Der Aufstand in Hamburg

Der hier publizierte Text ist ein Auszug aus dem Buch „Der bewaffnete Aufstand“. Dieses Buch wurde von einem Autorenkollektiv der Kommunistischen Internationale 1928 unter dem Pseudonym „A. Neuberg“ geschrieben und veröffentlicht. Das Buch analysiert die Erfahrungen der bewaffneten Aufstände des Proletariats in unterschiedlichen Ländern und versucht dabei Schlussfolgerungen zu ziehen und die jeweiligen Lehren zu verallgemeinern, um die proletarische Militärtheorie zu bereichern. Das hier vorliegende Kapitel „Der Aufstand in Hamburg“ beschäftigt sich mit ausgiebig mit dem Hamburger Aufstand und legt vor allem einen detaillierten Ablauf der Geschehnisse dar.

Der Aufstand in Hamburg

Karte von Hamburg – 1923

(Siehe Skizze 2) Die allgemeine Lage in Deutschland im Jahre 1923

Die wirtschaftliche und politische Lage Deutschlands im Jahre 1923 war durch folgende Hauptmomente gekennzeichnet:

Die (im Januar 1923) erfolgte Besetzung des Ruhrgebietes und des Rheinlandes hat Deutschland der hauptsächlichsten lebenswichtigsten Grundlagen seiner Wirtschaft beraubt: 80 Prozent der Eisen- und Stahlerzeugung und 71 Prozent der Kohlenförderung gingen verloren. Im Zusammenhang damit brach über die deutsche Industrie und die gesamte Volkswirtschaft des Landes eine schwere Wirtschaftskrise herein, die ihren Tiefstand am Ende des “passiven Widerstandes” der deutschen Regierung gegen die Alliierten (Oktober/November) in den von ihnen besetzten Gebieten Deutschlands erreichte.

Die katastrophale Lage der deutschen Wirtschaft wurde gekennzeichnet durch drei Momente des staatlichen und wirtschaftlichen Lebens: das Erliegen der Industrie und die Zunahme der Erwerbslosigkeit, den Zusammenbruch der Staatsfinanzen und die Geldentwertung. Das prozentuale Verhältnis der Erwerbslosen zur Zahl der gewerkschaftlich organisierten Arbeiter in ganz Deutschland ergab nach den offiziellen Angaben folgendes Bild:

Jahr Monatsdurchschnitt: 1923 Erwerbslose Kurzarbeiter Insgesamt
1913 2,9% Januar 4,2% 12,6% 16,8%
1918 1,2% April 7,0% 28,5% 35,5%
1919 3,7% September 9,9% 39,7% 49,6%
1920 3,8% Oktober 19,1% 47,3% 66,4%
1921 2,8% November 23,4% 47,3% 70,3%
1922 1,5% Dezember 28,9% 39,9% 62,2%

Insgesamt betrug die Zahl der Erwerbslosen und der Kurzarbeiter (die entweder nur einige Tage in der Woche oder nur einige Stunden am Tage beschäftigt waren) im letzten Quartal des Jahres 1923 in Deutschland zirka acht Millionen, d.h. mehr als die Hälfte der ganzen Arbeiterklasse Deutschlands.

Die ungeheuren Staatsmittel, die zur Durchführung der Politik des „Zuschauens mit verschränkten Armen“ im Ruhrgebiet und im Rheinland aufgewandt werden mußten (genaue Angaben liegen nicht vor, jedoch beliefen sich diese Ausgaben im Durchschnitt auf zirka 200-300 Millionen Goldmark monatlich), ebenso wie die völlige Steuerbefreiung der besitzenden Klassen (als eine Folge des Zerfalls des Geld- und Währungssystems) führten zu einer raschen und unaufhörlichen Zunahme des Defizits im Staatsbudget. So betrug z. B. der Deckungssatz der Staatsausgaben durch Einnahmen im August 1923 1,8 Prozent, während die nichtfundierte Staatsschuld gegen Ende dieses Monats 1 666 677 Milliarden Mark betrug. Die Staatseinnahmen im November dagegen machten nur noch 12,3 Millionen Goldmark aus.

Die Deckung fast sämtlicher Staatsausgaben erfolgte durch neue und immer neue Papiergeldemissionen, d. h. vermittels der Inflationssteuer, die mit ihrer ganzen Schwere auf den Schultern der Arbeiterklasse und des Mittelstandes lastete.

Der Prozeß der Markentwertung schlug ein geradezu schwindelerregendes Tempo ein. So z. B. wurde der amerikanische Dollar nach dem offiziellen Kurs an den Börsen in Berlin, Harnburg und Frankfurt am 18. Oktober mit 4-6 Milliarden Mark (am Morgen mit 4 und am Abend mit 6 Milliarden) notiert, am 20. Oktober mit 15-19 Milliarden Mark, am 22. Oktober mit 46 Milliarden Mark und am 23. Oktober – mit 75 Milliarden Mark.

Die sozialen Folgen des Bankrotts der deutschen Volkswirtschaft waren ganz unverkennbar und hatten die äußerste Verelendung der Arbeiterklasse und des Mittelstandes (Kleinbürgertum, Angestellte, Pensionäre usw.)1 nach sich gezogen.

Gleichzeitig betrieben Banken, Konzerne und Spekulanten unerhörte Schiebergeschäfte durch die sogenannte Markflucht, durch die das Volksvermögen in ausländischer Währung angelegt wurde. Gerade in dieser Periode entfaltete der berüchtigte Hugo Stinnes eine hemmungslose Tätigkeit, um sich vermittels der Flucht in die Sachwerte immer neue und neue Reichtümer auf Kosten der Verelendung der Nation zusammenzuraffen. Die Krautjunker liquidierten ihre Schulden durch Bezahlung in entwerteter Papiermark Die innere Staatsschuld wurde auf Kosten der Verelendung der breitesten Bevölkerungsschichten liquidiert. Nachdem der “passive Widerstand” im Ruhrgebiet aufgegeben worden war, stellte die Regierung die Gewährung von Erwerbslosenunterstützung in den besetzten Gebieten ein, während sie gleichzeitig fortfuhr, den Ruhrindustriellen Subsidien für die angeblich von ihnen durch die Ruhrbesetzung erlittenen Verluste zukommen zu lassen.

Die Wirtschaftskrise des Landes zog die politische Krise nach sich. Anfang August kam es zum Generalstreik, der von den unter dem Einfluß der Kommunistischen Partei stehenden Betriebsräten organisiert worden war und die (deutschnationale) Regierung Cuno stürzte. Stresemann, den der Präsident der Republik, der Sozialdemokrat Ebert, mit der Bildung der neuen Regierung beauftragte, erklärte, daß er “die letzte bürgerliche Regierung” bilde. Er war überzeugt, daß diese Regierung gestürzt und in Deutschland die Diktatur des Proletariats errichtet werden würde.

Unter dem Einfluß der wirtschaftlichen Not machte die Revolutionierung der Arbeiterklasse in der Tat rasche Fortschritte. Das Kleinbürgertum erwartete die Rettung von der Aktion des Proletariats und orientierte sich auf die Revolution. Der Einfluß der Kommunistischen Partei unter den Arbeitern begann rasch anzusteigen, während gleichzeitig der Einfluß der Sozialdemokratie unaufhörlich zurückging. Im ganzen Lande kam es zu sogenannten „Lebensmittelunruhen“, die Arbeiter beschlagnahmten kurzerhand die Lebensmittel in den Läden und verteilten sie. Die Arbeiterklasse bildete spontan proletarische Kampfhundertschaften und bereitete sich auf die Entscheidungskämpfe vor. Im Oktober waren nahezu 250.000 Menschen in den proletarischen Hundertschaften organisiert, die zum Teil bewaffnet waren.

Im Oktober kam es in Sachsen und Thüringen zur Bildung von Arbeiterregierungen (aus Kommunisten und linken Sozialdemokraten), die in der Folge von den Reichswehrtruppen auseinandergejagt wurden. Die Macht ging über in die Hand des Reichswehrbefehlshabers (General Seekt), der den Belagerungszustand über das Land verhängte. Während das Reichswehrkommando im übrigen Deutschland damit beschäftigt war, “Ordnung” zu schaffen, organisierte die Konterrevolution in Bayern faschistische Banden zum Marsch auf Berlin und zur Errichtung einer starken (diktatorischen) Zentralgewalt. In Westdeutschland schlugen die von den Besatzungsbehörden unterstützten Separatisten los. Am 20. Oktober gelang es ihnen, in Aachen, Trier, Koblenz und einer Reihe anderer Städte des Rheinlandes die „Unabhängige Rheinische Republik“ auszurufen.

