Feldzüge Napoleons [19] und der Bürgerkrieg in der Sowjetunion nach der Oktoberrevolution. In all diesen Fällen waren es kleine Armeen, die über große Armeen den Sieg davontrugen, Unterlegene, die Überlegene besiegten. Jedesmal fügte die schwächere Seite dem Gegner zuerst eine schwere Niederlage zu, indem sie ihre Überlegenheit und Initiative auf Teilgebieten gegen die partielle Unterlegenheit und Passivität des Gegners ins Treffen führte. Dann wandte sie sich gegen seine übrigen Truppen, schlug sie einzeln und kehrte damit schließlich die Gesamtlage um, indem sie die Überlegenheit und die Initiative gewann. Dem Gegner, der zuvor überlegen war und die Initiative hatte, widerfuhr das Gegenteil; infolge subjektiver Fehler und innerer Widersprüche büßte er manchmal eine ausgezeichnete oder doch recht gute Position, bei der die Überlegenheit und die Initiative auf seiner Seite waren, völlig ein und wurde zu einem General ohne Armee oder zu einem König ohne Königreich. Daraus kann
man entnehmen, daß Überlegenheit oder Unterlegenheit der Kräfte im Krieg zwar die objektive Grundlage für Initiative oder Passivität bildet, aber selbst noch nicht eine tatsächliche Initiative oder Passivität bedeutet; nur durch ein Ringen, durch einen Wettstreit zwischen den subjektiven Fähigkeiten kann die Initiative oder Passivität zur Tatsache werden. Im Verlauf dieses Kampfes kann sich Unterlegenheit in Überlegenheit und Passivität in Initiative verwandeln oder umgekehrt, die nachdem, ob die subjektive Führung richtig oder falsch ist. Die Tatsache, daß keine der herrschenden Dynastien mit revolutionären Armeen fertig werden konnte, zeigt, daß Überlegenheit in gewisser Hinsicht allein noch keine Garantie für Initiative, geschweige denn für den endgültigen Sieg bedeutet. Die Initiative und den Sieg kann der Unterlegene, der sich im zustand der Passivität befindet, den Händen des Überlegenen, der die Initiative besitzt, entreißen, indem er, auf die reale Lage gestützt, seine subjektiven Fähigkeiten aktiv entfaltet und die dafür notwendigen Bedingungen erkämpft.
83. Wer die Lage falsch beurteilt und sich überraschen läßt, kann seine Überlegenheit und Initiative einbüßen. Den Feind vorsätzlich zu einer falschen Beurteilung der Lage zu verleiten und dann zu überrumpeln gilt daher als ein Mittel zur Erlangung der Überlegenheit und Initiative, und zwar als ein wichtiges Mittel. Was ist eine falsche Beurteilung? „Jeden Busch und jeden Baum auf dem Bagung-Berg für einen feindlichen Soldaten halten“ [20], das ist ein Beispiel von falscher Beurteilung. „Ein Scheinmanöver im Osten vollführen, den Angriff aber im Westen unternehmen“ – das ist eine Methode der Verleitung des Gegners zur falschen Beurteilung. Wenn wir über die vorzügliche Bedingung verfügen, daß die Bevölkerung uns unterstützt und ein Durchsickern von Nachrichten verhindert werden kann, ist es oft möglich, den Gegner durch verschiedene Kriegslisten in eine schwierige Lage zu treiben, in der er falsch urteilt und handelt, so daß er seine Überlegenheit und Initiative einbüßt. Genau das ist gemeint, wenn man sagt: „Im Krieg verschmähe keine List“. Was bedeutet „sich überraschen lassen“? Es bedeutet, daß man unvorbereitet ist. Eine Überlegenheit ist keine echte Überlegenheit, wenn keine Vorbereitungen getroffen worden sind, und man hat dann auch keine Initiative. Wenn man das begriffen hat, kann oft eine Streitmacht, die unterlegen ist, sich jedoch vorbereitet hat, durch einen Überraschungsangriff einen überlegenen Gegner besiegen. Wir sagen, daß der Gegner am leichtesten zu schlagen ist, wenn er sich auf dem Marsch befindet, eben weil er dann nicht auf der Hut, also unvorbe
reitet ist. Diese beiden Maßnahmen – die Verleitung des Gegners zu einer falschen Beurteilung der Lage und Überraschungsangriffe – bedeuten, daß wir dem Gegner die Ungewißheit des Krieges aufzwingen, während wir selbst die größtmögliche Gewißheit erlangen und auf diese Weise Überlegenheit, Initiative und den Sieg erringen. Voraussetzung für all das ist eine vortreffliche Organisierung der Volksmassen. Darum ist es ungeheuer wichtig, alle Menschen, die gegen den Feind sind, so zu mobilisieren, daß sie sich bis zum letzten Mann bewaffnen, in weitem Umkreis Überfälle auf den Gegner unternehmen, das Durchsickern von Nachrichten verhindern und so eine Schutzwand für unsere Truppen bilden; auf diese Weise kann der Gegner nicht erfahren, wo und wann unsere Truppen ihn angreifen werden, wodurch die objektive Grundlage für sein falsches Urteil und für unsere Überraschungsangriffe gegen ihn geschaffen wird. Es ist weitgehend den organisierten und bewaffneten Volksmassen zu verdanken, daß die chinesische Rote Armee in der Vergangenheit, also zur Zeit des Agrarrevolutionären Krieges; mit ihren schwachen Kräften in der Lage war, viele Schlachten zu gewinnen. Ein nationaler Krieg muß logischerweise noch mehr mit der Unterstützung breiter Volksmassen rechnen können als der Agrarrevolutionäre Krieg. Leider sind heute infolge von Fehlern der Vergangenheit [21] die Volksmassen in China unorganisiert und können deshalb kaum unmittelbar zum Dienst an unserer Sache herangezogen werden; ja, im Gegenteil, sie werden zuweilen vom Gegner ausgenutzt. Nur die entschiedene und breite Mobilisierung der gesamten Volksmassen wird uns unerschöpfliche und unversiegbare Hilfsquellen zur Befriedigung aller Bedürfnisse des Krieges erschließen. Und dadurch werden die Volksmassen bestimmt eine große Rolle bei unserer Kriegführung spielen, die eben darin besteht, den Gegner zur falschen Beurteilung zu verleiten und zu überrumpeln, um ihn so zu schlagen. Wir sind keine Menschen wie der Herzog Hsiang vom Staat Sung und haben für seine törichten Ehrbegriffe nichts übrig. [22] Um den Sieg zu erringen, müssen wir nach Möglichkeit dem Gegner Augen und Ohren versiegeln, so daß er blind und taub wird, und seine Befehlshaber in Verwirrung bringen, so daß sie den Kopf verlieren. All dies ist die Wechselbeziehung zwischen der Initiative oder Passivität einerseits und der subjektiven Führung andererseits. Eine solche subjektive Führung ist unerläßlich, wenn wir Japan besiegen wollen.
84. In der Phase seines Angriffs behält Japan im allgemeinen die Initiative in seinen Händen, weil es eine große militärische Stärke zur
Verfügung hat und die subjektiven Fehler, die wir in der Vergangenheit gemacht haben und jetzt machen, ausnutzen kann. Diese Initiative beginnt jedoch zum Teil schon schwächer zu werden, einerseits weil der Gegner eine ganze Reihe von Faktoren gegen sich hat und während des Krieges mehrere subjektive Fehler beging (was noch näher ausgeführt wird), andererseits weil wir über eine ganze Reihe für uns günstiger Faktoren verfügen. Als anschauliches Beispiel hierfür können die Niederlage des Gegners bei Taiörldschuang sowie seine schwierige Lage in der Provinz Schansi dienen. Die breite Entfaltung des Partisanenkriegs im Hinterland des Gegners wird seine in den besetzten Gebieten stationierten Truppen in eine völlig passive Lage drängen. Obwohl der Gegner gegenwärtig noch seinen strategischen Angriff fortsetzt, wobei die Initiative in seinen Händen liegt, wird er mit der Beendigung dieses Angriffs auch seine Initiative einbüßen. Der Mangel an Streitkräften wird es dem Gegner nicht gestatten, den Angriff endlos weiterzuführen. Das ist die erste Ursache dafür, daß er die Initiative nicht weiter behalten kann. Die zweite Ursache dafür, daß er, an einer bestimmten Grenze angelangt, seinen Angriff einstellen muß und die Initiative nicht weiter behalten kann, werden unsere Angriffsaktionen operativen Maßstabs, der Partisanenkrieg hinter den gegnerischen Linien und andere Bedingungen sein. Die dritte Ursache sind die Existenz der Sowjetunion sowie die Veränderungen in der internationalen Lage. Hieraus geht hervor, daß die Initiative des Gegners begrenzt ist und zunichte gemacht werden kann. Wenn China es versteht, in der Kriegführung Angriffsaktionen operativen und taktischen Maßstabs durch die Hauptstreitmacht entschlossen durchzuführen, den Partisanenkrieg im Hinterland des Gegners stürmisch zu entfalten und die Volksmassen in breitem Umfang politisch zu mobilisieren, so kann es nach und nach eine Position der strategischen Initiative aufbauen.
85. Jetzt wollen wir zur Frage der Flexibilität übergehen. Was ist Flexibilität? Das ist die konkrete Verwirklichung der Initiative in den Operationen, also der flexible Einsatz der Kräfte. Der flexible Einsatz der Kräfte ist die Hauptaufgabe der militärischen Führung, und zwar eine keineswegs leichte Aufgabe. Der Krieg verlangt, wenn man von den Aufgaben der Organisierung und Schulung der Truppen und der Volksmassen usw. absieht, eben den Kampfeinsatz der Truppen; dabei muß das alles dem siegreichen Ausgang des Kampfes dienen. Truppen zu organisieren usw. ist zweifellos schwierig, sie aber einzusetzen ist noch schwieriger, besonders in einer Lage, da man als
Schwacher gegen einen Starken kämpfen muß. Um diese Aufgabe zu meistern, bedarf es höchster subjektiver Fähigkeiten, bedarf es des Vermögens, in der Verworrenheit, Undurchsichtigkeit und Ungewißheit, die dem Krieg eigen sind, Ordnung, Klarheit und Gewißheit zu finden. Nur so kann in der Truppenführung die Flexibilität verwirklicht werden.
86. Der grundlegende Kurs der Operationen auf den Schlachtfeldern des Widerstandskriegs gegen die japanische Aggression ist die Durchführung von offensiven Operationen mit rascher Entscheidung auf den äußeren Linien. Um diesen Kurs in die Tat umzusetzen, bedarf es einer Reihe von taktischen Maßnahmen und Methoden wie: Auflockerung und Konzentration der Kräfte, getrenntes Vorrücken und vereintes Schlagen, Angriff und Verteidigung, Vorstoß und Bindung, Einkreisung und Umgehung, Vormarsch und Rückzug. Es ist leicht, alle diese taktischen Verfahren zu begreifen, aber es ist durchaus nicht leicht, sie flexibel anzuwenden und entsprechend zu varieren. Die drei Momente, die hier mitspielen, sind: der Zeitpunkt, der Ort und die Truppen. Trifft man in bezug auf den Zeitpunkt, den Ort und die Truppen nicht die richtige Wahl, dann kann man unmöglich den Sieg erringen. Führt man beispielsweise beim Angriff gegen einen auf dem Marsch befindlichen Gegner den Schlag zu früh, dann kann man sich verraten und es damit dem Gegner ermöglichen, vorbeugende Maßnahmen zu treffen; führt man aber den Schlag zu spät, dann hat der Gegner bereits seine Kräfte konzentriert und haltgemacht, und man wird sich unvermeidlich, wie man sagt, die Zähne an dem harten Knochen ausbeißen. Soweit zur Frage des Zeitpunkts. Wählt man den Angriffspunkt, sagen wir, auf der linken Flanke und trifft man gerade eine verwundbare Stelle des Gegners, so wird man leicht den Sieg erringen; wählt man den Angriffspunkt aber auf der rechten Flanke und stößt hier auf eine starke Gegenwehr, so kann man nichts erreichen. Soweit zur Frage des Ortes. Wählt man zur Ausführung irgendeiner Aufgabe eine bestimmte Truppeneinheit, dann erringt man leicht den Sieg; nimmt man aber zur Ausführung der gleichen Aufgabe eine andere Einheit, fällt es schwer, einen Erfolg zu erzielen. Soweit zur Frage der Truppen. Es gilt nicht nur, diese oder jene Taktik anzuwenden, sondern auch, die Taktik zu wechseln. Eine flexible Truppenführung hat die wichtige Aufgabe, je nach dem Zustand der eigenen Truppen und der Truppen des Gegners, je nach den beiderseitigen Geländeverhältnissen rechtzeitig in entsprechender Weise die Taktik zu wechseln: vom Angriff zur Verteidigung und von
der Verteidigung zum Angriff überzugehen; anstelle des Vormarsches den Rückzug und anstelle des Rückzugs den Vormarsch anzutreten; Bindungstruppen in Stoßtruppen und Stoßtruppen in Bindungstruppen zu verwandeln; Einkreisung mit Umgehung abzuwechseln usw. Das gilt sowohl für die taktische als auch für die operative und die strategische Truppenführung.
87. Nach einem Ausspruch der Alten ist die „geschickte Anwendung eine Gabe des Geistes“. Eben dieses „Geschick“ bezeichnen wir als Flexibilität, und dies ist das Produkt des Kopfes eines intelligenten Befehlshabers. Flexibilität ist nicht Draufgängertum; ein solches ist abzulehnen. Flexibilität ist die Fähigkeit eines klugen Befehlshabers, auf Grund der objektiven Gegebenheiten den geeigneten Zeitpunkt festzustellen und die Umstände richtig einzuschätzen (zu diesen Umständen gehören die Lage beim Gegner, die eigene Situation, die Geländeverhältnisse usw.) und dann rechtzeitige und entsprechende Maßnahmen zu treffen. Ebendarin besteht die „geschickte Anwendung“. Darauf gestützt werden wir bei den Angriffsaktionen mit rascher Entscheidung auf den äußeren Linien mehr Siege erringen, das Kräfteverhältnis zu unseren Gunsten umkehren, dem Gegner gegenüber Initiative an den Tag legen, ihn überwältigen und zerschlagen können – und dann wird der endgültige Sieg unser sein.
88. Wir gehen jetzt zur Planmäßigkeit über. Infolge der für den Krieg charakteristischen Ungewißheit ist eine Planmäßigkeit in Kriegsangelegenheiten weitaus schwerer zu verwirklichen als in jeder anderen Angelegenheit. Da aber „jede Sache von Erfolg gekrönt ist, wenn sie vorbereitet wird, und scheitert, wenn keine Vorbereitungen getroffen werden“, ist es ohne eine vorherige Planung und Vorbereitung unmöglich, im Krieg den Sieg zu erringen. Man kennt zwar im Krieg keine absolute Gewißheit, das heißt aber nicht, daß es in ihm nicht in bestimmtem Grade eine relative Gewißheit gebe. Unserer Lage sind wir verhältnismäßig gewiß, die Kenntnis der Lage des Gegners ist dagegen sehr ungewiß. Nichtsdestoweniger gibt es Zeichen, die man entziffern kann, Hinweise, denen man nachspüren kann, aufeinanderfolgende Erscheinungen, die uns zum Überlegen veranlassen. Das alles ergibt eben das, was wir einen bestimmten Grad relativer Gewißheit nennen, einen Grad, der eine objektive Grundlage für die Planmäßigkeit im Krieg schafft. Die Entwicklung der modernen Technik (Telegraph, Radio, Flugzeuge, Automobile, Eisenbahnen, Dampfschiffe usw.) hat die Möglichkeit vergrößert, eine Planmäßigkeit im Krieg zu verwirklichen. Da aber die Gewißheit im Krieg von
einem sehr geringen Grad und von einer sehr kurzen Dauer ist, kann hier die Planmäßigkeit weder vollständig noch beständig sein; sie muß sich vielmehr mit der Bewegung des Krieges (mit seinem Verlauf und seiner Entwicklung) ändern und je nach den Maßstäben der militärischen Operationen graduell verschieden sein. Taktische Pläne, beispielsweise Angriffs- oder Verteidigungspläne kleiner Verbände und Einheiten, müssen oft an einem einzigen Tag mehrere Male abgeändert werden. Operative Pläne, also Aktionspläne für größere Truppenverbände, lassen sich gewöhnlich bis zum Abschluß der Schlacht einhalten, werden jedoch in deren Verlauf häufig teilweise und zuweilen sogar völlig abgeändert. Der strategische Plan dagegen wird auf Grund der Einschätzung der allgemeinen Lage der beiden kriegführenden Seiten ausgearbeitet, infolgedessen ist der Grad seiner Beständigkeit noch größer, aber auch er läßt sich nur in einer bestimmten strategischen Etappe anwenden und muß geändert werden, wenn der Krieg in eine neue Etappe übergeht. Ausarbeitung und Änderung der taktischen, operativen und strategischen Pläne in Übereinstimmung mit dem jeweiligen Umfang der militärischen Aktionen und mit den jeweiligen Umständen ist ein wichtiges Kettenglied in der militärischen Führung. Darin besteht eben die konkrete Realisierung der Flexibilität im Krieg, also das Geschick der praktischen Anwendung dieser Flexibilität. Die Befehlshaber aller Ebenen, die am Widerstandskrieg teilnehmen, müssen das beachten.
89. Unter Berufung auf die dem Krieg eigene Veränderlichkeit bestreiten manche Leute grundsätzlich die relative Beständigkeit der militärischen Pläne und Richtlinien und bezeichnen solche Pläne und Richtlinien als „mechanistisch“. Diese Ansicht ist falsch. Wie im vorhergehenden Abschnitt bereits gesagt, räumen wir voll und ganz ein: Da die Lage im Krieg nur eine relative Gewißheit aufweist und das Kriegsgeschehen rasch abläuft (sich ändert und entwickelt), kann ein Plan oder eine Richtlinie im Krieg nur von relativer Beständigkeit sein und muß entsprechend den Veränderungen in der Lage und der fortwährenden Entwicklung des Krieges rechtzeitig geändert oder modifiziert werden. Tun wir das nicht, dann verwandeln wir uns in Mechanisten. Und dennoch darf man die relative Beständigkeit militärischer Pläne und Richtlinien für eine bestimmte Zeitspanne keinesfalls bestreiten. Dies bestreiten hieße alles bestreiten, auch den Krieg als solchen, ja sogar sich selbst. Da der Kriegslage und den Kampfhandlungen eine relative Beständigkeit zukommt, muß man auch den durch diese Lage und diese Kampfhandlungen bedingten
Plänen und Richtlinien eine relative Beständigkeit verleihen. So ist es beispielsweise in Anbetracht dessen, daß in einem bestimmten Stadium die Kriegslage in Nordchina und die aufgelockerte Kriegführung der Achten Route-Armee beständigen Charakter tragen, unbedingt notwendig, in diesem Stadium auch der strategischen Richtlinie für die Kampfhandlungen der Achten Route-Armee eine relative Beständigkeit zu geben, nach der Maxime: „Im wesentlichen den Partisanenkrieg führen, aber unter günstigen Bedingungen auf den Bewegungskrieg nicht verzichten“. Die operative Richtlinie gilt für einen kürzeren Zeitabschnitt als die erwähnte strategische, und die taktische Richtlinie für einen noch kürzeren Zeitabschnitt. Aber innerhalb eines bestimmten Zeitabschnitts ist jede dieser Richtlinien beständig. Wer dies bestreiten wollte, wüßte im Krieg nicht mehr, womit man beginnen soll, und würde zu einem Relativisten im Kriegswesen, der keine feste eigene Meinung hat und für den die eine Sache so gut oder so schlecht ist wie die andere. Dabei wird keiner bestreiten, daß selbst eine für eine bestimmte Zeitspanne anwendbare Richtlinie ebenfalls veränderlich ist; denn gäbe es nicht eine solche Veränderlichkeit, dann brauchte man nicht die eine Richtlinie aufzugeben und eine andere anzunehmen. Aber diese Änderungen der Richtlinie haben ihre Grenzen, das heißt, sie erfolgen im Rahmen der verschiedenen Aktionen im Krieg, die zur Verwirklichung der betreffenden Richtlinie unternommen werden; dabei ändert sich nicht das grundsätzliche Wesen der Richtlinie, das heißt, in ihr erfolgen nur quantitative,- nicht aber qualitative Veränderungen. Das grundsätzliche Wesen der Richtlinie ändert sich im gegebenen Zeitabschnitt auf keinen Fall. Eben das meinen wir, wenn wir von der relativen Beständigkeit für einen bestimmten Zeitabschnitt sprechen. In dem unendlichen Strom der absoluten Veränderlichkeit des gesamten Krieges gibt es eine relative Beständigkeit in den einzelnen besonderen Stadien des Krieges – das ist unsere Meinung über das grundsätzliche Wesen der Pläne oder Richtlinien im Krieg.
90. Nachdem wir über den in strategischer Hinsicht auf den inneren Linien geführten langwierigen Verteidigungskrieg und über die in operativer und taktischer Hinsicht auf den äußeren Linien durchgeführten Angriffsaktionen mit rascher Entscheidung sowie über die Initiative, Flexibilität und Planmäßigkeit gesprochen haben, können wir alles Gesagte in wenigen Worten zusammenfassen. Der Widerstandskrieg gegen die japanische Aggression muß nach einem bestimmten Plan geführt werden. Die militärischen Pläne – also die konkrete Anwendung der Strategie und Taktik – müssen flexibel sein, so daß
sie der jeweiligen Kriegslage angepaßt werden können. Wir müssen überall danach streben, Unterlegenheit in Überlegenheit, Passivität in Initiative zu verwandeln, um das Kräfteverhältnis zwischen uns und dem Gegner zu verändern. Und das alles kommt in operativer und taktischer Hinsicht in Angriffsaktionen mit rascher Entscheidung auf den äußeren Linien und zugleich in strategischer Hinsicht in einem langwierigen Verteidigungskrieg auf den inneren Linien zum Ausdruck.