Die von uns angeführten einzelnen Momente der politischen und Wirfschaftlichen Lage Deutschlands in der zweiten Hälfte 1923 zeugen mit einwandfreier Klarheit davon, daß in Deutschland zu jener Zeit eine akut-revolutionäre Situation gegeben war. Wäre eine starke und ideologisch festgeschlossene bolschewistische Partei vorhanden gewesen, hätte sie geschickt und energisch die revolutionäre Mobilisierung der Massen betrieben und ihren Kampf geführt, wäre von unserer Partei eine intensive, zielbewußte politische und organisatorische Arbeit zur Vorbereitung der Massen und der Partei selbst auf den bewaffneten Aufstand betrieben worden – so wäre der Erfolg der Revolution im Jahre 1923 gesichert gewesen.

Gerade dieser subjektive Faktor, ohne den ein Sieg der Revolution undenkbar ist, war aber in Deutschland nicht vorhanden.

Der Kurs auf die Vorbereitung des bewaffneten Aufstandes wurde vom ZK der KPD erst eingeschlagen nach dem dreitägigen Generalstreik im August. Es fehlte der Führung der Partei aber an klarem Blick sowie an festem Willen hinsichtlich der Vorbereitung und Durchführung des Aufstandes. Die kommunistischen Minister, die in Sachsen und Thüringen in der Regierung saßen, haben, anstatt aus allen Kräften den Regierungsapparat zur Organisierung, Mobilisierung und Bewaffnung der Massen für die Zwecke der revolutionären Aktion und der Machteroberung auszunützen, eine Tätigkeit entfaltet, die sich, im Grunde genommen, in nichts von der Tätigkeit der linken Sozialdemokraten unterschied. In der Frage der sächsischen Regierung sowie in einer ganzen Reihe anderer Fragen hat das von Brandler geleitete und von Radek unterstützte Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Deutschlands eine äußerst unentschlossene, vom 8. Parteitag der KPD und vom V. Kongreß der Komintern aufs schärfste verurteilte opportunistische Politik betrieben. Die Partei schenkte der Organisierung der Erwerbslosen, dieses revolutionärsten Elementes in der deutschen Arbeiterklasse, wenig Aufmerksamkeit und kümmerte sich nur wenig um die Gewinnung der städtischen Kleinbürgerschichten für die revolutionäre Front, sie übersah fast gänzlich die Bauernschaft und unterließ fast jede organisatorische Arbeit zur Zersetzung der Armee und der Polizei. Die Einheitsfronttaktik wurde dort, wo sie angewandt wurde, in opportunistischem Geiste (Sachsen und Thüringen) durchgeführt und entsprach absolut nicht den in dieser Frage von der Komintern erteilten Direktiven. Die revolutionäre Arbeit in den Gewerkschaften, an diesem entscheidenden Frontabschnitt des revolutionären Kampfes, hatte infolge des Austritts der Kommunisten aus den Gewerkschaften außerordentlieh nachgelassen.

Diese opportunistischen Fehler der damaligen Führung unserer Partei führten trotz der für die Revolution günstigen Umstände und der Kampfbereitschaf der ausschlaggebenden Schichten des deutschen Proletariats zur Niederlage der deutschen Revolution im Jahre 1923, ja sie konnten gar nicht umhin, diese Niederlage herbeizuführen.

Die politische Lage in Hamburg

Am 21. Oktober wurde auf Initiative der Kommunistischen Partei nach Chemnitz ein Betriebsrätekongreß einberufen. Nach dem Plan des ZK der KPD sollte dieser Kongreß den Generalstreik proklamieren, der in der Folge, nach dem Plan der Kommunistischen Partei, in den bewaffneten Kampf des Proletariats um die Macht umschlagen sollte. Nach der Ueberzeugung der Hamburger Parteiorganisation ließ die Situation in Mitteldeutschland erwarten, daß von dort aus in den allernächsten Tagen (im Zusammenhang mit dem Kongreß in Chemnitz) das Signal zum Aufstand gegeben und daß dieser ganz Deutschland erfassen wird. Diese Meinung wurde noch verstärkt durch den Umstand, daß unmittelbar vor dem Hamburger Aufstand aus Nordwestdeutschland Reichswehrtruppen zur Niederschlagung der revolutionären Bewegung nach Mitteldeutschland gesandt worden waren. Diese Truppentransporte haben die Kampfstimmung des Hamburger Proletariats außerordentlich gehoben.

Die Voraussetzungen für eine revolutionäre Massenaktion waren in Hamburg unzweifelhaft gegeben. Noch eine Woche vor dem Chemnitzer Kongreß waren in Harnburg die Werft- und Transportarbeiter sowie eine Reihe anderer Betriebe und Fabriken in den Streik getreten. Zum Generalstreik war es nur deshalb nicht gekommen, weil die Kommunistische Partei, im Hinblick auf die unmittelbar bevorstehenden Entscheidungskämpfe in ganz Deutschland, die auf die Direktive des ZK der KPD hin einsetzen sollten, die Massen nicht zum Generalstreik aufrief. Die Konferenz der Arbeiter der Seeschiffswerften Norddeutschlands, die in Harnburg tagte, sandte am 21. Oktober eine Delegation nach Chemnitz, um die Direktiven zum Losschlagen zu holen. Eine andere Delegation, unter Führung des bekannten Urbahns, wurde vom Aktionsausschuß der Hamburger Hafenarbeiter ebenfalls dorthin gesandt. Die Massen forderten ein offenes Vorgehen und warteten darauf, daß sie von der Kommunistischen Partei aufgerufen werden. Am 20. Oktober kam es in de’ Straßen von Hamburg zu zahlreichen Zusammenstößen zwischen Arbeitern und Polizei. Trotz des herrschenden Ausnahmezustandes (Belagerungszustand) und des Versammlungs- und Demonstrationsverbotes führten die Massen energisch den Kampf um das Recht auf die Straße. In dieser aufs äußerste gespannten Situation machten sich deutlich die Sympathien der kleinbürgerlichen Elemente für die demonstrierenden Arbeiter bemerkbar. Sogar die Schutzpolizei machte in einigen Fällen kein Hehl aus ihrer Sympathie für die hungernden Massen. Einige Polizeiwachen stellten auf Befehl des Polizeipräsidiums am Eingang des Wachraums spanische Reiter auf, stellten Doppelposten aus, die Patrouillen wurden verschärft und mit Maschinenpistolen versehen. Die gesamte Polizei wurde in Bereitschaftsstufe 3, d. h. in die höchste Stufe der Kampfbereitschaft versetzt.

Gleichzeitig betrieben die Funktionäre der Hamburger Sozialdemokratie eine verstärkte Agitation gegen die Kommunisten und warnten vor dem Programm der Kommunisten, das direkt zum Bürgerkrieg und zur Verblutung der Arbeiterklasse führe. Sie versuchten, den Arbeitern den Gedanken des Kampfes gegen die Polizei und den staatlichen Militärapparat auszureden und sie zu veranlassen, von der Vorbereitung zum Generalstreik und von der Bildung gemeinsamer Aktionsausschüsse mit den Kommunisten Abstand zu nehmen.

Sonntag, 21. Oktober: Lebhaftes Treiben auf den Straßen, jedoch nimmt der Feiertag einen verhältnismäßig ruhigen Verlauf.

Montag, 22. Oktober: Der Streik greift weiter um sich. In verschiedenen Stadtteilen kommt es zu neuen Zusammenstößen der Arbeiter mit der Polizei.

Die Lage in Hamburg, besonders in Barmbek, kennzeichnet folgender Artikel, der von einem Hamburger Arbeiter für eine illegale Zeitung unmittelbar nach dem Aufstand geschrieben wurde:

„Am 22. Oktober 1923 herrschte ziemliche Erregung. Das Straßenbild des Arbeiterviertels Barmbek war äußerlich kein besonders lebhaftes. Man sah Frauen zu zweit und zu dritt mit leeren Marktkörben herumstehen, die einen schweigend, die anderen in lautem Gespräch, wobei sie heftig mit den Händen gestikulierten. Was soll man kaufen? Was soll man essen? Die Preise stiegen von Stunde zu Stunde.

Am Sonnabend wurden mehrere Läden, in der Hauptsache Bäckerläden geplündert. Die Ortspolizei machte von der Waffe Gebrauch. Davon wurde niemand satt.

Am Montag nachmittag war es bedeutend ruhiger. Innerlich jedoch kochte es in allen. Die Männer ballten die Fäuste. Die Frauen standen müßig herum. Die Kinder hörten auf zu spielen. Es schien, als würden alle auf etwas warten. Auf was?