BEWEGUNGSKRIEG, PARTISANENKRIEG UND STELLUNGSKRIEG

91. Die im Rahmen der strategischen inneren Linien, der strategischen Langwierigkeit und der strategischen Verteidigung durchgeführten operativen und taktischen Angriffsaktionen mit rascher Entscheidung auf den äußeren Linien, die den Inhalt unseres Krieges bilden, treten in der Form des Bewegungskriegs in Erscheinung. Der Bewegungskrieg ist die Form, in der reguläre Truppenverbände an einer langgestreckten Frontlinie und in ausgedehnten Frontgebieten operative und taktische Angriffsaktionen mit rascher Entscheidung auf den äußeren Linien durchführen. Gleichzeitig schließt der Bewegungskrieg auch die „bewegliche Verteidigung“ ein, die nötigenfalls zur Erleichterung solcher Angriffsaktionen angewandt wird, sowie den Angriff auf Stellungen des Gegners und die Verteidigung von Stellungen aus, die beide eine Hilfsrolle spielen. Die Besonderheiten des Bewegungskriegs sind: reguläre Truppenverbände, Kräfteüberlegenheit bei Aktionen operativen und taktischen Maßstabs, offensiver Charakter und Beweglichkeit.
92. China besitzt ein riesiges Territorium und eine große Zahl von Soldaten, aber seine Truppen sind nicht genügend technisch ausgerüstet und unzureichend ausgebildet. Die Truppen des Gegners sind zahlenmäßig unzureichend, jedoch besser technisch ausgerüstet und besser ausgebildet. Unter diesen Umständen muß man sich zweifellos für den offensiven Bewegungskrieg als Hauptform der Kampfoperationen entscheiden, die durch andere Formen ergänzt wird, damit der Krieg als Ganzes zum Bewegungskrieg wird. Dabei muß man eine der Parole „nur Rückzug, nie Vormarsch“ folgende Fluchtmentalität und gleichzeitig ein der Parole „nur Vormarsch, nie Rückzug“ folgendes tollkühnes Draufgängertum bekämpfen.

93. Eine der Besonderheiten des Bewegungskriegs ist eben seine Beweglichkeit, die den Feldarmeen Vormärsche und Rückzüge über weite Strecken nicht nur gestattet, sondern sie auch von ihnen fordert. Aber das hat mit der Fluchtmentalität im Stile von Han Fu-djü [23] nichts gemein. Die eine Grundforderung des Krieges ist die Vernichtung der gegnerischen Kräfte und die andere – die Erhaltung der eigenen Kräfte. Die Erhaltung der eigenen Kräfte zielt darauf ab, die Kräfte des Gegners zu vernichten, und die Vernichtung der gegnerischen Kräfte stellt das wirksamste Mittel zur Erhaltung der eigenen Kräfte dar. Darum darf der Bewegungskrieg keineswegs von Leuten wie Han Fu-djü als eine Entschuldigung benutzt werden, und er besteht niemals darin, daß man sich nur rückwärts und nicht vorwärts bewegt. Eine solche „Bewegung“, die den offensiven Grundcharakter des Bewegungskriegs leugnet, würde schließlich ganz China so „bewegen“, daß es trotz seiner Größe verlorengehen könnte.
94. Allerdings ist auch die andere Denkungsart falsch, nämlich das erwähnte tollkühne Draufgängertum, das nur den Vormarsch und keinen Rückzug kennt. Wir befürworten den Bewegungskrieg, der operative und taktische Angriffsaktionen mit rascher Entscheidung auf den äußeren Linien zum Inhalt hat; dieser Bewegungskrieg schließt aber als Hilfsmaßnahme auch den Stellungskrieg ein sowie eine „bewegliche Verteidigung“ und Rückzüge, andernfalls könnte er nicht in vollem Maße durchgeführt werden. Das tollkühne Draufgängertum ist militärische Kurzsichtigkeit; seine Quelle ist meistens die Furcht, Territorium zu verlieren. Solche Draufgänger begreifen nicht, daß eine der Besonderheiten des Bewegungskriegs eben seine Beweglichkeit ist, die den Feldarmeen Vormärsche und Rückzüge über weite Strecken nicht nur gestattet, sondern sie auch von ihnen fordert. In aktiver Hinsicht ist es, wenn wir den Gegner in einen für ihn nachteiligen, für uns aber vorteilhaften Kampf hineinziehen wollen, häufig erforderlich, daß der Gegner sich auf dem Marsch befindet und wir eine ganze Reihe von vorteilhaften Bedingungen haben wie zum Beispiel: günstige Geländeverhältnisse, ein leicht zu schlagender Gegner, eine Bevölkerung, die das Durchsickern von Informationen unmöglich macht, Ermattung und mangelnde Vorbereitung des Gegners, usw. Also ist es erforderlich, daß der Gegner vorrückt, daß wir den zeitweiligen Verlust eines Teils unseres Territoriums in Kauf nehmen; denn die zeitweilige und teilweise Einbuße des Territoriums ist der Preis für die dauernde Erhaltung unseres gesamten Territoriums und die Rückgewinnung der verlorenen Gebiete. In passiver Hinsicht müssen
wir, wenn wir in eine ungünstige Lage gedrängt worden sind, die für die Erhaltung unserer Kräfte sehr kritisch ist, stets den Mut aufbringen, uns zurückzuziehen, um die Kräfte zu erhalten und dem Feind bei einer neuen Gelegenheit wieder einen Schlag zu versetzen. Diese Wahrheit können die tollkühnen Draufgänger nicht begreifen; in eine offensichtlich ungünstige Lage geraten, kämpfen sie weiterhin um jede Stadt, um jedes Fleckchen Territorium und verlieren schließlich nicht nur die Stadt und das Fleckchen Territorium, sondern können nicht einmal ihre eigenen Kräfte erhalten. Wir waren stets dafür, „den Gegner tief ins Innere des eigenen Territoriums zu locken“, eben weil dies das wirksamste militärische Mittel ist, das eine schwache Armee während ihrer strategischen Verteidigung gegen eine starke Armee anwenden kann.
95. Von allen Formen der Kriegführung im Widerstandskrieg gegen die japanische Aggression steht an erster Stelle der Bewegungskrieg und an zweiter Stelle der Partisanenkrieg. Wenn wir sagen, daß im Krieg als Ganzes genommen der Bewegungskrieg die Hauptrolle, der Partisanenkrieg aber eine Nebenrolle spielt, so meinen wir damit, daß der Ausgang des Krieges hauptsächlich durch die reguläre Kriegführung und vor allem durch den Bewegungskrieg, eine ihrer Formen, entschieden wird, denn bei der Entscheidung über den Ausgang des Krieges kann der Partisanenkrieg nicht die Hauptrolle übernehmen. Aber das bedeutet keinesfalls, daß im Widerstandskrieg die strategische Rolle des Partisanenkriegs etwa unbedeutend wäre. Die strategische Bedeutung des Partisanenkriegs steht in diesem Krieg, wenn man ihn als Ganzes nimmt, nur sehr wenig hinter der Bedeutung des Bewegungskriegs zurück, da es ohne Unterstützung durch den Partisanenkrieg unmöglich ist, den Feind zu bezwingen. Daraus ergibt sich für uns auch die strategische Aufgabe, den Partisanenkrieg zum Bewegungskrieg zu entwickeln. Im Verlauf des langen und erbitterten Krieges wird der Partisanenkrieg nicht auf der Stelle verharren, sondern sich auf das Niveau des Bewegungskriegs heben. Auf diese Weise spielt der Partisanenkrieg eine strategische Doppelrolle: Einerseits unterstützt er die reguläre Kriegführung, und andererseits entwickelt er sich selbst zu einem regulären Krieg. Berücksichtigt man die Bedeutung, die der Partisanenkrieg wegen seiner beispiellosen Ausbreitung und Langwierigkeit im Widerstandskrieg Chinas gewinnt, darf man seine strategische Rolle erst recht nicht unterschätzen. Darum wirft der Partisanenkrieg als solcher in China nicht nur taktische, sondern auch eigene spezifische strategische Probleme auf. Dieses
Thema habe ich bereits in meinem Artikel „Strategische Probleme des Partisanenkriegs gegen die japanische Aggression“ erörtert. Wie bereits gesagt, gliedern sich die Formen der Kriegführung in den drei strategischen Etappen des Widerstandskriegs folgendermaßen auf: In der ersten Etappe steht der Bewegungskrieg an erster Stelle, während der Partisanenkrieg und der Stellungskrieg eine Hilfsrolle spielen; in der zweiten Etappe wird der Partisanenkrieg an den ersten Platz rücken und durch den Bewegungskrieg und den Stellungskrieg unterstützt werden; in der dritten Etappe wird der Bewegungskrieg wiederum zur Hauptform werden, der Stellungskrieg und der Partisanenkrieg dagegen werden ihn unterstützen. Aber der Bewegungskrieg der dritten Etappe wird nicht mehr ausschließlich von den ursprünglichen regulären Truppen getragen, sondern einen Teil seiner Aufgaben wahrscheinlich einen ziemlich bedeutenden Teil – werden die ursprünglichen Partisanenabteilungen übernehmen, die inzwischen zu Kämpfern im Bewegungskrieg aufgerückt sind. Von den drei Etappen aus gesehen ist der Partisanenkrieg im Widerstandskrieg Chinas gegen die japanische Aggression keineswegs etwas Bedeutungsloses. Er wird in der Kriegsgeschichte der Menschheit ein großartiges Kapitel ohnegleichen einnehmen. Deshalb ist es durchaus notwendig, aus den einige Millionen Mann zählenden regulären Truppen des Landes mindestens einige Hunderttausend Mann bereitzustellen und sie über das ganze vom Gegner besetzte Territorium zu verteilen, damit sie die Volksmassen zu bewaffneten Einheiten organisieren und gemeinsam mit ihnen den Partisanenkrieg führen. Die für diesen Zweck bereitgestellten Truppen müssen diese erhabene Aufgabe bewußt übernehmen. Sie sollen nicht glauben, daß es unter ihrer Würde sei, fürs erste nicht mehr als Nationalhelden auftreten zu können, weil sie weniger Möglichkeiten haben, große Schlachten auszufechten. Solche Ansichten sind falsch. Der Partisanenkrieg bringt keine so raschen Erfolge und keinen so lauten Ruhm wie die reguläre Kriegführung, aber, wie man zu sagen pflegt, „die Stärke eines Pferdes erkennt man auf einem langen Weg, das Herz eines Menschen in einem langen Dienst“. Im Verlauf eines langen und harten Krieges wird der Partisanenkrieg seine gewaltige Macht zeigen; er ist ganz. gewiß kein nebensächliches Unternehmen. Zudem können die regulären Truppen, wenn sie aufgelockert sind, den Partisanenkrieg, und wenn sie konzentriert sind, wieder den Bewegungskrieg führen, so wie dies die Achte Routearmee tut. Die Richtlinie der Achten Route-Armee lautet: „Im wesentlichen den Partisanenkrieg führen, aber unter günstigen Bedingungen auf den Bewegungskrieg nicht verzichten“. Diese Richtlinie ist völlig richtig, während der Standpunkt jener Leute, die Einwände dagegen erheben, falsch ist.
96. Der Stellungskrieg – der defensive wie auch der offensive ist für China bei dem gegenwärtigen Zustand seiner Technik im allgemeinen unbrauchbar. Auch darin kommt unsere Schwäche zum Ausdruck. Außerdem wird der Gegner sich die Weite des Territoriums Chinas zunutze machen, um unsere festen Stellungen zu umgehen. Deshalb ist es für uns unmöglich, den Stellungskrieg als ein wichtiges Mittel, geschweige denn als das Hauptmittel anzuwenden. In der ersten und in der zweiten Etappe des Krieges ist jedoch im Rahmen des Bewegungskriegs die teilweise Anwendung von Methoden des Stellungskriegs als Hilfsmaßnahme bei operativen Kampfhandlungen möglich und notwendig. Die zum Teil den Charakter eines Stellungskriegs annehmende „bewegliche Verteidigung“, die angewandt wird, um den Gegner zu zermürben und genügend Zeit zu gewinnen, indem man ihm auf Schritt und Tritt Widerstand leistet, bildet erst recht einen unerläßlichen Bestandteil des Bewegungskriegs. China muß bemüht sein, seine modernen Waffen zu vermehren, um in der Etappe der strategischen Gegenoffensive imstande zu sein, die Aufgaben des Angriffs auf Stellungen des Gegners erfolgreich zu erfüllen. Zweifellos wird die Bedeutung des Stellungskriegs in der Etappe der strategischen Gegenoffensive wachsen, da der Gegner in dieser Periode zur hartnäckigen Verteidigung seiner Stellungen übergehen wird und wir ohne einen mächtigen, den Bewegungskrieg unterstützenden Angriff gegen diese Stellungen nicht imstande sein werden, die verlorenen Gebiete wiederzugewinnen. Aber dessenungeachtet werden wir in der dritten Etappe energisch danach streben müssen, den Bewegungskrieg als Hauptform des Krieges beizubehalten. Denn die Kunst der Führung und die aktive Rolle der Menschen werden in einem Stellungskrieg, wie er sich in Westeuropa zu Beginn der zweiten Hälfte des ersten Weltkriegs herausgebildet hatte, weitgehend aufgehoben sein. Aber wenn der Krieg in einem so riesigen Land wie China geführt wird, das dazu noch eine recht lange Zeit hindurch ein technisch rückständiges Land bleibt, wird natürlich der Fall eintreten, daß „der Krieg von den Schützengräben freigemacht wird“. Selbst in der dritten Etappe werden wir ungeachtet eines höheren Niveaus der technischen Ausrüstung Chinas wohl kaum imstande sein, den Gegner in dieser Hinsicht zu übertreffen. Also werden wir genötigt sein, alle Anstrengungen zu machen, um einen Bewegungskrieg höhe
ren Grades zu führen; anderenfalls werden wir den endgültigen Sieg nicht erringen. In Chinas Widerstandskrieg als Ganzes genommen wird somit der Stellungskrieg nicht die Hauptform sein; die hauptsächlichen und wichtigen Formen werden der Bewegungskrieg und der Partisanenkrieg sein. In diesen Formen des Krieges können die Kunst der Führung und die aktive Rolle der Menschen völlig freien Spielraum erlangen, und das wird ein Glück in unserem Unglück sein !