Ein Genosse, den ich traf, sagte: ‚Nun, morgen werden wir nicht so ruhig spazierenlaufen‘. Daraufhin ging er weg, um irgendwo ein Stück Brot für sich aufzutreiben. Ein anderer Genosse, der vor einem Fleischerladen die Fleischpreise studierte, faßte mich an der Hand und sagte: ‚Wenn die Kommunisten morgen nichts unternehmen werden, so ist es aus mit der Partei‘. Am Abend fand in Barmbek eine Frauenversammlung statt. Thema: ‚Der Hunger‘. Der Saal war überfüllt. Viele der Anwesenden waren gekommen, nachdem sie vorher vergeblich versucht hatten, irgendetwas zu erstehen und brachten eine nervöse Stimmung mit sich. Die Referentin sprach leise. Die Zwischenrufe der Anwesenden hörten sich wie Peitschenhiebe an. In den Beifallsrufen nach dem Referat lag etwas von den Tönen eines Haßgeschreis. Die Generallosung war für alle die Losung ‚Kampf‘. Auf der Straße standen die Männer in dichtgedrängten schwarzen Gruppen umher. Es kamen immer neue Leute hinzu. Die Nacht war längst angebrochen.

Die Hamburger Hauptstraßen sind voll von zahlreichen Menschenmassen. Die Polizei greift wieder zur Waffe. Herzzerreißende Schreie hunderter Frauen. Fluche der den Hieben der Polizei ausweichenden Männer. Ueberall sammeln sich die zerstreuten Massen erneut an den Straßenkreuzungen. Und zwar viel lebhafter als damals, als die Massen den Rücktritt der Regierung forderten. Einzeln geht ein Flüstern von Ohr zu Ohr: ‚Jetzt wird losgeschlagen!‘ ‚Wann?‘ ‚Heute Nacht?‘ ‚Morgen?‘ ‚Wann?‘ Niemand konnte etwas Bestimmtes sagen.“

Zur Zeit des 20. Oktober war die Stimmung unter den Arbeitermassen Hamburgs revolutionärer als irgendwo in anderen Gebieten Deutschlands. Mit Rücksicht hierauf, sowie auf den Umstand, daß im Hamburger Bezirk keine Truppen standen, gab das ZK der KPD, das mit einem günstigen Ausgang des Chemnitzer Kongresses rechnete, der Hamburger Parteiorganisation die Weisung, den Aufstand in Harnburg zu beginnen. Der Aufstand in Hamburg sollte das Signal werden für den Generalaufstand.

Die Vorbereitungen zum Aufstand

Hamburg ist – zusammen mit Altona, das eng mit ihm verwachsen ist – eine große Industrie- und Hafenstadt. Es hat 1 200 000 Einwohner, darunter zirka 600000 Proletarier.

Die Stadt gliedert sich in folgende Teile:

  1. Die Innenstadt, die durch den Vorort St. Pauli mit der Innenstadt Altona zusammenhängt. Hier sind auch die Regierungszentren konzentriert, die Post, der Telegraph, die Verkehrsämter, die Banken, die Börse und die Hauptbüros der Handels- und Industrieunternehmungen.
  2. Südlich der Innenstadt – liegt der riesige Hamburger Hafen. Hier befinden sich die Handelsinstitutionen, das Zollamt, die Schiffsbauwerften, die Docks, die Lagerhäuser usw. Die Verbindung der Stadt mit dem Hafen erfolgt zum Teil durch einen Tunnel, der unter dem Hauptflußbett hindurchführt, außerdem durch zahlreiche Hafenbarkassen, Fährboote und Motorboote.
  3. Der nordöstliche Stadtteil (die Vororte St. Georg, Hohenfelde, Borgfelde, Hamm, Horn, Eilbek, Barmbek usw.) die Fabrik- und Arbeiterviertel Hamburgs, an die die preußischen Gemeinden Schiffbek und Wandsbek grenzen.
  4. Im Westen – die Stadt Altona mit ihren Stadtteile Ottensen, Bahrenfeld u. a., und die Hamburger Stadtteile Eimsbüttel und Eppendorf, alles hauptsächlich Proletarierviertel.
  5. Im Norden der Innenstadt, zu beiden Seiten des Beckens der Außenalster, liegen die Bezirke Uhlenhorst, Harvestehude, Winterhude; hier wohnt vor allem die Hamburger Großbourgeoisie.

In Hamburg gab es keine Reichswehrtruppen. Die sonst in den Standorten um Hamburg befindlichen Reichswehrtruppen waren auf dem Wege nach Mitteldeutschland. Schutzpolizei gab es in Hamburg ungefähr 5000 Mann, die mit Revolvern und Maschinenpistolen bewaffnet waren. Auch standen der Polizei Maschinengewehre, Karabiner und sechs Panzerautos zur Verfügung. Desgleichen verfügte sie über eine ziemlich bedeutende Menge von Waffenvorräten, die in der Hauptsache in den Polizeiwachen, deren es in Hamburg 50 gab, und in verschiedenen Lagerhäusern aufbewahrt wurden. Dieser Waffenvorrat war zur Bewaffnung der Faschisten bestimmt, die im Moment einer bewaffneten Aktion des Proletariats mobilisiert werden sollten. Die Panzerautos befanden sich in den Polizeikasernen und in Wandsbek.

Eine systematische, organisatorische und politische Arbeit unter der Schutzpolizei war seitens der Kommunistischen Partei nicht betrieben worden. Die Schutzpolizei war in ihrer Masse bereit, dem Befehl des reaktionären. Offizierkorps der Polizei im Kampfe gegen den Aufstand zu gehorchen.

Obwohl der Einfluß der Sozialdemokratie in den Massen des Hamburger Proletariats ein geringer war, zählte die Hamburger Organisation der Sozialdemokratie dennoch in ihren Reihen etwa 40000 Mitglieder, von denen ein’ Teil (die im Apparat sitzenden Bonzen) zweifelsohne gegen eine revolutionäre Aktion und bereit waren, einer solchen Aktion mit allen Mitteln entgegenzuwirken.

Die Kommunistische Partei zählte in Hamburg ungefähr 18000 Mitglieder. Die Kampforganisation der Partei in Hamburg hatte nur 1300 Mitglieder. Die kommunistische Kampforganisation, der sogenannte „Ordnerdienst“, abgekürzt OD, war nach dem Wohnbezirksprinzip in Fünfer- und Zehnergruppen organisiert und wurde von Militärorganisatoren geleitet, die den Parteileitungen der Stadtteile unterstanden, Während diese letzteren wiederum durch den Militärorganisator der ganzen Stadt geleitet wurden, der der Stadtparteileitung unterstand. Kurz vor dem Aufstand hatte die Struktur des OD folgende Formen angenommen: Die unterste Zelle – 8 Stoßtruppler und der Führer bildeten eine Gruppe, 4 Gruppen bildeten eine Abteilung und 4 Abteilungen wiederum einen Zug mit dem Zugführer an der Spitze. Zum Bestande eines Zuges gehörten mehrere Radfahrer, Motorradfahrer, einige Sanitäter (aus dem proletarischen Samariterbund) und eine Gruppe von Kundschaftern, in der Hauptsache Frauen.

Der OD war anfänglich als Parteiversammlungs- und Demonstrationsschutz gedacht. Zu seinen Funktionen gehörte auch der Nachtdienst in den Stadtteilleitungen der Partei, in den kommunistischen Druckereien, sowie das Kleben von Aufrufen und Plakaten. Der OD besaß in ganz Hamburg ungefähr 80 Einheiten von Schußwaffen verschiedenen Kalibers, in der Hauptsache Revolver.

Als im August auf Direktive des ZK der KPD hin die Bildung proletarischer Hundertschaften begann, stellte der OD aus seinen Reihen die Kader dafür auf. Im Augenblick der Oktoberaktion bestanden in Hamburg 15 militärisch organisierte proletarische Hundertschaften, die jedoch keine Waffen hatten. Jede Hundertschaft zählte 40 – 60 Mann in ihren Reihen. Die proletarischen Hundertschaften sollten eine proletarische Massenkampforganisation – die Rote Garde darstellen, die, nachdem sie sich zu bewaffnen hatte, in Zukunft die Aufgabe besaß, den bewaffneten Kampf mit den bewaffneten Streitkräften der Konterrevolution im Augenblick des Generalaufstandes aufzunehmen. Die Aufgabenstellung für die proletarischen Hundertschaften in der Hamburger Parteiorganisation (in ihrer Masse) war jedoch nicht klar. Das ZK erteilte in dieser Frage keinerlei konkrete Direktiven und tat nichts, um Aufklärung zu schaffen. Die Parteiorganisation und in gewissem Grade auch der OD betrachteten die proletarischen Hundertschaften als Hilfstruppe des OD, als Kampfeinsatz. Der Kern der Roten Garde dagegen war der OD. Die Partei widmete der militärischen Ausbildung der Mitglieder des OD, der Auftreibung von Waffen usw. größtmögliche Aufmerksamkeit. Es muß betont werden, daß die militärische Ausbildung des OD wirklich eine gute war. Der OD verstand es in seiner Masse, mit der Waffe umzugehen, kannte die erforderlichen Elementarregeln des Straßenkampfes, führte den Erkundungsdienst unter den Gegnern, in der Hauptsache unter der Polizei, und hatte verschiedene Pläne zur Entwaffnung des Gegners, einen Aufstandsplan usw. ausgearbeitet, mit einem Wort: Der OD bereitete sich intensiv darauf vor, auf den Aufruf der Partei hin den energischen bewaffneten Kampf gegen die Polizei und die Faschisten aufzunehmen.