ZERMÜRBUNGSKRIEG UND VERNICHTUNGSKRIEG

97. Wie weiter oben gesagt wurde, besteht das Wesen des Krieges, das heißt das Ziel des Krieges, in der Erhaltung der eigenen Kräfte und in der Vernichtung der gegnerischen Kräfte. Diesem Ziel dienen drei Formen des Krieges: Bewegungskrieg, Stellungskrieg und Partisanenkrieg. Diese Formen zeigen bei ihrer praktischen Anwendung einen verschiedenen Grad der Wirksamkeit. Daher ist es üblich, zwischen Zermürbungskrieg und Vernichtungskrieg zu unterscheiden.
98. Zunächst können wir sagen, daß der Widerstandskrieg gegen die japanischen Eindringlinge ein Zermürbungskrieg und zugleich ein Vernichtungskrieg ist. Warum? Der Faktor der Stärke des Gegners ist vorläufig noch weiterhin wirksam, die strategische Überlegenheit und die Initiative sind nach wie vor in seinem Besitz; folglich ist es ohne Vernichtungskämpfe operativen und taktischen Maßstabs unmöglich, den Faktor der Stärke rasch und wirksam zu verringern, die Überlegenheit des Gegners zu untergraben und ihm die Initiative zu entreißen. Der Faktor unserer Schwäche besteht ebenfalls weiter; wir haben uns noch nicht von der strategischen Unterlegenheit und Passivität befreit. Wenn wir Zeit gewinnen wollen, um die inneren und die internationalen Bedingungen zu verbessern und unsere ungünstige Lage zu ändern, dann können wir das gleichfalls nicht ohne Vernichtungskämpfe operativen und taktischen Maßstabs erreichen. Deshalb dienen Vernichtungsaktionen operativen Maßstabs als Mittel zur strategischen Zermürbung des Gegners. In diesem Sinne ist der Vernichtungskrieg zugleich ein Zermürbungskrieg. Das Hauptmittel, durch welches China imstande ist, einen langwierigen Krieg zu führen, ist die Zermürbung des Gegners durch Vernichtung seiner Kräfte.
99. Aber das Ziel der strategischen Zermürbung des Gegners läßt sich auch durch Zermürbungsaktionen operativen Maßstabs
erreichen. Im allgemeinen erfüllt der Bewegungskrieg die Aufgabe der Vernichtung, der Stellungskrieg die Aufgabe der Zermürbung und der Partisanenkrieg beide Aufgaben gleichzeitig, wobei sich diese drei Formen voneinander unterscheiden. In diesem Sinne ist der Vernichtungskrieg nicht das gleiche wie der Zermürbungskrieg. Zermürbungsaktionen operativen Maßstabs sind ein Hilfsmittel, das jedoch in einem langwierigen Krieg unerläßlich ist.
100. Um das strategische Ziel einer weitgehenden Schwächung der feindlichen Kräfte zu erreichen, muß sich China in der Etappe der Verteidigung – sowohl vom Standpunkt der Theorie als auch vom Standpunkt der praktischen Notwendigkeit – nicht nur die Möglichkeit der Vernichtung, die sich vor allem durch den Bewegungskrieg und teilweise auch durch den Partisanenkrieg ergibt, sondern auch die Möglichkeit der Zermürbung zunutze machen, die vor allem durch den eigentlich als Hilfsmittel dienenden Stellungskrieg und teilweise durch den Partisanenkrieg gegeben ist. In der Etappe des Gleichgewichts müssen die erwähnten Eigenschaften des Partisanenkriegs und des Bewegungskriegs – Vernichtung und Zermürbung – weiterhin ausgenutzt werden, um die gegnerischen Kräfte erneut in großen Massen zu zermürben. Alles das zielt darauf ab, den Krieg in die Länge zu ziehen, nach und nach das Kräfteverhältnis zu unseren Gunsten zu verändern und die Bedingungen für den Übergang zur Gegenoffensive vorzubereiten. Während der strategischen Gegenoffensive müssen wir den Gegner durch Vernichtung seiner Kräfte weiterhin ermatten, um ihn dann endgültig zu vertreiben.
101. Die Erfahrungen der letzten zehn Monate haben jedoch gezeigt, daß sich viele, ja sogar die meisten Schlachten des Bewegungskriegs faktisch zu Zermürbungsoperationen gestalteten und daß der Partisanenkrieg seine Vernichtungsfunktion in einigen Gebieten noch nicht in gebührender Weise erfüllt hat. Die positive Seite der Situation besteht darin, daß wir den Gegner immerhin in gewissem Maße erschöpft haben, was für die Durchführung eines langwierigen Krieges und für die Erringung des Endsiegs von Bedeutung ist, so daß unser Blut nicht umsonst vergossen wurde. Die negative Seite aber besteht darin, daß wir erstens den Gegner nicht genügend erschöpft haben und zweitens verhältnismäßig große Verluste erleiden mußten und wenig Beute machen konnten. Wenn man auch zugeben muß, daß es für eine solche Lage objektive Ursachen gab, nämlich den Unterschied zwischen dem Gegner und uns im Grad der technischen Ausrüstung und im Stand der Ausbildung der Truppen, muß man dennoch
sowohl vom Standpunkt der Theorie als auch vom Standpunkt der Praxis auf jeden Fall darauf dringen, daß unsere Hauptstreitmacht hartnäckig den Vernichtungskrieg führt, wo und wann sich ihr eine günstige Gelegenheit bietet. Obwohl sich die Partisaneneinheiten bei der Durchführung vieler konkreter Aufgaben wie Störaktionen und Beunruhigung auf reine Zermürbungskämpfe beschränken müssen, ist ihnen nichtsdestoweniger zu empfehlen – und sie müssen sich selbst darum bemühen -, Vernichtungskämpfe operativen und taktischen Maßstabs zu führen, wann und wo eine dafür günstige Gelegenheit gegeben ist, um sowohl die Kräfte des Gegners in großer Zahl zu zermürben als auch die eigenen Kräfte beträchtlich aufzufüllen.
102. Die „äußeren Linien“, die „rasche Entscheidung“ und der „Angriff“ in der Bezeichnung „Angriffsaktionen mit rascher Entscheidung auf den äußeren Linien“ sowie die „Bewegung“ in der Formulierung „Bewegungskrieg“ finden, was die Kampfform betrifft, ihren Ausdruck hauptsächlich in der Anwendung einer solchen Taktik wie Einkreisungen und Umgehungen und erfordern deshalb die Konzentration überlegener Kräfte. Folglich sind die Konzentration der Kräfte sowie die Anwendung der Taktik der Einkreisungen und Umgehungen unerläßliche Bedingungen für die Durchführung des Bewegungskriegs, das heißt für die Durchführung von Angriffsaktionen mit rascher Entscheidung auf den äußeren Linien. Das alles ist jedoch dazu bestimmt, die gegnerischen Kräfte zu vernichten.
103. Die Vorteile der japanischen Armee beruhen nicht nur auf ihrer Bewaffnung, sondern auch auf der Ausbildung ihrer Offiziere und Soldaten – ihrer Organisiertheit, ihrer Selbstsicherheit, die darauf zurückzuführen ist, daß sie noch nie geschlagen wurde, auf ihrer abergläubischen Ergebenheit gegenüber dem Mikado und den übernatürlichen Wesen, auf ihrem Hochmut, ihrer Mißachtung der Chinesen usw. Alle diese Züge sind ihr eingeprägt worden durch die Samurai-Erziehung, wie sie von den japanischen Militaristen seit vielen Jahren praktiziert wurde, und durch die nationalen Traditionen Japans. Das ist der Hauptgrund dafür, daß unsere Truppen den Japanern sehr viel mehr Verluste an Toten und Verwundeten als an Gefangenen beibrachten. Früher wurde das von vielen unterschätzt. Um diese Wesenszüge der japanischen Armee zu schwächen, ist ein langer Prozeß erforderlich. Wir müssen zunächst diese Besonderheiten beachten und dementsprechend geduldig und planmäßig arbeiten – auf politischem Gebiet, auf dem Gebiet der internationalen Propaganda und in bezug auf die Volksbewegung in Japan. Auf militärischem Gebiet
ist der Vernichtungskrieg eins der Mittel dazu. Pessimisten können sich auf die erwähnten Wesenszüge der japanischen Armee berufen, um daraus die Theorie von der unvermeidlichen Unterjochung Chinas abzuleiten, während die passiv gesinnten Militärs auf der gleichen Grundlage gegen den Vernichtungskrieg auftreten können. Wir hingegen sind der Meinung, daß diese Vorteile der japanischen Armee untergraben werden können und eine solche Untergrabung bereits im Gange ist. Die Methode der Untergrabung besteht hauptsächlich darin, die japanischen Soldaten politisch zu gewinnen. Wir dürfen sie wegen ihres Stolzes nicht verhöhnen, sondern müssen uns in ihre Lage versetzen und diesen Stolz in die richtigen Bahnen lenken. Durch großherzige Behandlung der Gefangenen müssen wir den japanischen Soldaten helfen, sich über die volksfeindliche Aggressivität der Machthaber Japans klarzuwerden; andererseits müssen wir ihnen den unerschütterlichen Geist und die heroische, verbissene Kampfkraft der chinesischen Armee und des chinesischen Volkes zeigen, d. h. ihnen durch Vernichtungsschlachten schwere Schläge versetzen. Wie die zehnmonatige Erfahrung der militärischen Operationen zeigt, ist es möglich, die gegnerischen Kräfte zu vernichten. Als Beweis dafür dienen die Schlachten bei Pinghsingguan und Taiörldschuang. Die Kampfmoral der japanischen Truppen beginnt bereits zu schwanken; die Soldaten begreifen nicht den Zweck des Krieges; sie sind bereits von den chinesischen Truppen und vom chinesischen Volk umzingelt; sie zeigen bei Sturmangriffen wesentlich geringere Tapferkeit als die chinesischen Soldaten usw. All das sind die objektiven Bedingungen, die unsere Vernichtungsoperationen begünstigen, und diese Bedingungen werden in dem Maße, wie sich der Krieg in die Länge zieht, immer mehr anwachsen. Da man den gegnerischen Truppen durch Vernichtungsoperationen die Arroganz austreiben kann, ist die Vernichtung ihrerseits eine der Bedingungen, um die Dauer des Krieges abzukürzen und die japanischen Soldaten sowie das japanische Volk schnellstens zu befreien. Katzen befreunden sich mit Katzen; nirgends in der Welt befreunden sich Katzen mit Mäusen.
104. Gleichzeitig muß man zugeben, daß wir gegenwärtig in der technischen Ausrüstung und in der Ausbildung der Truppen hinter dem Gegner zurückstehen. Deshalb fällt es uns in vielen Fällen – insbesondere bei Kämpfen in Flachlandgebieten – schwer, eine maximale Vernichtung, wie z. B. die Gefangennahme aller oder des größten Teils der am Kampf teilnehmenden Truppen des Gegners, zu verwirklichen. Dahingehende übermäßige Forderungen, wie sie
die Anhänger der Theorie vom raschen Sieg stellen, sind ebenfalls falsch. Die richtige Forderung im Widerstandskrieg gegen die japanischen Eindringlinge muß lauten: Soweit wie möglich ist ein Vernichtungskrieg zu führen. In allen günstigen Fällen müssen wir bei jeder Operation überlegene Kräfte zusammenziehen und die Taktik der Einkreisungen und Umgehungen anwenden – können wir nicht alle einkreisen, dann kreisen wir einen Teil ein; können wir nicht alle Eingekreisten gefangennehmen, so tun wir das mit einem Teil; können wir nicht einen Teil der Eingekreisten gefangennehmen, so müssen wir dem Teil der Eingekreisten möglichst viele Verluste an Toten und Verwundeten zufügen. In allen Fällen aber, wo die Lage für einen Vernichtungskrieg nicht günstig ist, muß man einen Zermürbungskrieg führen. Für den ersteren gilt das Prinzip der Konzentration der Kräfte und für den letzteren das der Auflockerung der Kräfte. Was die Leitung der Operationen anbelangt, so gilt für den Vernichtungskrieg das Prinzip der Zentralisierung des Kommandos und für den Zermürbungskrieg das der Dezentralisierung. Das sind die grundlegenden Richtlinien für Kampfoperationen auf den Schlachtfeldern des Widerstandskriegs.

DIE MÖGLICHKEIT, FEHLER DES GEGNERS AUSZUNUTZEN

105. Möglichkeiten für Siege über den Gegner bietet uns sogar seine eigene Truppenführung. Es hat seit den ältesten Zeiten nie Feldherren gegeben, die keine Fehler gemacht hätten; beim Gegner kann man ebensogut Fehler entdecken, wie wir sie selbst schwerlich vermeiden können; folglich besteht die Möglichkeit, die Fehler des Gegners auszunutzen. Vom Standpunkt der Strategie und der operativen Kunst aus hat der Gegner in den zehn Monaten des Aggressionskriegs bereits eine ganze Reihe von Fehlern gemacht. Davon wollen wir die fünf größten erwähnen. Erstens hat er seine Streitkräfte nur langsam verstärkt. Das kommt daher, weil er die Kräfte Chinas unterschätzt, aber auch weil es ihm an Streitkräften mangelt. Der Gegner hat uns stets geringgeschätzt. Nachdem er die vier nordöstlichen Provinzen mühelos erobert hatte, besetzte er Osthopeh und Nordtschahar. Das kann man als seine strategische Aufklärung ansehen. Daraus zog er den Schluß; die chinesische Nation sei ein Haufen losen Sandes. Aus diesem Grund nahm er an, daß es ein leichtes sei, China zu zerschlagen, arbeitete einen Plan der „raschen Entscheidung“ aus, setzte geringe Kräfte ein und versuchte, uns einen Schrecken einzujagen. Der Gegner hat nie und nimmer erwartet, daß in China in den letzten zehn Monaten ein so großer Zusammenschluß vor sich gehen und daß unser Widerstand eine solche Stärke annehmen würde. Er hat vergessen, daß China sich bereits in der Epoche des Fortschritts befindet, daß es in China bereits eine fortschrittliche Partei, eine fortschrittliche Armee und ein fortschrittliches Volk gibt. Als der Gegner Schwierigkeiten hatte, begann er, seine Kräfte allmählich zu verstärken, und brachte sie nach und nach von etwas mehr als 10 auf 30 Divisionen. Wenn er weiter vorrücken will, wird er ohne eine weitere Verstärkung seiner Kräfte nicht auskommen. Da aber Japan der Sowjetunion gegenüber eine feindliche Position bezogen hat und da seine Menschenreserven und seine finanziellen Hilfsquellen von Natur aus knapp sind, gibt es für die Stärke der Truppen, die Japan einsetzen kann, eine Höchstgrenze, ebenso wie es auch einen äußersten Punkt gibt, bis zu dem es seinen Angriff vortragen kann. Zweitens fehlte das Hauptangriffsziel. Vor der Schlacht bei Taiörldschuang waren die Kräfte des Gegners im großen und ganzen gleichmäßig auf Zentral- und Nordchina verteilt. Dieselbe gleichmäßige Verteilung gab es auch in jedem dieser beiden Teile Chinas. So waren beispielsweise die japanischen Kräfte in Nordchina zu gleichen Teilen auf die drei Eisenbahnlinien Tientsin-Pukou, Peiping-Hankou und Datung-Pudschou verteilt. Als Japan an jeder dieser Strecken einen Teil seiner Kräfte verlor und einen anderen Teil in den besetzten Gebieten stationierte, hatte es keine Truppen, um weiter vorrücken zu können. Nach der Niederlage bei Taiörldschuang haben die Japaner daraus eine Lehre gezogen und ihre Hauptkräfte in der Richtung auf Hsüdschou konzentriert. Somit wurde dieser Fehler zeitweilig korrigiert. Drittens fehlte es an einer strategischen Koordinierung. Innerhalb einer jeden der beiden Gruppierungen – in Zentral- und in Nordchina – gab es zwar eine gewisse Koordination, aber das Zusammenwirken zwischen diesen Gruppierungen selbst fehlte völlig: Als die am Südabschnitt der Tientsin-Pukou-Eisenbahn befindlichen Truppen Japans Hsiaobengbu angriffen, zeigten die Japaner am nördlichen Abschnitt dieser Linie nicht die geringste Aktivität; ebenso haben sich die Japaner am südlichen Abschnitt der Bahn nicht vom Fleck gerührt, als die Truppen am nördlichen Abschnitt einen Angriff auf Taiörldschuang unternahmen. Nachdem sie sowohl hier als auch dort übel zugerichtet worden waren, erschien der japanische Kriegsminister zur Inspektion, während der Chef des japanischen Generalstabs nach China eilte, um den Oberbefehl zu übernehmen; danach schien es zeitweilig eine gewisse Koordination zu geben. Im Lager der japanischen Grundherrenklasse, der Bourgeoisie und der Militaristen gibt es sehr ernste Widersprüche, die sich immer mehr verschärfen, und eine der konkreten Erscheinungen dieser Widersprüche ist das Fehlen der Koordination im Krieg. Viertens wurde der strategisch günstige Moment verpaßt. Das äußerte sich besonders auffallend darin, daß die Japaner nach der Eroberung von Nanking und Taiyüan haltmachten, vor allem weil es ihnen an Streitkräften mangelte und für die strategische Verfolgung keine Truppen da waren. Fünftens haben sie vieles eingekreist, aber wenig vernichtet. Vor der Schlacht bei Taiörldschuang wurden in den Operationen bei Schanghai, Nanking, Tsangdschou, Baoding, Nankou, Hsinkou und Linfen viele chinesische Einheiten in die Flucht geschlagen, aber wenige Gefangene gemacht. Darin kommt die Ungeschicklichkeit der japanischen Truppenführung zum Ausdruck. Diese fünf Fehler – die langsame Verstärkung der Kräfte, das Fehlen eines Hauptangriffsziels, das Fehlen einer strategischen Koordinierung, die Versäumnis günstiger Gelegenheiten und die zahlreichen Einkreisungen bei einer geringen Zahl vernichteter Truppen – zeugen von der Unfähigkeit der japanischen Truppenführung vor der Schlacht bei Taiörldschuang. Obwohl in der Führung der japanischen Truppen nach der Schlacht bei Taiörldschuang einige Änderungen vorgenommen worden sind, kann der Gegner es angesichts solcher Faktoren wie Mangel an Streitkräften und innere Widersprüche Japans unmöglich vermeiden, derartige Fehler erneut zu begehen. Mehr noch: Was der Gegner an einer Stelle gewinnt, verliert er an einer anderen. Als er beispielsweise seine Kräfte auf Hsüdschou konzentrierte, ließ er eine große Lücke auf dem eroberten Territorium Nordchinas entstehen, welche uns die Möglichkeit bot, ungehindert den Partisanenkrieg zu entfalten. Alles Gesagte bezieht sich auf Fehler, die der Gegner selbst gemacht hat und die ihm nicht von uns aufgezwungen worden sind. Wir können aber auch den Gegner absichtlich zu Fehlern verleiten, das heißt ihn durch geschickte und wirksame Schachzüge und mit Hilfe der eine Schutzwand bildenden organisierten Volksmassen irreführen und zu falschen Beurteilungen veranlassen, so daß er operiert, wie wir es wollen. Man kann das beispielsweise erreichen, indem man ein Scheinmanöver im Osten vollführt, den Angriff aber im Westen unternimmt, usw. Eine solche Möglichkeit haben wir bereits weiter vorher erörtert. Das alles zeigt, daß wir auch in der Truppenführung des Gegners gewisse Möglichkeiten für Siege finden können. Natürlich dürfen wir diese Möglichkeiten nicht als eine wichtige Grundlage für unsere strategischen Pläne betrachten. Im Gegenteil, die verläßliche Methode besteht darin, unsere Pläne eher auf der Voraussetzung zu gründen, daß der Gegner ein Minimum an Fehlern machen wird. Übrigens kann der Gegner ebenso unsere Fehler ausnutzen, wie wir seine Fehler ausnutzen können. Es ist daher eine Aufgabe unserer Truppenführung, dem Gegner möglichst wenig Gelegenheit dazu zu geben. Fehler der Truppenführung des Gegners hat es jedoch schon gegeben und wird es auch künftig geben, sie können auch durch unsere Bemühungen veranlaßt werden. Alle diese Fehler können sämtlich in unserem Interesse ausgenutzt werden; die Befehlshaber im Widerstandskrieg müssen alle ihre Kräfte daransetzen, diese Gelegenheiten beim Schopf zu packen. In der Truppenführung erweist sich beim Gegner in strategischer und operativer Hinsicht vieles als untauglich, aber in taktischer Hinsicht, das heißt in der taktischen Leitung der Kampfhandlungen von unteren Einheiten und von kleineren Verbänden, gibt es bei ihm viel Hervorragendes, was wir lernen sollten.

DIE FRAGE DER ENTSCHEIDUNGSSCHLACHTEN IM WIDERSTANDSKRIEG GEGEN DIE JAPANISCHE AGGRESSION

106. Die Frage der Entscheidungsschlachten im Krieg gegen die japanische Aggression ist auf dreierlei Weise zu beantworten: Erstens, bei jeder Schlacht oder jedem Gefecht, wo der Erfolg sicher ist, soll man entschlossen auf eine Entscheidung drängen; zweitens, in jeder Schlacht oder jedem Gefecht, wo der Erfolg nicht sicher ist, soll man einer Entscheidung ausweichen; drittens, eine strategische Entscheidungsschlacht, bei der die Zukunft des Landes auf dem Spiel stünde, muß man unbedingt vermeiden. Auch in dieser Frage zeigen sich die Merkmale, durch die sich der Widerstandskrieg von vielen anderen Kriegen unterscheidet. In der ersten und zweiten Etappe des Krieges, wo der Gegner stark ist, wir aber schwach sind, möchte der Gegner, daß wir unsere Hauptkräfte konzentrieren und ihm eine Entscheidungsschlacht liefern. Wir dagegen sind bestrebt, für uns günstige Bedingungen zu wählen, überlegene Kräfte zu konzentrieren und dem Gegner Entscheidungsschlachten und -gefechte zu liefern, deren Erfolg sicher ist, wie z. B. die Schlachten bei Pinghsingguan, Taiörldschuang und eine ganze Reihe anderer; unter ungünstigen Bedingungen, wenn wir des Erfolges nicht sicher sind, müssen wir Entscheidungsschlachten ausweichen, wofür der Kurs als Beispiel dienen kann, den wir in der Schlacht bei Dschangdö und in einer Reihe anderer Fälle eingeschlagen haben. Eine strategische Entscheidungsschlacht aber, bei der die Zukunft des Landes auf dem Spiel stünde, darf man auf keinen Fall liefern, weshalb wir uns beispielsweise kürzlich aus Hsüdschou zurückgezogen haben. Auf diese Weise können wir den auf eine „rasche Entscheidung“ gerichteten Plan des Gegners durchkreuzen und ihn zwingen, sich auf einen langwierigen Krieg mit uns einzulassen. Ein solcher Kurs ist in einem Land mit kleinem Territorium nicht zu verwirklichen, und man kann ihm auch in einem politisch allzu rückständigen Land schwerlich folgen. Aber in China ist er durchführbar, weil unser Land groß ist und eine Epoche des Fortschritts durchlebt. Wenn wir eine strategische Entscheidungsschlacht vermeiden können, dann gilt das Wort: „Hat man den Wald, wird es auch Brennholz geben“; selbst wenn wir einen gewissen Teil des Territoriums verlieren sollten, wird uns immer noch ein großer Raum zum Manövrieren bleiben, so daß wir den Fortschritt unseres Landes, das Anwachsen der internationalen Hilfe und den inneren Zerfall im Lager des Gegners fördern und abwarten können. Das ist die beste Politik für den Widerstandskrieg. Die übereifrigen Anhänger der Theorie vom raschen Sieg halten den dornigen Weg des langwierigen Krieges nicht durch, streben darum nach einem raschen Sieg. Sobald die Lage sich ein wenig zum Besseren wendet, beginnen sie schon von der Notwendigkeit einer strategischen Entscheidungsschlacht zu schreien. Befolgten wir ihre Ratschläge, dann würden wir der ganzen Sache des Widerstandskriegs unermeßlichen Schaden zufügen, dann wäre es mit dem langwierigen Krieg aus, und wir würden dem Gegner ins Garn gehen. Das eben wäre tatsächlich die schlechteste Politik für den Widerstandskrieg! Es besteht kein Zweifel darüber, daß wir Gebiete aufgeben müssen, wenn wir Entscheidungsschlachten vermeiden wollen. In den Fällen, wo das nicht zu vermeiden ist (und nur in solchen Fällen), muß man das Territorium ohne Zögern aufgeben. Ist eine solche Lage nun einmal entstanden, sollte es einem um dieses Territorium nicht im geringsten leid tun. Das ist die richtige Politik des Zeitgewinns auf Kosten des Territoriums. Aus der Geschichte ist bekannt, daß Rußland zur Vermeidung einer Entscheidungsschlacht einen entschlossenen Rückzug antrat und dann Napoleon besiegte, der das damalige Zeitalter erschütterte. [24] Gegenwärtig muß China genauso handeln.
107. Ist aber nicht zu befürchten, daß man uns in diesem Fall „Widerstandsverweigerer“ schelten wird? Nein, das brauchen wir nicht zu befürchten. Wenn man überhaupt keinen Krieg führte, mit dem Gegner einen Kompromiß einginge, dann hieße das Widerstandsverweigerung, dann würde das nicht nur Schelte verdienen, sondern dürfte absolut nicht geduldet werden. Aber unter der Voraussetzung, daß man den Widerstandskrieg hartnäckig führt, ist es unbedingt notwendig, den Fallen, die der Gegner stellt, auszuweichen, damit nicht die Hauptkräfte unserer Armee von ihm mit einem Schlag vernichtet werden und die Fortsetzung des Widerstandskriegs beeinträchtigt wird, mit einem Wort, damit die nationale Unterjochung vermieden wird. Jegliche Zweifel in dieser Hinsicht sind Erscheinungen von Kurzsichtigkeit in der Frage des Krieges und führen letzten Endes unbedingt in das Lager der Anhänger der Theorie von der unvermeidlichen Unterjochung Chinas. Wenn wir das tollkühne Draufgängertum, das „nur Vormarsch, nie Rückzug“ kennen will, kritisiert haben, so darum, weil dieses Draufgängertum, falls es zu einer allgemeinen Mode werden sollte, die Weiterführung des Widerstandskriegs unmöglich machen und schließlich die Gefahr der nationalen Unterjochung heraufbeschwören würde.
108. Im Falle günstiger Bedingungen sind wir für entscheidende Aktionen, seien es nun Gefechte, seien es größere oder kleinere Schlachten; in solchen Fällen ist jede Passivität unzulässig. Nur durch solche entscheidenden Kampfhandlungen kann man erreichen, daß die gegnerischen Kräfte vernichtet bzw. zermürbt werden, und jeder Kämpfer im Widerstandskrieg muß dazu entschlossen seinen Beitrag leisten. Dieses Ziel erfordert zum Teil bedeutende Opfer; und wer da glaubt, man müsse jegliches Opfer vermeiden, der ist ein Feigling und hat eine panische Angst vor den Japanern; eine solche Einstellung muß man entschieden bekämpfen. Wenn man Leute wie Li Fu-ying und Han Fu-djü, die davonlaufen, hinrichtet, so geschieht ihnen recht. Unter der Voraussetzung, daß die Kriegshandlungen richtig geplant sind, ist es absolut notwendig, Opfermut und kühnen Vorwärtsdrang sowie die von solchem Geist getragenen Taten im Krieg zu fördern, denn sonst ist weder ein langwieriger Krieg noch der endgültige Sieg möglich. Wir haben schon die Fluchtmentalität, deren Parole „nur
Rückzug, nie Vormarsch“ lautet, rücksichtslos gebrandmarkt und sind für strenge Disziplin eingetreten, eben weil man den starken Gegner nur durch solche heroischen Entscheidungskämpfe, die nach einem richtigen Plan geführt werden, schlagen kann. Was aber die Fluchtmentalität anbelangt, so leistet sie der Theorie von der unvermeidlichen Unterjochung Chinas direkten Vorschub.
109. Ist es nicht ein Widerspruch in sich, wenn man zuerst heldenhaft kämpft und dann ein Territorium aufgibt? Werden dann nicht unsere heroischen Kämpfer ihr Blut umsonst vergossen haben? Eine derartige Fragestellung ist völlig unangebracht. Nehmen wir denn vergeblich Nahrung zu uns, wenn wir uns später entleeren? Ist das Schlafen etwa umsonst, wenn wir dann wieder aufstehen? Kann man überhaupt so die Frage stellen? Meiner Ansicht nach nicht. Wollten wir ununterbrochen weiteressen, weiterschlafen, wollten wir heldenhaft weiterkämpfen, bis wir den Yalu-Fluß erreicht haben, dann gäben wir uns subjektivistischen und formalistischen Illusionen hin, die nichts mit dem wirklichen Leben zu tun haben. Wem ist es nicht klar, daß wir kämpfen und unser Blut vergießen, um Zeit zu gewinnen und unsere Gegenoffensive vorzubereiten, daß wir dabei zwar gewisse Gebiete aufgeben müssen, dafür aber einen Zeitgewinn haben und unser Ziel, die gegnerischen Kräfte zu vernichten bzw. zu zermürben, erreichen, daß wir so Kampferfahrungen sammeln, Menschen aktivieren, die bisher untätig waren, und unser internationales Ansehen heben? Haben wir in diesem Falle unser Blut umsonst vergossen? Ganz gewiß nicht. Wir geben Gebiete auf, um unsere militärische Stärke zu bewahren und letzten Endes auch, um Gebiete zu erhalten; denn wenn wir unter ungünstigen Bedingungen nicht einen Teil unseres Territoriums aufgeben, sondern uns blindlings in Entscheidungskämpfe stürzen, bei denen nicht die geringste Aussicht auf einen Erfolg besteht, werden wir als Folge dessen nach dem Verlust unserer militärischen Stärke unweigerlich unser gesamtes Territorium einbüßen ganz zu schweigen von einer Rückgewinnung der bereits verlorenen Gebiete. Ein Kapitalist muß Kapital besitzen, um sein Geschäft zu betreiben, und wenn er völlig bankrott ist, hört er auf, Kapitalist zu sein. Sogar ein Spieler muß Geld haben, das er einsetzen kann. Wenn er alles auf einen Wurf setzt und kein Glück damit hat, kann er nicht weiterspielen. Die Ereignisse verlaufen nicht geradlinig, wie man es sich wünschen würde, sondern im Zickzack, und der Krieg bildet in dieser Hinsicht keine Ausnahme. Nur Formalisten sind nicht fähig, diese Wahrheit zu begreifen.