Am Sonntag, dem 21. Oktober, abends wurde in einer Sitzung der verantwortlichen Funktionäre der Hamburger Parteiorganisation beschlossen, loszuschlagen. Die Genossen machten geltend, daß die Situation in Hamburg für eine bewaffnete Massenaktion günstig sei und daß Hamburg das Signal geben müsse für die Generalaktion des Proletariats. Sein Beispiel würde dann auch die anderen Städte mitreißen. Man solle nicht erst die Erklärung des Generalstreiks abwarten, sondern immer neue und neue Abteilungen des Proletariats in den in Hamburg um sich greifenden Streik hineinziehen, so daß der Streik auf diese Weise zum Generalstreik werden würde. Die Situation in Hamburg sei so, daß man eine spontane, unorganisierte Aktion der Arbeiter zu erwarten habe, falls sich die Kommunistische Partei nicht an die spitze der Bewegung stelle und sie leite. Es sei selbstverständlich, daß dies der Autorität der Partei in den Augen der Arbeitermassen den allerstärksten Abbruch tun müßte.

Es wurde der Beschluß gefaßt, mit der Erklärung des Eisenbahnerstreiks zu beginnen, um die Truppentransporte nach Sachsen zu verhindern.

Mit der Annahme dieser Direktive wurde die Beratung geschlossen, wobei man am Montag, dem 22. Oktober, um 8 Uhr abends zwecks endgültiger Entscheidung über die Frage des Losschlagens erneut zusammenkommen wollte.

Der angenommene Aufstandsplan war nach der Schilderung eines der Teilnehmer in der Hauptsache folgender: a) Der Aufstand beginnt durch ein plötzliches Losschlagen der bewaffneten Arbeiterabteilungen in den Arbeitervierteln der Stadt, wobei in erster Linie die Waffenlager zu besetzen sind. b) Entwaffnung der Polizei und Faschisten in den Arbeitervororten. c) Gleichzeitige Zusammenziehung der bereits bewaffneten Arbeiterabteilungen, die durch Massendemonstrationen aus den Vororten nach der Innenstadt zu decken sind und Zurückdrängung des Gegners (Polizei und Faschisten des Stadtzentrums) nach Süden (an den Fluß), dessen Brückenübergänge schon vorher von den Aufständischen zu besetzen sind und hier endgültige Entwaffnung des Gegners. d) Besetzung des Post- und Telegraphenamtes, der wichtigsten Bahnhöfe des Stadt- und Fernverkehrs, des Flugplatzes und der anderen wichtigsten Objekte, noch bevor die Abteilungen aus den Vorstädten nach dem Stadtinnern ziehen, durch die in diesen Vorstädten befindlichen Kräfte der Partei. e) Um die Heranziehung von auswärtigen Verstärkungen durch den Gegner zu unterbinden, war vorgesehen, ihn auf den Hauptzugangsstraßen, die voraussichtlich für den Nachschub von auswärtigen Verstärkungen des Gegners in Frage kommen würden, in einen Hinterhalt zu locken. Mit der Organisierung des Angriffs aus dem Hinterhalt und der Vernichtung der Wege in der Umgebung von 25 km wurden die Kräfte der Ortsorganisationen der nächstliegenden Arbeiterstädtchen und Siedlungen beauftragt. Die Organisationen von Harburg, Wilhelmsburg, Uetersen und Stade sollten den Schiffsverkehr auf der Elbe sperren.

Dieser Aktionsplan wurde in der Sitzung der Leiter des Aufstandes am Montag, dem 22. Oktober, um 8 Uhr abends bestätigt. Zur gleichen Zeit erhielten alle militärischen Leiter der Stadtteile ihre Einzelbefehle zugeteilt. Es wurden die Verbindungsstellen, der Sitz der Oberleitung usw. bekanntgegeben. Der Zeitpunkt des Losschlagens der Kampforganisation der Partei (OD) war auf den 23. Oktober, 5 Uhr morgens, festgesetzt worden. Das Losschlagen sollte in einer für den Gegner unerwarteten Weise organisiert erfolgen und der erste Erfolg der Kampforganisation zum Signal für das Losschlagen der breiten Arbeitermassen zur Eroberung der Macht in Hamburg werden.

Das Fehlen von Unterlagen gestattet uns nicht, auf die vorbereitenden Maßnahmen des Aufstandes nach der Annahme des Beschlusses über das Losschlagen in allen Stadtteilen ausführlicher einzugehen. Da wir über den ziemlich umfassenden Bericht des militärischen Leiters von Barmbek verfügen, dem in der bezeichneten Sitzung vom Montag um 8 Uhr abends die militärischen Leiter von Uhlenhorst und Winterhude unterstellt wurden, werden wir uns im weiteren in der Hauptsache mit der Darlegung der Vorbereitung und des Verlaufes des Aufstandes namentlich in den nordöstlichen Arbeitervierteln Hamburgs befassen. Hier spielten sich eigentlich auch alle wichtigsten Ereignisse des Hamburger Aufstandes ab.

Nach der Befehlszuteilung über das Losschlagen am 23. Oktober um 5 Uhr morgens traf der militärische Leiter von Barmbek, – der selbst erst in der erwähnten Montagssitzung für diesen Posten ernannt worden war (früher militärischer Leiter von Barmbek, war er aber einige Monate vorher von diesem Posten abgesetzt worden) und sich im Zusammenhang damit in einer für ihn schwierigen Situation (Unkenntnis der Leute, außerdem fehlte es überhaupt an Informationen über den Zustand der Kampforganisation der Partei, über den Zustand des Gegners usw.) befand –, eine ganze Reihe von Vorbereitungsmaßnahmen zur Organisierung des Losschlagens in den ihm unterstellten Stadtteilen.

Die hauptsächlichste und wichtigste Aufgabe des militärischen Leiters von Barmbek bestand darin, die ihm unterstellten Leiter der Kampforganisation zusammenzuholen, von ihnen Informationen über ihre Kräfte und über die Kräfte der Polizei zu erhalten und ihnen Teilaufgaben zu übertragen. Außerdem mute der Plan des Losschlagens der Kampforganisation mit der Arbeit der Stadtteilparteileitungen zwecks Mobilisierung und Gewinnung der Arbeitermassen für den Kampf schon im ersten Augenblick des Losschlagens der bewaffneten Abteilungen der Stoßtruppler vereinbart werden. Zeit hierzu war außerordentlich wenig vorhanden.

In der erwähnten Arbeiterinnenversammlung beauftragte der Leiter von Barmbek die ihm bekannten Parteigenossen, die Leiter der Kampforganisationen zu einer Beratung um 11 Uhr abends zusammenzuholen (dabei wurde eine illegale Wohnung angegeben). Dortselbst traf er die Sekretäre der Stadtteilorganisationen der Partei von Barmbek und Groß-Hamburg. Es stellte sich heraus, daß die letzteren aus irgendeinem Grunde von dem Beschluß der Partei, am 23. Oktober morgens loszuschlagen, nichts wußten. Der militärische Leiter setzte ihnen in kurzen Zügen den Beschluß der Partei auseinander, worauf man sich trennte, nachdem mit dem Sekretär der Parteileitung von Barmbek vereinbart worden war, sich im Laufe der Nacht nochmals zu treffen, um endgültig den Aktionsplan auszuarbeiten.

Um 11 Uhr abends gelang es, sämtliche militärischen Leiter von Barmbek zusammenzuholen, jedoch gelang es nicht, die Leiter von Uhlenhorst und Winterhude aufzufinden. Infolgedessen wurde noch eine Beratung auf 1 Uhr morgens am 23. Oktober angesetzt.

Der Leiter von Barmbek erläuterte in der Sitzung um 11 Uhr in erster Linie den Beschluß der Partei und gab Befehl, die Stoßtruppler nach bestimmten Wohnungen als Sammelstellen zu mobilisieren, wo sie warten sollten, bis sie ihre Befehle erhalten. Jeder Stoßtruppler war verpflichtet, außer der in seinem Besitz befindlichen Waffe noch eine Ration Brot und Verbandszeug mitzubringen.