110. Meiner Ansicht nach gilt das eben Gesagte auch für die Entscheidungskämpfe in der Etappe der strategischen Gegenoffensive. Obgleich der Gegner dann der Unterlegene sein wird und wir der Überlegene, bleibt das Prinzip „Entscheidungskämpfe unter günstigen Bedingungen führen und unter ungünstigen vermeiden“ noch immer in Kraft und wird in Kraft bleiben, bis wir uns zum Ufer des Yalu-Flusses durchgekämpft haben. Auf diese Weise werden wir von Anfang bis Ende die Initiative behalten können. Wenn uns der Gegner „in die Schranken fordert“ oder abseits Stehende unseren „Ehrgeiz anstacheln“, müssen wir darüber hinwegsehen, ruhig Blut bewahren, völlig ungerührt bleiben. Nur jene Befehlshaber im Widerstandskrieg, die eine solche Charakterfestigkeit zeigen, können als mutig und weise gelten. Wer „aufspringt, sobald man ihn berührt“, verdient diese Bezeichnung nicht. In der ersten Etappe des Krieges befinden wir uns in gewissem Maße in einer strategisch passiven Lage, nichtsdestoweniger müssen wir in allen Schlachten die Initiative innehaben; und auch in jeder der kommenden Etappen müssen wir die Initiative in unseren Händen behalten. Wir sind für einen langwierigen Krieg und wollen den Endsieg; wir sind keine Glücksspieler, die alles auf eine Karte setzen.

ARMEE UND VOLK – DIE GRUNDLAGE DES SIEGES

111. Dem revolutionären China gegenüber werden die japanischen Imperialisten bei ihren Angriffsaktionen und Unterdrückungsmaßnahmen nicht im geringsten nachlassen; das ist durch das Wesen des japanischen Imperialismus selbst bedingt. Leistet China keinen Widerstand, wird Japan sofort, ohne einen einzigen Schuß, das ganze Land mühelos besetzen. Als Beispiel kann der Verlust der vier nordöstlichen Provinzen dienen. Leistet China Widerstand, wird Japan versuchen, diesen Widerstand zu brechen, und seine Versuche so lange nicht einstellen, bis die Widerstandskraft Chinas die Kraft, die sie brechen soll, übertrifft. Das ist ein unwiderlegbares Gesetz. Die Eroberungsgelüste der japanischen Grundherrenklasse und der japanischen Bourgeoisie sind sehr groß. Um im Süden den Malaischen Archipel und im Norden Sibirien anzugreifen, haben sie den Kurs gewählt, im Zentrum eine Bresche zu schlagen, indem sie zunächst den Schlag gegen China führen. Alle, die da annehmen, Japan werde sich mit der Besetzung Nordchinas und der Provinzen Kiangsi und Tschekiang zufriedengeben und dann stehenbleiben, übersehen ganz und gar die Tatsache, daß das imperialistische Japan, das in ein neues Entwicklungsstadium getreten ist und sich seinem Untergang nähert, nicht mehr das frühere Japan ist. Wenn wir sagen, daß es eine Grenze für die Stärke der Truppen, die Japan einsetzen kann, und eine äußerste Linie gibt, über die hinaus es nicht vorrücken kann, so meinen wir damit: erstens, daß Japan, da es zum Angriff in anderen Richtungen und zur Verteidigung gegen seine anderen Gegner rüstet, von den Kräften, über die es verfügt, nur eine bestimmte Anzahl Truppen nach China zu schicken vermag, die hier nur so weit vorrücken können, wie es seine Kräfte erlauben; zweitens, daß China seinen Fortschritt und seine Fähigkeit zum hartnäckigen Widerstand gezeigt hat und es unvorstellbar ist, daß Japan allein einen wütenden Angriff führen würde, während China für den Widerstand nicht die erforderlichen Kräfte hätte. Japan wird nicht ganz China besetzen können, aber überall, wohin der Gegner vorzudringen vermag, wird er keine Anstrengungen scheuen, den Widerstand Chinas zu brechen, wobei er seinen Druck nicht eher einstellen wird, als der japanische Imperialismus kraft der inneren und internationalen Bedingungen unmittelbar in die Krise gerät, die ihm das Grab schaufeln wird. Für die Innenpolitik Japans gibt es nur zwei Wege: Entweder werden die herrschenden Klassen insgesamt einen raschen Zusammenbruch erleiden und die Macht wird an das Volk übergehen, was die Einstellung des Krieges zur Folge hätte – eine solche Möglichkeit besteht aber vorläufig nicht; oder die Faschisierung der Grundherrenklasse und der Bourgeoisie wird von Tag zu Tag fortschreiten, und sie werden den Krieg bis zu dem Tag ihres Zusammenbruchs fortsetzen – das eben ist der Weg, den Japan jetzt geht. Einen dritten Weg gibt es nicht. Die Hoffnung, daß die gemäßigten Kreise der japanischen Bourgeoisie eingreifen und dem Krieg Einhalt gebieten werden, ist eine pure Illusion. Die gemäßigten Kreise der Bourgeoisie Japans sind bereits zu Gefangenen der japanischen Grundherren und Finanzmagnaten geworden. Das ist die reale politische Lage, wie sie in Japan bereits seit vielen Jahren besteht. Nachdem Japan den Krieg gegen China begonnen hat, wird es, wenn China ihm in seinem Widerstandskrieg nicht den tödlichen Schlag versetzt und wenn Japan noch genügend Kräfte behält, unweigerlich versuchen, die Offensive gegen die Länder Südostasiens oder gegen Sibirien oder möglicherweise sogar in beiden Richtungen zu beginnen. Sobald in Europa ein Krieg ausbricht, wird Japan diese Schritte unternehmen, denn die japanischen Machthaber bauen sich enorme Luftschlösser. Natürlich besteht auch die Möglichkeit, daß Japan angesichts der Stärke der Sowjetunion und seiner beträchtlichen Schwächung im Krieg gegen China auf den ursprünglichen Plan eines Angriffs gegen Sibirien verzichten müssen und in dieser Richtung eine grundsätzlich defensive Position beziehen wird. In diesem Falle wird Japan jedoch in seiner Offensive gegen China nicht nachlassen, sondern sie im Gegenteil noch intensivieren, da ihm kein anderer Weg übrigbliebe, als den Schwachen zu verschlingen. Dann käme der Aufgabe Chinas, am Widerstandskrieg, an der Einheitsfront und am Kurs auf einen langwierigen Krieg konsequent festzuhalten, ein noch größeres Gewicht zu und wäre das geringste Nachlassen in unseren Anstrengungen um so weniger zulässig.
112. In einer solchen Lage ist die Hauptbedingung für den Sieg Chinas über Japan der Zusammenschluß des ganzen Landes und ein zehnmal oder sogar hundertmal größerer Fortschritt auf allen Gebieten als bisher. China befindet sich bereits in einer Epoche des Fortschritts und hat bereits einen beispiellosen Zusammenschluß erreicht, aber der Grad dieses Fortschritts und Zusammenschlusses ist heute noch sehr ungenügend. Wenn Japan ein so riesiges Territorium besetzen konnte, dann ist das einerseits auf seine Stärke und andererseits auf die Schwäche Chinas zurückzuführen; diese Schwäche ist die Folge aller möglichen, im Laufe von hundert Jahren und insbesondere im letzten Jahrzehnt angehäuften Fehler, die den Fortschritt Chinas auf seinem derzeitigen Stand halten. Ohne langdauernde Anstrengungen in breitem Umfang ist es jetzt unmöglich, einen so starken Feind zu besiegen. Diese Anstrengungen sind für viele Dinge erforderlich, von denen ich hier nur die beiden wichtigsten herausgreife: den Fortschritt, den die Armee, und den Fortschritt, den das Volk zu machen hat.
113. Die Reform des Militärsystems darf man nicht von der Modernisierung der Armee und der Verbesserung ihrer technischen Ausrüstung trennen; sonst wird es unmöglich sein, den Gegner über den Yalu-Fluß zu treiben. Für den Einsatz der Truppen muß man eine fortschrittliche, flexible Strategie und Taktik anwenden; sonst wird es ebenfalls unmöglich sein, den Sieg zu erringen. Aber das Fundament der Armee sind die Soldaten; wenn die Armee nicht von einem fortschrittlichen politischen Geist erfüllt ist und wenn dieser Geist nicht durch eine fortschrittliche politische Arbeit gepflegt wird, dann ist es unmöglich, eine echte Einheit zwischen Offizieren und Soldaten herbeizuführen, die Offiziere und Soldaten zu höchster 
Begeisterung für den Widerstandskrieg anzufeuern und allen technischen und taktischen Mitteln die bestmögliche Grundlage zu geben, auf der sich ihre größte Wirksamkeit entfalten kann. Wenn wir sagen, daß Japan trotz seiner technischen Überlegenheit dennoch letzten Endes unbedingt eine Niederlage erleiden wird, so haben wir neben den Schlägen, die wir dem Gegner durch unsere Vernichtungs- und Zermürbungskämpfe versetzen, auch noch den Umstand im Auge, daß die Kampfmoral seiner Armee unbedingt allmählich unter unseren Schlägen erschüttert wird und daß die Kampfmoral der Truppen ihren Waffen nicht ebenbürtig ist. Bei uns aber ist die Lage umgekehrt: Offiziere und Soldaten haben ein gemeinsames politisches Ziel im Widerstandskrieg. Somit haben wir eine Grundlage für die politische Arbeit in allen Armeen, die gegen die japanische Aggression kämpfen. Die Armee muß bis zu einem bestimmten Grad eine Demokratisierung vornehmen, die in der Hauptsache darin besteht, das feudale Schimpf- und Prügelsystem abzuschaffen und zu erreichen, daß Offiziere und Soldaten Wohl und Wehe miteinander teilen. Wird das verwirklicht, dann wird die Einheit zwischen Offizieren und Soldaten hergestellt sein, wird sich die Kampfkraft der Truppen bedeutend steigern und wird kein Zweifel daran bestehen, daß wir den langen und erbitterten Krieg aushalten können.
114. Die stärkste Kraftquelle für die Kriegführung liegt in den Volksmassen. Japan wagt es hauptsächlich deshalb, uns zu terrorisieren, weil die Volksmassen Chinas unorganisiert sind. Wenn dieser Mangel behoben ist, dann wird der japanische Aggressor von unserem Hunderte Millionen zählenden Volk, das sich erhoben hat, eingekreist sein – wie ein tollwütiger Stier, der in einen Feuerring geraten ist; wir brauchen ihn nur anzuschreien, und das wird ihm bereits Furcht und Schrecken einjagen; dieser Stier wird unentrinnbar in den Flammen umkommen. China braucht einen ununterbrochenen Strom von Verstärkungen für die Armee; die jetzt allerorts bestehende unsinnige Praxis der Rekrutierung durch das „Einfangen“ und „Kaufen“ von Soldaten [25] ist unverzüglich zu verbieten und durch eine breite und leidenschaftliche politische Aufklärung zu ersetzen; dann wird es leicht sein, nötigenfalls Millionen von Menschen in die Armee einzuberufen. Im Verlauf des Widerstandskriegs haben wir große finanzielle Schwierigkeiten, aber wenn die Volksmassen erst einmal mobilisiert sind, werden auch die Finanzen kein Problem mehr für uns sein. Ist es denn möglich, daß ein Staat, der über ein so riesiges Territorium und über eine so große Bevölkerung verfügt, an Geldarmut leidet?
Die Armee muß mit dem Volk zu einem Ganzen verschmelzen, so daß sie vom Volk als seine eigene Armee angesehen wird. Eine solche Armee wird unbesiegbar sein und bei weitem genug Kräfte haben, um eine imperialistische Macht wie Japan zu zerschlagen.
115. Wenn es vielen Leuten nicht gelungen ist, die Beziehungen zwischen Offizieren und Soldaten, zwischen der Armee und den Volksmassen gut zu regeln, meinen sie, es liege an unrichtigen Methoden; ich sage ihnen aber immer, daß es sich um die grundlegende Einstellung (oder das grundlegende Prinzip) handelt, nämlich darum, ob man Achtung vor den Soldaten, vor dem Volk hat. Aus dieser Einstellung ergeben sich dann die verschiedenen politischen Richtlinien, Methoden und Handlungsweisen. Kommt man von dieser Einstellung ab, dann sind falsche politische Richtlinien, falsche Methoden und Handlungsweisen die unausbleibliche Folge, dann wird man auf keinen Fall die Beziehungen zwischen Offizieren und Soldaten sowie zwischen Armee und Volk gut regeln können. Für die politische Arbeit in der Armee gelten drei bedeutsame Grundsätze: erstens, Einheit zwischen Offizieren und Soldaten, zweitens, Einheit von Armee und Volk, drittens, Zersetzung der feindlichen Armee. Um diese Grundsätze wirksam in die Tat umzusetzen, muß man von der grundlegenden Einstellung ausgehen, nämlich der Achtung vor den Soldaten, der Achtung vor dem Volk und der Achtung vor der Menschenwürde der Kriegsgefangenen, die ihre Waffen gestreckt haben. Jene Leute, die das nicht für eine Frage der Grundeinstellung, sondern für eine technische Frage halten, befinden sich fürwahr im Unrecht, und sie müssen ihre Ansicht korrigieren.
116. Im gegenwärtigen Augenblick, da die Verteidigung von Wuhan und anderen Punkten so dringend geworden ist, wird es zu unserer wichtigsten Aufgabe, die Aktivität der gesamten Armee und des ganzen Volkes zur Unterstützung des Krieges voll zu entfalten. Es ist ohne jeden Zweifel notwendig, die Aufgabe der Verteidigung Wuhans und anderer Orte mit allem Ernst zu stellen und zu erfüllen. Die Frage, ob wir diese Orte fest in unserer Hand behalten können, wird jedoch letzten Endes nicht durch den subjektiven Wunsch, sondern durch die konkreten Bedingungen entschieden. Eine der wichtigsten konkreten Bedingungen ist die politische Mobilisierung der gesamten Armee und des ganzen Volkes zum Kampf. Wenn nicht alle Anstrengungen gemacht werden, die hierfür notwendigen Bedingungen zu schaffen, ja selbst wenn auch nur eine einzige dieser Bedingungen fehlt, werden wir unvermeidlich solche Fehler, die zum
Verlust von Nanking und anderen Orten geführt haben, wiederholen. Wo das chinesische Madrid sein wird, hängt davon ab, ob dort die gleichen Bedingungen wie in Madrid geschaffen sein werden. In der Vergangenheit gab es bei uns nicht ein einziges Madrid, künftighin aber müssen wir uns bemühen, mehrere Madrids zu schaffen. Die Möglichkeit dafür wird aber voll und ganz von den Bedingungen abhängen. Und die wesentlichste dieser Bedingungen ist die breite politische Mobilisierung der gesamten Armee und des gesamten Volkes.
117. In unserer ganzen Arbeit müssen wir an dem auf der antijapanischen nationalen Einheitsfront beruhenden allgemeinen Kurs festhalten, denn nur dieser Kurs sichert die Möglichkeit, im Widerstandskrieg gegen die japanische Aggression auszuharren und den langwierigen Krieg durchzuhalten, die Möglichkeit, eine allseitige und durchgreifende Verbesserung der Beziehungen zwischen Offizieren und Soldaten sowie zwischen Armee und Volk durchzusetzen, die Möglichkeit, die Aktivität der gesamten Armee und des gesamten Volkes zur Verteidigung aller noch verbliebenen Gebiete und zur Rückgewinnung aller verlorenen Territorien restlos zu entfalten, und schließlich die Möglichkeit, den endgültigen Sieg zu erringen.
118. Diese politische Mobilisierung der Armee und des Volkes ist eine wirklich außerordentlich wichtige Sache. Wir kommen, ohne Wiederholungen zu scheuen, immer wieder darauf zurück, eben weil man ohne eine solche Mobilisierung unmöglich siegen kann. Es gibt natürlich noch viele andere unerläßliche Voraussetzungen, bei deren Fehlen es auch unmöglich ist zu siegen, aber diese Bedingung ist die fundamentalste Grundlage des Sieges. Die antijapanische nationale Einheitsfront ist die Einheitsfront der gesamten Armee und des gesamten Volkes und keineswegs die Einheitsfront allein der Parteikomitees und der Mitglieder einiger weniger politischer Parteien. Das Hauptziel, wofür die antijapanische nationale Einheitsfront geschaffen wird, ist die Mobilisierung der gesamten Armee und des gesamten Volkes zur Teilnahme an dieser Front.

 

SCHLUSSFOLGERUNGEN

119. Was sind die Schlußfolgerungen? Die Schlußfolgerungen lauten: „Unter welchen Bedingungen kann China die Kräfte des japanischen Imperialismus besiegen und vernichten? Drei Bedingungen sind notwendig: erstens Schaffung einer antijapanischen Einheitsfront in China; zweitens Schaffung einer internationalen antijapanischen Einheitsfront; drittens Aufschwung der revolutionären Bewegung des japanischen Volkes und der Völker der japanischen Kolonien. Vom Standpunkt des chinesischen Volkes aus ist der große Zusammenschluß des chinesischen Volkes selbst die wichtigste von diesen drei Bedingungen.“ „Wie lange wird dieser Krieg dauern? Das hängt von der Stärke der antijapanischen Einheitsfront in China sowie von vielen anderen entscheidenden Faktoren in China und in Japan ab.“ „Wenn aber diese Bedingungen nicht in kurzer Zeit verwirklicht werden, dann wird sich der Krieg in die Länge ziehen, das Ergebnis jedoch wird das gleiche sein: Japan wird eine Niederlage erleiden, und China wird siegen – nur werden in diesem Fall die Opfer größer sein, und wir werden eine Periode schwerer Leiden durchmachen müssen.“ „Unser strategischer Kurs muß darin bestehen, unsere Hauptstreitmacht zu Operationen auf einer sehr langgestreckten und beweglichen Kampflinie einzusetzen. Um Siege zu erringen, muß die chinesische Armee einen Krieg von hochgradiger Beweglichkeit auf einem ausgedehnten Kriegsschauplatz führen.“ „Neben dem Einsatz ausgebildeter Truppen zur Führung des Bewegungskriegs müssen wir zahlreiche Partisanenabteilungen aus den Reihen der Bauern aufstellen.“ „Im Verlauf des Krieges wird . . . sich die Bewaffnung der chinesischen Armee nach und nach verbessern. Daher wird China in der letzten Periode des Krieges in der Lage sein, zum Stellungskrieg überzugehen und die Stellungen der Japaner auf dem von ihnen besetzten Territorium anzugreifen. So wird die Wirtschaft Japans infolge seiner langdauernden Erschöpfung durch den chinesischen Widerstandskrieg zusammenbrechen, während die Moral der japanischen Truppen in unzähligen aufreibenden Kämpfen gebrochen sein wird. Was jedoch China anbelangt, so werden seine potentiellen Widerstandskräfte von Tag zu Tag anwachsen und einen Aufschwung erfahren, und die revolutionären Volksmassen werden in einem ununterbrochenen, mächtigen Strom an die Front treiben und für die Freiheit kämpfen. In Verbindung mit anderen Faktoren werden all diese Faktoren es uns ermöglichen, einen endgültigen, vernichtenden Schlag gegen die Befestigungen und Stützpunkte in den von Japan besetzten Gebieten zu führen und die japanischen Aggressionstruppen aus China zu vertreiben.“ (Aus dem Gespräch mit Edgar Snow im Juli 1936.) „In der politischen Lage Chinas hat somit ein neues Stadium begonnen . . : Die zentrale Aufgabe im gegenwärtigen Stadium besteht darin, alle Kräfte zur Erringung des Sieges im Widerstandskrieg zu mobilisieren.“ „Der Schlüssel zum Sieg im Widerstandskrieg ist die Entfaltung des bereits begonnenen Widerstands zu einem totalen Widerstand der ganzen Nation. Nur durch einen solchen totalen Widerstandskrieg der ganzen Nation werden wir den endgültigen Sieg erringen können.“ „Infolge der ernsten Schwäche im gegenwärtigen Widerstandskrieg kann es im weiteren Verlauf des Krieges viele Rückschläge, Rückzüge, innere Spaltungen und Verräterei, zeitweilige und teilweise Kompromisse sowie andere ungünstige Zustände geben. Man muß daher einsehen, daß dieser Widerstandskrieg ein schwerer langwieriger Krieg sein wird. Aber wir sind überzeugt, daß der bereits ins Rollen gekommene Widerstandskrieg dank den Bemühungen unserer Partei und des ganzen Volkes alle Hindernisse hinwegfegen, weiterhin vorwärtsschreiten und sich entwickeln wird.“ (Aus dem „Beschluß des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Chinas über die gegenwärtige Lage und die Aufgaben der Partei“ vom August 1937.) Das sind die Schlußfolgerungen. In den Augen der Anhänger der Theorie von der unvermeidlichen Unterjochung Chinas ist der Gegner übernatürlich stark, während ihnen China unbedeutend wie ein Grashalm erscheint. Die Anhänger der Theorie vom raschen Sieg halten umgekehrt den Gegner für einen unbedeutenden Grashalm, während ihnen China übernatürlich stark erscheint. Die einen wie die anderen haben unrecht. Wir sind einer von Grund auf anderen Meinung als diese und als jene: Der Widerstandskrieg gegen die japanische Aggression wird ein langwieriger Krieg sein, und der endgültige Sieg wird China gehören – das ist unsere Schlußfolgerung.
120. Damit beende ich meine Vorlesungen. Im gegebenen Augenblick, da sich der große Widerstandskrieg gegen die japanische Aggression entfaltet, wünschen sich sehr viele Leute eine Verallgemeinerung der vorhandenen Erfahrungen, um sie für die Erringung des vollen Sieges auszuwerten. Das, was ich hier vorgetragen habe, ist nichts als das Allgemeine, das sich aus den Erfahrungen der abgelaufenen zehn Monate ableitet; wenn man will, kann man das als eine gewisse Verallgemeinerung betrachten. Die von mir aufgeworfenen Fragen verdienen allgemeine Beachtung und breite Erörterung. Ich habe nur einen allgemeinen Überblick über diese Fragen gegeben und hoffe, daß sie die anwesenden Genossen studieren und diskutieren werden, daß ihr eure Korrekturen und Ergänzungen vornehmen werdet.


ANMERKUNGEN

* Diese Arbeit ist eine Reihe von Vorlesungen, die Genosse Mao Tse-tung in der Zeit vom 26. Mai bis 3. Juni 1938 vor der Gesellschaft zum Studium der Probleme des Widerstandskriegs gegen die japanischen Eindringlinge in Yenan gehalten hat.

1) Die Theorie von der unvermeidlichen Unterjochung Chinas brachte die Ansichten der Kuomintang zum Ausdruck. Die Kuomintang wollte sich den japanischen Eindringlingen nicht widersetzen, und nur unter Druck begann sie später, Widerstand zu leisten. Als nach den Ereignissen bei Lugoutjiao die Tschiangkaischek-Gruppe widerwillig am Widerstandskrieg gegen Japan teilnahm, vertrat die Gruppe um Wang Djing-we die Theorie von der unvermeidlichen Unterjochung Chinas und war bereit, vor Japan zu kapitulieren, was sie später auch tatsächlich getan hat. Aber die Vorstellung von einer unvermeidlichen Unterjochung Chinas war nicht nur in der Kuomintang verbreitet, sondern beeinflußte auch einige Mittelschichten der Gesellschaft und sogar einen rückständigen Teil der Werktätigen. Das erklärte sich daraus, daß die Kuomintang-Regierung verfault und untauglich war und im Krieg eine Niederlage nach der anderen erlitt, während die japanische Armee unaufhaltsam vorstürmte und gleich im ersten Jahr des Krieges bis in die Nähe von Wuhan gelangte; das alles rief bei einem rückständigen Teil der Bevölkerung äußerst pessimistische Stimmungen hervor.

2) Diese Ansichten gab es in den Reihen der Kommunistischen Partei Chinas. In den ersten sechs Monaten des Krieges gegen die japanischen Eindringlinge herrschte in der Partei die Tendenz, die Kräfte des Gegners zu unterschätzen; es wurde die Meinung vertreten, daß Japan nicht einem einzigen Schlag standhalten würde. Man bestand nicht deshalb auf dieser Meinung, weil man die von der Kommunistischen Partei geleiteten Truppen und die organisierten Kräfte der Volksmassen für sehr groß gehalten hätte – man wußte, daß diese Kräfte damals noch gering waren -, sondern weil man annahm, daß die Kuomintang, die am Widerstand gegen die japanischen Eindringlinge teilnahm, über große Kräfte verfügte, die gemeinsam mit der Kommunistischen Partei den japanischen Eindringlingen erfolgreich Schläge versetzen könnten. Diese Leute sahen nur die eine Seite der Sache – die zeitweilige Teilnahme der Kuomintang am Widerstand gegen Japan, vergaßen aber die andere Seite, nämlich daß die Kuomintang reaktionär und morsch war; daher gelangten sie zu einer falschen Einschätzung.