Die Barmbeker Kampforganisation der Partei verfügte zusammen mit den Organisationen von Uhlenhorst und Winterhude über ungefähr 19 Gewehre und 27 Revolver; der Gegner aber hatte in diesen Stadtteilen 20 Polizeiwachen, darunter 8 mit verstärkter Belegschaft. Außerdem befanden sich in den Kasernen von Wandsbek 600 Mann Schutzpolizei und 6 mit je 2 schweren Maschinengewehren bestückte Panzerautos. Der Gegner hatte somit auf seiner Seite eine erdrückende Übermacht der Kräfte.

Bei der Besprechung des Aktionsplanes kamen die Leiter der Kampforganisation zu dem Schluß, daß es zweckmäßig sei, ihre Hauptkräfte zu konzentrieren auf die plötzliche Überrumpelung der Polizeikasernen in Wandsbek und die Erbeutung der Waffen sowie der dort befindlichen 6 Panzerautos, außerdem sollte ein Teil ihrer Kräfte auf die Einnahme (oder schlimmstenfalls die Abriegelung) der acht Polizeiwachen mit verstärkter Belegschaft abkommandiert werden, wie das von der militärischen Leitung bei der Hamburger Parteileitung befohlen worden war. Diese Erwägungen wurden jedoch von der Aufstandsleitung in Hamburg nicht bestätigt, und der Leiter von Barmbek erhielt nochmals Befehl zur Ausarbeitung eines Aktionsplanes, der von dem gleichzeitigen Angriff auf alle 20 Polizeiwachen ausgehen sollte, wobei zunächst die Polizeikasernen in Wandsbek außer Betracht zu lassen waren.

Zur Charakteristik der Vorbereitung des Aufstandes in der Nacht vom 22. auf den 23. Oktober muß folgender bezeichnender Umstand angeführt werden. Der Sekretär der Parteiorganisation von Barmbek, der bereits von der Hamburger Parteileitung von dem bevorstehenden Aufstand erfahren hatte, teilte dem militärischen Leiter von Barmbek mit, daß er auf Grund von oben erhaltener Weisungen sämtliche Parteimitglieder mobil zu machen und am 23. Oktober um 4 Uhr morgens, zwecks Teilnahme, am Aufstand und Gewinnung der Arbeiter für den Kampf, auf die Straße zu führen habe. Als die militärische Leitung bei der Leitung in Hamburg Rückfrage hielt, wie ein solcher Befehl mit dem befohlenen plötzlichen Losschlagen der Stoßtruppler zu vereinbaren sei, da man doch bei der Aufstellung des ganzen Aktionsplanes vom Element der Überraschung ausgegangen war, erhielt sie die Antwort, daß dieser Befehl nicht so tragisch zu nehmen sei, da er wohl kaum irgendwelche Bedeutung habe.

Wie vorgesehen, versammelten sich um 1 Uhr nachts sämtliche militärischen Leiter, unter anderen auch die militärischen Leiter von Uhlenhorst und Winterhude, zur Beratung. In dieser Beratung umriß der militärische Leiter nochmals kurz die I.age in Deutschland, insbesondere in Hamburg, legte den Aktionsplan dar und gab die erforderlichen Teilbefehle. Es wurde folgende Kräfteverteilung vorgesehen: nach jeder Polizeiwache sollten 1 bis 2 Gruppen der Stoßtruppler gesandt werden. Nach der Polizeiwache Nr. 46 (Essener Straße) und nach der Wache am Mundsburger Tor sollten angesichts dessen, daß diese Wachen verstärkte Belegschaft aufwiesen, doppelt so starke Kräfte gesandt werden, wie nach den anderen Wachen. Auf jede Stoßtruppe kamen zwei Revolver oder ein Gewehr und ein Revolver. Die Kasernen in Wandsbek sollten erst gestürmt werden, nachdem die Polizeiwachen entwaffnet waren. Jede Gruppe mußte um 4 Uhr 55 Minuten ihre Ausgangsstellung beziehen und pünktlich um 5 Uhr den Sturm der bezeichneten Wache beginnen. Zwecks größtmöglichster Genauigkeit wurden die Uhren der Teilnehmer einheitlich gestellt, um ein gleichzeitiges Beginnen zu ermöglichen.

Laut Meldung der Leiter sammelten sich die Stoßtruppler in den bestimmten illegalen Wohnungen restlos und zur festgesetzten Zeit. Die Versammelten waren alle von Kampfstimmung beseelt.

Waffen hatten die Stoßtruppler von Barmbek und die ihm unterstellten anderen Stadtteile, wie bereits vorstehend ausgeführt, äußerst wenig. Maschinengewehre waren überhaupt nicht vorhanden. Um ein schweres Maschinengewehr zu beschaffen, schickte der militärische Leiter von Barmbek in der Nacht vom 23. Oktober einen Kurier nach Bergedorf (20 km südöstlich von Hamburg), wo eines der Mitglieder des OD ein schweres Maschinengewehr in Verwahrung hatte, mit der Bitte, dieses Maschinengewehr den Barmbekern auszuhändigen. Die letzteren beabsichtigten, dieses Maschinengewehr bei dem Angriff auf die Polizeikasernen in Wandsbek zu verwenden. Trotzdem die Kuriere dem Inhaber des Maschinengewehrs persönlich bekannt waren und entsprechende Ausweise (Stichwort) hatten, erhielten sie das Maschinengewehr nicht, da die Genossen, die von der geplanten Aktion in Hamburg nichts wußten, den Kurieren gegenüber mißtrauisch waren. Nichtsdestoweniger sandte die Parteileitung in Bergedorf den Barmbekern eine Gruppe von Radfahrern, die mit Revolvern bewaffnet waren, zu Hilfe, während sie selbst an Ort und Stelle die Stoßtruppler mobilisierte, um gleichzeitig mit dem Losschlagen in Hamburg (falls es wirklich zu diesem Losschlagen kommen sollte) auch in Bergedorf loszuschlagen.

Auf dem Rückweg machten die Kuriere in Schiffbek (ein preußischer Arbeitervorort) halt und gaben der Parteileitung Nachricht von dem bevorstehenden Losschlagen am 23. Oktober morgens. Die Schiffbeker wußten ebenfalls nichts von dem geplanten Losschlagen, trafen aber sofort eine Reihe von Maßnahmen, um gleichzeitig mit den anderen, Stadtteilen Hamburgs loszuschlagen.

In den erstürmten Polizeiwachen sollten, laut Befehl des militärischen Leiters des Aufstandes, die Schutzpolizisten entwaffnet und die gesamten Waffen aus den Wachen gesammelt und jenen Stoßtrupplern und zum Kampf bereiten Arbeitern ausgehändigt werden, die im Bereich der Gefechtshandlung erschienen; die Schutzpolizisten sollten in den einzelnen Zimmern der Wache unter Bewachung festgesetzt, die freien Stoßtruppler dagegen unverzüglich an dem festgesetzten Sammelpunkt zwecks Entgegennahme weiterer Kampfbefehle versammelt werden.

Das Losschlagen der Kampforganisation und der Verlauf des Aufstandes

Noch als die Leute zum Sammelappell geholt wurden, hegte die Leitung des Aufstandes die Befürchtung, daß die Stoßtruppler, wenn sie erfahren, daß sie fast unbewaffnet den Kampf aufnehmen sollen und daß das frühere Versprechen der militärischen Leiter, im gegebenen Moment eine genügende Menge von Waffen zu beschaffen, nicht erfüllt worden sei, gewissermaßen enttäuscht sein würden und ihre Kampfstimmung abflauen würde. Das war denn auch der Fall. Auf dem Wege von der Sammelstelle nach den zum Angriff bestimmten Polizeiwachen machte sich ungefähr ein Drittel der versammelten Leute aus dem Staub. Zwei Gruppen erreichten die Objekte des Angriffes überhaupt nicht und hatten sich unterwegs vollkommen zerstreut.

Etwa gegen 5 Uhr 30 hatten die Aufständischen 17 Polizeiwachen überwältigt und entwaffnet, (Barmbek, Wandsbek, einen Teil von Winterhude und Uhlenhorst sowie anderer Stadtteile). Die Wache Nr. 46 mit verstärkter Belegschaft, in der Essener Straße, konnte wegen des ungeschickten Vorgehens eines der Gruppenleiters, der das Feuer auf die Wache von der Straße aus in dem Moment eröffnete, als sich andere Gruppen bereits innerhalb der Wache befanden und dortselbst an die Entwaffnung der Polizei gingen, nicht entwaffnet werden. Dadurch entstand bei den in die Wache eingedrungenen Stoßtrupplern der Eindruck, daß sie von außen her durch Schutzpolizei angegriffen würden. Aus diesem Grunde, und auch weil es einem der Schupoleute innerhalb der Wache gelungen war, in die Gruppe der Stoßtruppler rechtzeitig eine gutgezielte Handgranate zu werfen und dadurch den übrigen Schupoleuten die Möglichkeit zu verschaffen, sich kampffertig zu machen – ist der Überfall auf diese Wache gescheitert.

Gegen 6 Uhr hatten sich an der Sammelstelle etwa 130 mit Gewehren und Revolvern bewaffnete Stoßtruppler eingefunden. Auch waren drei leichte Maschinengewehre erbeutet worden. Als Instruktoren, die zeigen sollten, wie man mit ihnen umzugehen hat, wurden gefangene Schupoleute herangezogen. Handgranaten und Patronen waren in den Polizeiwachen wenig vorgefunden worden. Wahrscheinlich verstanden es die Stoßtruppler nicht, sie ausfindig zu machen. In einem Fall ist es vorgekommen, daß noch etwa gegen 10 Uhr morgens in einer Polizeiwache 40 Gewehre gefunden wurden, die man im Augenblick des Angriffs auf die Wache einfach nicht bemerkt hatte.

Gegen 6 Uhr hatten sich an der Sammelstelle etwa 130 mit Gewehren und Revolvern bewaffnete Stoßtruppler eingefunden. Auch waren drei leichte Maschinengewehre erbeutet worden. Als Instruktoren, die zeigen sollten, wie man mit ihnen umzugehen hat, wurden gefangene Schupoleute herangezogen. Handgranaten und Patronen waren in den Polizeiwachen wenig vorgefunden worden. Wahrscheinlich verstanden es die Stoßtruppler nicht, sie ausfindig zu machen. In einem Fall ist es vorgekommen, daß noch etwa gegen 10 Uhr morgens in einer Polizeiwache 40 Gewehre gefunden wurden, die man im Augenblick des Angriffs auf die Wache einfach nicht bemerkt hatte.

Der außerordentliche Erfolg, den die Stoßtruppler bei der Überwältigung der Polizeiwache hatten, erklärt sich durch zwei Ursachen.

Erstens ist lange vor dem Aufstand von den Leitern der Kampfgruppen eine sorgfältige Rekognoszierung der Zugangsstraßen zu den Wachen sowie ihrer Innenorganisation vorgenommen worden. Die Organisierung des Angriffs auf sie war restlos durchdacht worden und es waren alle möglichen Einzelheiten bis ins kleinste vorgesehen. Beim Angriff haben die Stoßtruppler eine außerordentliche Kühnheit und Ausdauer an den Tag gelegt.

Zweitens war die wegen der „Unruhe in der Stadt“ im Laufe der letzten Tage und bis zum 22. Oktober abends in dritte Kampfbereitschaftsstufe2 versetzte Polizei am 22. Oktober in Kampfbereitschaftsstufe 1 versetzt worden. Das geschah deshalb, weil die Polizei in den letzten Tagen vor dem Aufstand außerordentlich mitgenommen war. Von dem in Vorbereitung befindlichen Aufstand hatte der Polizeipräsident Hamburgs der Befehl erteilte, die Polizei auf Kampfbereitschaftsstufe 1 zu versetzen, natürlich keine Ahnung gehabt. In der Nacht vom 22. zum 23. Oktober lagen die Schupoleute in tiefem Schlaf. Durch den plötzlichen Überfall der Stoßtruppler wurden sie vollkommen überrumpelt.

Durch diese zwei Umstände erklärt sich der ungeheure Erfolg der fast unbewaffneten Stoßtruppler über die bis an die Zähne bewaffneten Schupoleute von 17 Polizeiwachen.

Zur Frage der Ueberrumpelung der Polizeiwachen durch die StoßtruppIer bemerkt der Polizeioberstleutnant Hartenstein, einer der Leiter des Kampfes gegen die Aufständischen, in tiefsinniger Weise:

„Wenn die Polizei von dem kommunistischen Aufstandsplan am Vorabend des Kampfes Kenntnis gehabt hätte, so dürfte mit Recht angenommen werden, daß die feindliche Aktion unverzüglich durch entsprechende Gegenmaßnahmen der Polizei, noch bevor sie um sich zu greifen vermocht hätte, unterdrückt worden wäre3.

Zu Beginn des Losschlagens wurden von der Aufstandsleitung Genossen (ohne Waffen) nach den Stadtbahnhöfen, vor die Betriebs- und Fabriktore sowie nach anderen Punkten, an denen die Arbeiter gewöhnlich zusammenkommen, entsandt, um den Generalstreik zu proklamieren und die Arbeiter für den aktiven Kampf zu gewinnen. Das gelang ihnen restlos. Es wurden sämtliche Verkehrsmittel stillgelegt, die Fabriken und Betriebe stellten die Arbeit ein und die Arbeiter konzentrierten sich in den Stadtteilen, in denen der bewaffnete Kampf vor sich ging.

Den nicht entwaffneten Polizeiwachen kam alsbald Verstärkung zu Hilfe, u. a. einige Panzerautos, und es gelang den Aufständischen nicht, diese Polizeiwachen einzunehmen. Der Mißerfolg des weiteren, von den Stoßtrupplern unternommenen Kampfes um die Entwaffnung der noch verbliebenen Polizeiwachen erklärt sich auch dadurch, daß seitens der Aufständischen (oder richtiger: der Leitung) einige taktische Fehler begangen wurden (zusammenhangloses Vorgehen beim Angriff der einzelnen Gruppen auf die Polizeiwachen).

Im Zusammenhang damit, daß einige Polizeiwachen nicht entwaffnet wurden und daß den Wachen neue Polizeistreitkräfte als Verstärkung zu Hilfe kamen4, wurde der Angriff auf die Polizeikasernen in Wandsbek zunächst hinfällig. Es begannen die Partisanenkämpfe mit der Polizei. Es bildeten sich kleine Gruppen bewaffneter Arbeiter. Die Leitung der Gefechtshandlungen erfuhr eine erhebliche Schwächung. Die Aufständischen gingen, im Grunde genommen, zur Verteidigung über. Gegen 7 Uhr morgens erteilte die Leitung den Befehl zum Bau von Barrikaden.

Ungeachtet dessen, daß die breiten Massen nichts davon wußten, daß am 23. Oktober der bewaffnete Aufstand erfolgen sollte, haben sich die Massen, als sie am 23. Oktober morgens erfuhren, daß gekämpft wird, in der einen oder andern Form am Aufstand beteiligt. Unter den Massen war allgemein der Schrei zu hören: „Gebt uns Waffen!“ Aber Waffen waren immer noch in außerordentlich ungenügender Menge vorhanden. Gleich nachdem die Losung über den Bau von Barrikaden ausgegeben worden war, wuchsen diese in der kürzesten Frist in allen Stadtteilen aus dem Boden hervor. Das war nur möglich dank der Teilnahme der breiten Arbeitermassen, u. a. auch der Frauen und Arbeiterinnen am Bau der Barrikaden und am Aufstand überhaupt.

Die Leitung des Aufstandes im Barmbeker Stadtteil war nicht informiert über den Verlauf des Aufstandes in den anderen Stadtteilen Hamburgs. Sie nahm an, daß die Barmbeker und die Arbeiter der an Barmbek angrenzenden Stadtteile nur eine vorübergehende Niederlage erlitten hatten, daß diese Niederlage jedoch keine entscheidende Bedeutung besitze und den Aufstand als Ganzes nicht in Frage zu stellen vermöge. Die Leitung nahm an, daß die Aufständischen in den anderen Stadtteilen möglicherweise große Erfolge haben und daß deshalb Barmbek das Errungene festhalten und sich bis zum Eintreffen von Verstärkungen mit Ausdauer zur Wehr setzen muß. Mit der politischen Leitung Hamburgs und auch mit seiner militärischen Leitung hatten die Barmbeker seit Beginn des Losschlagens keinerlei Verbindung mehr. Es wurden einige Meldungen an die Hamburger Parteileitung und an den militärischen Leiter gesandt, diese Meldungen aber haben aus irgend einem Grunde ihren Bestimmungsort nicht erreicht. Erst in der zweiten Hälfte des Tages erfuhren die Aufständischen, daß es in der Innenstadt Hamburgs, unter anderem auch in Altona, überhaupt keinen Aufstand gab, und daß dort alles ruhig war. Wie das zu erklären war, konnten sich die Arbeiter in den Stadtteilen, die im Aufstande standen, nicht vorstellen.

Aus der weiteren Darlegung ergibt sich klar, warum der Kampf in den nordöstlichen Stadtvierteln Hamburgs isoliert blieb.