3) Das war der Standpunkt von Tschiang Kai-schek und anderen. Einmal gezwungen, den Widerstandskrieg gegen die japanischen Eindringlinge zu führen, setzten Tschiang Kai-schek und die Kuomintang, die nicht an die eigenen Kräfte und schon gar nicht an die Kräfte des Volkes glaubten, alle ihre Hoffnungen auf eine baldige Hilfe vom Ausland.

4) Taiörldschuang ist ein Marktflecken im Südteil der Provinz Schantung. Im März 1938 kam es im Raum von Taiörldschuang zu einer Schlacht zwischen den chinesischen Truppen und der japanischen Aggressionsarmee. Der japanischen Armee, die 70 000 bis 80 000 Mann zählte, stand eine 400 000 Mann starke chinesische Armee gegenüber, und infolgedessen errang China den Sieg.

5) Diese Ansicht wurde in einem Leitartikel der Zeitung Dagung Bao vertreten; des damaligen Organs der Kuomintang-Gruppe „Politische Wissenschaft“. Die Anhänger dieser Gruppe machten den Wunsch zum Vater des Gedankens und nahmen an, man könnte durch einige siegreiche Schlachten wie die bei Taiörldschuang die japanischen Truppen zum Stehen bringen, so daß es zu vermeiden sein würde, die Kräfte des Volkes für einen langwierigen Krieg zu mobilisieren, was die Sicherheit ihrer eigenen Klasse gefährden mußte. Die ganze Kuomintang war damals von solchen Illusionen beherrscht.

6) Seit Ende des 18. Jahrhunderts führte Großbritannien jahrzehntelang immer gröbere Mengen Opium nach China aus. Die Einfuhr dieses Rauschgifts fügte dem chinesischen Volk großen Schaden zu und entzog China eine gewaltige Menge Silber. Daher widersetzte sich China diesem Opiumhandel. Unter dem Vorwand, den Handel zu schützen, setzte die britische Regierung 1840 ihre Truppen zur Aggression gegen China ein. Die chinesische Armee leistete unter Führung Lin Dsö-hsüs Widerstand. Die Bevölkerung Kantons organisierte aus eigener Initiative das „Korps zur Niederwerfung der Engländer“ und erteilte der englischen Aggressionsarmee empfindliche Schläge. Die morsche Regierung der Tjing-Dynastie schloß 1842 mit den englischen Aggressoren den „Vertrag von Nanking“, der vorsah, daß China nicht nur eine Entschädigung zu zahlen, Hongkong abzutreten, sondern auch Schanghai, Fudschou, Amoy, Ningpo und Kanton als Handelshäfen zu öffnen hatte. Überdies wurde bestimmt, daß die chinesischen Einfuhrzölle für englische Waren von China und England gemeinsam festgesetzt werden sollten.

7) Gemeint ist die im Jahre 1898 entstandene Reformbewegung. Diese Bewegung, an deren Spitze Kang Yu-we, Liang Tji-tschao, Tan Si-tung und andere standen, repräsentierte die Interessen der liberalen Bourgeoisie und der aufgeklärten Grundherren. Sie wurde vom Kaiser Guanghsü begünstigt und unterstützt; ihr fehlte aber eine Massenbasis. Yüan Schi-kai, der damals über militärische Machtmittel verfügte, verriet die geheimen Pläne der Reformer an die Kaiserinwitwe Tsihsi, die an der Spitze der Ultrakonservativen stand. Tsihsi riß nun die Macht erneut an sich, ließ den Kaiser Guanghsü einsperren und Tan Si-tung sowie weitere fünf Reformer hinrichten. Damit fand diese Bewegung ein tragisches Ende.

8) Am 16. Januar 1938 veröffentlichte das japanische Kabinett eine Erklärung, in der es den Kurs auf die Unterjochung Chinas mit Waffengewalt verkündete; gleichzeitig setzte das japanische Kabinett die Kuomintang-Regierung unter Druck und forderte sie durch Verlockungen zur Kapitulation auf, wobei es erklärte, die japanische Regierung würde, falls die Kuomintang-Regierung „weiterhin den Widerstandskrieg inspiriere“, in China ein neues Regime von Marionetten einsetzen und die Kuomintang-Regierung nicht mehr als „Partner ` für Verhandlungen betrachten.

9) Gemeint sind hauptsächlich die Vereinigten Staaten von Amerika.

10) Gemeint sind die Regierungen der imperialistischen Staaten England, USA und Frankreich.

11) Die Voraussage des Genossen Mao Tse-tung, daß sich die Lage Chinas in der Etappe des Gleichgewichts im Widerstandskrieg zum Besseren wenden könne, ist in den befreiten Gebieten, die unter Führung der Kommunistischen Partei Chinas standen, voll und ganz zur Wirklichkeit geworden. In den Kuomintang-Gebieten dagegen erfuhr die Lage nicht nur keine Verbesserung, sondern, im Gegenteil, eine Verschlechterung, weil die herrschende Clique mit Tschiang Kai-schek an der Spitze hinsichtlich des Widerstands gegen Japan eine passive Haltung einnahm, hingegen im Kampf gegen die Kommunistische Partei, gegen das Volk aktiv war. Das aber löste eine Opposition der breiten Volksmassen aus und ließ deren politisches Bewußtsein wachsen. Siehe auch die von Genossen Mao Tse-tung in der Arbeit „Über die Koalitionsregierung“ (Ausgewählte Werke Mao Tse-tungs, Bd. III) gegebene Analyse dieses Tatbestands.

12) Die Anhänger der „Theorie von der Allmacht der Waffen“ waren der Meinung, daß China, da es Japan hinsichtlich der Bewaffnung nachstehe, im Krieg unbedingt eine Niederlage erleiden werde. Diese Ansicht teilten alle Anführer der reaktionären Kuomintang-Clique (einschließlich Tschiang Kai-scheks).

13) Buddha (Sakyamuni) – Begründer der buddhistischen Religion. Sun Wu-kung; der Held des aus dem 16. Jahrhundert stammenden mythologischen chinesischen Romans Die Pilgerfahrt nach dem Westen, war ein Affe, der die Fähigkeit besaß, mit einem Purzelbaum 108 000 Li zurückzulegen. Von der Handfläche Buddhas konnte er aber, soviel Purzelbäume er auch schlug, nicht fortkommen. Mehr noch, Buddha drehte seine Handfläche nach unten und verwandelte seine Finger in fünf miteinander verbundene Bergketten, die Sun Wu-kung zu Boden drückten.

14) Auf dem VII. Kongreß der Kommunistischen Internationale im August 1935 sagte Genosse Dimitroff in seinem Bericht, der den Titel „Die Offensive des Faschismus und die Aufgaben der Kommunistischen Internationale im Kampf für die Einheit der Arbeiterklasse gegen den Faschismus“ trug, u. a.: „Der Faschismus – das ist zügellosester Chauvinismus und Raubkrieg.“ Im Juli 1937 veröffentlichte er einen Artikel unter der Überschrift „Faschismus ist Krieg“.

15) Vgl. W. I. Lenin, Sozialismus und Krieg, Kapitel I, und Der Zusammenbruch der 2. Internationale, Abschnitt 3.

16) Siehe Sun Dsi, Kapitel III, „Planung des Angriffs“.

17) Tschengpu liegt im heutigen Kreis Fanhsiän in der Provinz Honan. Im Jahre 632 v. u. Z. kam es hier zu einer großen Schlacht zwischen den Truppen der Staaten Djin und Tschu. Zu Beginn der Schlacht gewann die Armee Tschus die Oberhand. Die Djin-Armee zog sich 90 Li zurück, wählte die schwachen Stellen der Tschu-Armee, nämlich deren rechte und linke Flanke, zum Ziel und führte gegen diese heftige Schläge, wodurch die Tschu-Armee eine schwere Niederlage erlitt.

18) Im Jahre 204 v. u. Z. führte Han Hsin, ein Heerführer des Staates Han, seine Truppen in eine große Schlacht gegen Dschao Hsiä bei Djinghsing. Dschao Hsiäs Armee war, wie es hieß, 200000 Mann stark, zählte also ein Vielfaches der Armee des Staates Han. Han Hsin stellte seine Truppen so auf, daß sie einen FIuß im Rücken hatten, führte sie in einen heldenhaften Kampf und sandte gleichzeitig Truppen aus, die das schwach geschützte feindliche Hinterland angriffen und eroberten, so daß Dschao Hsiäs Truppen in die Zange genommen waren und eine schwere Niederlage erlitten.

19) Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts führte Napoleon Kriege gegen England, Preußen, Österreich, Rußland und viele andere europäische Staaten. In zahlreichen Feldzügen konnte es die Armee Napoleons zahlenmäßig mit den Armeen seiner Feinde nicht aufnehmen, errang aber nichtsdestoweniger stets den Sieg.

20) Im Jahre 383 zog Fu Djiän, der Herrscher des Staates Tjin, ins Feld und überfiel den Staat Djin, dessen Streitkräfte er unterschätzt hatte. Die Djin-Armee brachte am Luodjiän-Fluß im Kreis Schouyang in der Provinz Anhui der Vorhut der Tjin-Armee eine Niederlage bei und setzte sodann den Vormarsch zu Wasser und zu Land fort. Fu Djiän bestieg die Mauer der Stadt Schouyang und hielt Ausschau. Er sah, daß die Djin-Armee in voller Schlachtordnung Aufstellung genommen hatte. Als er sodann auf den Bagung-Berg blickte, hielt er jeden Busch und jeden Baum für einen Soldaten Djins; in der Annahme, einen mächtigen Gegner vor sich zu haben, geriet et in Furcht. Vgl. auch „Strategische Probleme des revolutionären Krieges in China“, Anm. 28, Ausgewählte Werke Mao Tse-tungs, Bd. I, S. 296 f.

21) Gemeint ist die Tatsache, daß Tschiang Kai-schek, Wang Djing-we und andere im Jahre 1927 die erste nationale demokratische Einheitsfront zwischen der Kuomintang und der Kommunistischen Partei verrieten und einen zehnjährigen Krieg gegen das Volk führten, wodurch das chinesische Volk der Möglichkeit beraubt wurde, sich umfassend zu organisieren. Die Verantwortung für diesen historischen Fehler trägt die reaktionäre Kuomintang-Clique mit Tschiang Kai-schek an der Spitze.

22) Der Herzog Hsiang war Herrscher des Staates Sung in der Frühlings- und Herbstperiode im 7. Jahrhundert v. u. Z. Im Jahre 638 v. u. Z. führte der Staat Sung einen Krieg gegen den starken Staat Tschu. Die Truppen Sungs waren bereits in Schlachtordnung aufgestellt, als die Tschu-Armee noch dabei war, über einen FIuß zu setzen. Einer der Würdenträger von Sung, der wußte, daß Tschu viele, Sung aber wenige Truppen hatte, schlug vor, den Augenblick zu nutzen und die Tschu-Truppen anzugreifen, solange diese mit dem Hinübersetzen noch nicht fertig waren. Aber der Herzog Hsiang antwortete: „Das geht nicht, ein edler Mann überfällt einen Menschen nicht im Augenblick, da dieser sich in Schwierigkeiten befindet.“ Als die Truppen Tschus den Fluß überquert hatten, aber noch nicht in Schlachtordnung aufgestellt waren, schlug der Würdenträger abermals vor, die Tschu-Armee anzugreifen. Hsiang antwortete wieder: „Das geht nicht, ein edler Mann überfällt keine Truppen, die sich nicht in Schlachtordnung aufgestellt haben.“ Erst als die Tschu-Truppen völlig kampfbereit waren, gab der Herzog Hsiang den Befehl zum Angriff. Das Ergebnis war, daß der Staat Sung eine schwere Niederlage erlitt und der Herzog Hsiang selbst verwundet wurde.

23) Im Jahre 1937 rückte die japanische Aggressionsarmee, nachdem sie Peiping und Tientsin besetzt hatte, an der Eisenbahnlinie Tientsin-Pukou entlang nach dem Süden vor und führte den Angriff gegen die Provinz Schantung. Der Kuomintang-Militärdiktator Han Fu-djü, der viele Jahre in der Provinz Schantung geherrscht hatte, flüchtete, ohne dem Feind auch nur eine einzige Schlacht geliefert zu haben, in die Provinz Honan.

24) Im Jahre 1813 überfiel Napoleon mit einer 500 000 Mann starken Armee Rußland. Die russische Armee gab Moskau auf, setzte es in Brand und brachte die Armee Napoleons in eine ausweglose Lage, in der sie dem Hunger, der Kälte und allen möglichen Schwierigkeiten und Entbehrungen, der Zerstörung ihrer Nachschublinien und Einkreisungen ausgesetzt war, so daß Napoleon seine Armee zurückführen mußte. Die russische Armee nutzte diesen Moment aus, um zur Gegenoffensive überzugehen, und nur etwas über 20000 Soldaten der ganzen Armee Napoleons gelang es zu entkommen.

25) Die Kuomintang erweiterte ihre Armee in folgender Weise: In alle Richtungen wurden Truppen und Polizei ausgeschickt, die Menschen aufgriffen und zwangsweise in die Armee steckten. Die auf solche Weise Aufgegriffenen wurden wie Verbrecher mit Stricken gefesselt. Wer Geld hatte, konnte die Beamten der Kuomintang bestechen und einen Ersatzmann als Rekruten kaufen.