Die Altonaer Organisation des OD hat ihre Aufgabe: Entwaffnung der Polizei, nicht ausgeführt. Nach den Schilderungen eines der Leiter des Hamburger Aufstandes erklärt sich das durch folgende Ursachen:

„Erstens stellte sich heraus, daß sich der Stab der Aufständigen in einem Irrtum befand, als er annahm, daß es gelungen sei, in Altona einige Tage vor dem. Losschlagen Waffen für 240 Mann aufzutreiben. Das traf in keiner Weise zu. Zweitens wurde der Leiter für den OD in Altona erst im allerletzten Moment ernannt. Selbstverständlich war es diesem Leiter nicht möglich, sich in so kurzer Zeit in der neuen Situation zurechtzufinden. Außerdem hat der neue Leiter den vorhandenen Aktionsplan des Altonaer OD aufgehoben. Drittens wurden hier für den Angriff auf eine Polizeiwache ein ganzer Zug ja stellenweise sogar zwei Züge des OD eingesetzt. Während sich die Züge sammelten, bemächtigte sich der zahlreichen Teilnehmer eine Alarmstimrnung, hervorgerufen durch Gerüchte, daß der in Vorbereitung befindliche Angriff bereits durch Verräter der Polizei angezeigt worden sei. Auf diese Weise, gelang es, von den fünf Zügen des OD, die die wichtigsten Polizeiwachen angreifen sollten, nur einem Zug, in der sechsten Stunde in eine der Polizeiwachen – in Ottensen – einzudringen und sechs Schupoleute zu entwaffnen. Hier kam es zwischen den Angreifenden und den nichtentwaffneten Schupoleuten zu einer gegenseitigen Beschießung die 15 Minuten lang währte; als aber der Kundschafterdienst meldete, daß drei Lastautos mit Schupoleuten im Anzug seien, zerstreuten sich die Stürmenden unter Mitnahme der erbeuteten Waffen.“

Zu Aufstandsversuchen kam es am Morgen des 23. Oktober auch in anderen Stadtteilen (St. Georg u. a.); infolge der schlechten militärischen und politischen Leitung aber und auch infolge des Fehlens von Waffen, hatten diese Versuche keinen Erfolg. Eine Ausnahme bildet Schiffbek, wo die Aufständischen die Polizei rasch entwaffneten und die Macht zwei Tage lang behaupteten.

Bis 17 Uhr des 23. Oktober wurde in Eilbek, Barmbek, Hamm und anderen Stadtteilen ein heftiger bewaffneter Kampf zwischen den Polizisten und den Aufständischen geführt. Die Polizei, die bedeutende Streitkräfte im südlichen Teil von Barmbek konzentriert hatte, ging zweimal energisch zum Angriff auf die Barrikaden der Aufständischen vor. Diese beiden Attacken wurden von den Aufständischen zurückgeschlagen. Die Polizei erlitt erhebliche Verluste. Die Aufständischen, die sich auf Hausdächern, hinter Fenstern, hinter Balkongeländern und hinter den Barrikaden verschanzt hatten, hatten vollkommen freies Gesichts- und Schußfeld und eröffneten jedesmal, wenn die Polizei sich den Barrikaden näherte, ein Schnellfeuer gegen sie. Die Verluste seitens der Aufständischen waren unbedeutend. Vor jedem Sturmangriff eröffnete die Polizei ein rasendes Gewehr- und Maschinengewehrfeuer auf die Barrikaden, in der Annahme, daß sich die Hauptkräfte der Aufständischen gerade hinter den Barrikaden befinden. ln Wirklichkeit aber standen hinter den Barrikaden nur einige Barrikadenverteidiger, während die Hauptkräfte der Aufständischen, wie bereits ausgeführt, auf den Dächern, hinter den Fenstern und den Balkongeländern der umliegenden Häuser in Stellung lagen.

Der dritte große Sturmangriff der Polizei auf die Barrikaden in Eilbek scheiterte deshalb, weil die Abteilung der Polizei, die zum Sturmangriff angesetzt wurde, ein Panzerautomobil zur Beschießung der Barrikaden mit Maschinengewehrfeuer voraussandte, um erst dann zum Sturmangriff vorzugehen. Plötzlich trat aus einem Haustor ein Stoßtruppler heraus und brachte mit einem wohlgezielten Schuß den Chauffeur des Panzerautos zur Strecke. Die Bedienungsmannschaft des Panzerautos rettete sich daraufhin durch die Flucht und ließ das Panzerauto stehen. Der Sturmangriff der Schupoleute unterblieb im Zusammenhang damit.

Im weiteren Verlauf wurden gegen diese Barrikade die Sturmangriffe bedeutender Polizeistreitkräfte erst geführt, nachdem die Aufständischen, ohne daß die Polizei es bemerkt hatte, die Barrikade verlassen und sich auf neue Stellungen zurückgezogen hatten. Das Trommelfeuer, das die starken Polizeikräfte auf die zum Sturmangriff bestimmte Barrikade richteten, war nicht mehr nötig. Es stand kein einziger Aufständiger mehr hinter ihr.

Während der ganzen Dauer des Aufstandes haben sich die Aufständischen nicht nur verteidigt, sondern sind, wo sich die Situation als günstig erwies, unerwartet zum Angriff übergegangen und haben kurze Gegenstöße geführt, wobei sie die Stellung des Gegners umgingen usw. und dadurch die Kräfte des Feindes aufrieben und demoralisierten.

So zum Beispiel haben die Aufständischen durch ihr energisches und geschicktes Vorgehen den Kampf gegen die Panzerautos der Polizei in höchst intensiver Weise geführt. Es ist vorgekommen, daß zwei Panzerautos der Schupo bei ihrer Fahrt durch die Straße auf Barrikaden stießen, während in der gleichen Straße hinter ihnen plötzlich eine neue Barrikade hervorwuchs, so daß die Autos abgeschnitten waren und mehrere Stunden lang untätig bleiben mußten. Ähnliche Fälle, die die Kühnheit und Initiative der Aufständischen , kennzeichnen, hat es überaus zahlreiche gegeben.

Bevor wir nun zur weiteren Darlegung des Verlaufes des Aufstandes übergehen, muß auf die Frage eingegangen werden, warum der Kampf in den nordöstlichen Stadtvierteln Hamburgs isoliert geblieben ist und warum der Aufstandsplan, soweit er die Mobilisierung der Massen in ganz Hamburg zum konzentrischen Angriff auf die Innenstadt betraf, nicht verwirklicht wurde, warum in einer Reihe von Stadtvierteln, in denen vom Morgen des 23. Oktober ab gegen die Polizei gekämpft wurde, dieser Kampf in der Folge eingestellt wurde.

Die Dinge lagen so, daß das Hamburger Proletariat gerade am 23. Oktober, d. h. in dem Moment, als es mehr denn je einer festen Führung bedurfte, keine solche Führung besaß. Aus einigen Stadtvierteln kamen Meldungen, daß sie Befehl haben, den Kampf einzustellen, daß der Aufstand in Hamburg verschoben sei und daß die Arbeiter, in Ausführung dieses Befehls, die Waffen verstecken und weitere Weisungen von der Parteileitung abwarten.

Einzelne Genossen aus der Bezirksleitung der Partei5 glaubten, daß, nachdem einige Stadtviertel losgeschlagen hatten, die aktiven Gefechtshandlungen gerade in jenen Stadtvierteln begonnen werden müßten, in denen der Aufstand noch nicht eingesetzt hatte, aber es war schon zu spät, da infolge des unglücklichen Befehls zur Liquidierung des Aufstandes der Kampf in den Stadtteilen, mit Ausnahme von Barmbek und daran angrenzenden Stadtvierteln, bereits eingestellt war. Gegen 10 Uhr stellte sich heraus, daß die Direktive zur Einstellung des Aufstandes von dem soeben von der Chemnitzer Konferenz zurückgekehrten Sekretär der Hamburger Parteileitung Urbahns6 erteilt worden war.

Urbahns hat, wie sich in der Folge herausstellte, den Stadtteilen diese Direktive auf Grund der Ergebnisse des Ausgangs der Chemnitzer Betriebsrätekonferenz erteilt. Die Dinge lagen so, daß die Chemnitzer Konferenz – die die Frage des Beginns des Generalstreiks zu entscheiden hatte, der nach Meinung des ZK der KPD in den bewaffneten Aufstand um die Macht hätte umschlagen sollen, während der Hamburger Aufstand zum Signal für den Generalaufstand werden sollte – infolge schlechter Organisierung damit endigte, daß der Generalstreik mit einer, wenn auch sehr unbedeutenden Mehrheit, die die Sozialdemokraten erhielten, abgelehnt wurde. Da somit die Konferenz endigte, ohne daß der Generalstreik ausgerufen wurde, beschloß die Kommunistische Partei, vorerst auf den bewaffneten Aufstand zu verzichten.

Die Chemnitzer Konferenz hat am 21. Oktober stattgefunden. Warum im Laufe des 22. Oktober nichts über den Ausgang dieser Konferenz und die daraus sich ergebenden weiteren Beschlüsse des ZK der Kommunistischen Partei nach Hamburg mitgeteilt wurde, ist uns unverständlich.

An die von der Polizei umzingelte Aufstandsleitung in Barmbek gelangte diese Direktive, den Aufstand nicht zu machen, wie bereits ausgeführt, erst um 17 Uhr des 23. Oktober. Obgleich die Partei das Signal zur Einstellung des Kampfes gegeben hatte, organisierten die Massen des Hamburger Proletariats aus eigener Initiative eine Reihe von Demonstrationen, drangten sich in dichten Mengen auf den Straßen, stellten die Arbeit in den Betrieben und Fabriken ein und warteten auf die Direktive zum aktiven Vorgehen. Vor dem Gewerkschaftshaus bildete sich eine vielköpfige Arbeitermenge, die die polizeiliche Absperrung, die von den Reformisten für das Gewerkschaftshaus verlangt worden war, durchbrachen, ins Gewerkschaftshaus eindrangen und die flüchtenden reformistischen Gewerkschaftsführer zu verprügeln begannen. Die Menge löste sich erst auf, als die Polizei aus Gewehren auf sie zu feuern begann.

Die Kämpfe im südlichen Teil von Barmbek gingen bis Einbruch der Dunkelheit (17 Uhr) weiter. Die Polizei erlitt schwere Verluste; dank ihrer fortwährend zunehmenden Kräfte gelang es ihr jedoch, die Aufständischen allmählich nach Norden abzudrängen. Um 18 Uhr 30 Minuten kam der Befehlshaber der Polizeiabteilungen, Oberst Danner, zu dem, Schluß, daß ein weiterer Kampf der Polizei gegen die Aufständischen zwecklos sei und gab den Befehl, den Kampf gegen die Aufständischen einzustellen.

Die Nacht vom 23. zum 24. Oktober verlief ruhig. Die Aufständischen in Barmbek, die bequeme und gedeckte Stellungen bezogen hatten, eröffnen von Zeit zu Zeit Schnellfeuer gegen die auftauchenden Gruppen der Schutzpolizei und zerstreuen sie. In den Straßen schlichen Spitzel umher. Die Aufständischen, obwohl sie wußten, daß es in den übrigen Stadtvierteln Hamburgs keinen Aufstand gab und daß der Befehl zur Beendigung des Aufstandes erteilt wurde, beschlossen dennoch, den Kampf fortzusetzen. Die Bevölkerung von Barmbek läßt ihnen jede Unterstützung zuteil werden: sie baut mit an den Barrikaden, sie sorgt für Brot und Zigaretten, sie führt den Gegner durch falsche Nachrichten irre usw. usw. Besonders aktiv beteiligen sich die Frauen am Barmbeker Aufstand.

Neben den Meldungen über die Einstellung des Aufstandes kursieren unter den Aufständischen die allerverschiedenartigsten Gerüchte etwa von der Art, daß in Mitteldeutschland der Generalstreik ausgebrochen sei, daß aus Sowjetrußland Hilfe aller Art (ein Dampfer mit Waffen usw.) unterwegs sei.

Erst nachdem in der Nacht vom 23. zum 24. Oktober in Barmbek eines der verantwortlichen Mitglieder der Hamburger Parteileitung eingetroffen war und den Stoßtrupplern den Befehl zur Einstellung des Kampfes erteilt hatte, begannen die Aufständischen sich zu zerstreuen und ihre Wohnungen aufzusuchen.

Bei Anbruch des zweiten Tages des Aufstandes trafen aus Kiel der Kreuzer, „Hamburg“ mit zwei Torpedobooten und einer Abteilung Schutzpolizei aus Lübeck in Stärke von 500 Mann im Hamburger Hafen ein. Die Kräfte der Konterrevolution hatten auch noch dadurch Verstärkung erfahren, daß die in Hamburg bestehenden faschistischen Organisationen aus geheimen Waffenlagern Waffen erhalten hatten und in Kampfbereitschaft gebracht worden waren.

Im Morgengrauen begann die Polizei am 24. Oktober den konzentrischen Angriff auf Barmbek. An dem Angriff beteiligten sich sämtliche vorhandenen Kräfte der Schutzpolizei und Faschisten. Zur Aufklärung kreisten feindliche Flugzeuge über Barmbek. Eine Matrosenabteilung des Kreuzers „Hamburg“ weigerte sich, am Kampf gegen die Aufständischen teilzunehmen. Der Sturmangriff der Schutzpolizei erwies sich als unnötig. Die Aufständischen waren bereits nicht mehr in ihren Stellungen. Nur einzelne Dachschützen gaben nach wie vor wohlgezielte Schüsse auf die angreifende Schutzpolizei ab.

Am 24. Oktober, vormittags 11 Uhr, erstattete Oberst Danner seiner vorgesetzten Behörde Meldung, daß Barmbek „gefallen“ ist.

Nach der Einnahme Barmbeks durch die Schutzpolizei wurden deren Hauptkräfte zur Niederschlagung der Rätemacht in Schiffbek und zur Liquidierung der „Unruhen“ in einer Reihe südöstlicher Stadtviertel Hamburgs befohlen. Es bedurfte eines stundenlangen, hartnäckigen Kampfes der Polizei gegen die Aufständischen, um sie aus den von ihnen besetzten, verbarrikadierten Stellungen zu vertreiben.

Am 25., und sogar noch am 26. Oktober wurden in Barmbek von einzelnen Gruppen der Stoßtruppler Angriffe auf kleine Schupoabteilungen, die Haussuchungen vornahmen und die Teilnehmer des Aufstandes ausfindig zu machen suchten, unternommen.

Die Polizei hatte während des Aufstandes ungefähr 60 Mann an Toten und eine bedeutende Anzahl Verwundeter verloren. Auf seiten der Stoßtruppler gab es 4–6 Tote (die Zahl der Verwundeten ist nicht festgestellt worden). Sehr groß war die Zahl der Toten und Verwundeten unter jenen Teilen der Bevölkerung, die am Aufstand nicht mit bewaffneter Hand teilgenommen hatten und auf die die Polizei sehr häufig das Feuer eröffnet hatte. Unter den Verwundeten und Toten waren auch zwei Kinder.

Die geringen Verluste der Stoßtruppler erklären sich namentlich durch ihre kunstvolle Barrikadentaktik, die Abgabe des Feuers von den Dächern, den Balkons und überhaupt von gutverschanzten Stellungen aus.

Der Aufstand in Hamburg war von Teilaktionen der Arbeiter gegen die Schutzpolizei und die behördlichen Instanzen, von Plünderungen der Lebensmittelläden usw. in einer Reihe von Städten und Dörfern im Hamburger Bezirk begleitet (Bergedorf, Itzehoe, Kiel u. a.).

Schlußbetrachtungen über den Hamburger Aufstand

  1. Der Aufstand in Hamburg dauerte zwei Tage, aber trotz der ungeheuren Überlegenheit der, Militärstreitkräfte – ist er nicht durch die Kräfte der Konterrevolution niedergeschlagen worden. Der Aufstand wurde abgebrochen zufolge der Direktive der Partei. Die bewaffneten Streitkräfte des Hamburger Proletariats zogen sich freiwillig vom Kampf zurück und stellten den weiteren Kampf freiwillig ein. Der Hamburger Polizeipräsident berichtete in seinem Rapport an die Berliner vorgesetzte Stelle, daß es ihm trotz seiner Bemühungen nicht gelungen war, den Widerstand der Aufständischen zu brechen, daß die letzteren nicht durch die Kräfte der Schutzpolizei vernichtet wurden, sondern sich freiwillig vom Kampf zurückgezogen und unter Mitnahme der Waffen in Sicherheit gebracht haben. In dem gleichen Rapport hob der Polizeipräsident besonders den Mut und die Kühnheit hervor, die von den Aufständischen vom Anfang bis zum Ende des bewaffneten Kampfes in Hamburg an den Tag gelegt worden sind. Er konstatierte die Ohnmacht der Schutzpolizei im Kampf gegen die Aufständischen dort, wo letztere zu den Methoden des aktiven Abwehrkampfes unter starker Zuhilfenahme von Barrikaden, Dach-, Balkon- und Fensterdeckungen griffen und die Unterstützung der aufständischen Bevölkerung besaßen.

Mit dieser Beurteilung der Hamburger Kämpfe durch den Feind sind wir voll und ganz einverstanden.

  1. Der Hamburger Aufstand war unbedingt ein proletarischer Massenaufstand. Die Zahl der Stoßtruppler, die aktiv, mit bewaffneter Hand, an dem Aufstand teilnahmen, war allerdings verhältnismäßig gering und betrug etwa 250–800 Mann. Aber die breiten Massen des Hamburger Proletariats haben durch ihre Haltung gegenüber den Aufständischen bewiesen, daß sie auf der Seite der Aufständischen standen. Die rasche Errichtung eines weitverzweigten Barrikadennetzes war nur möglich dank der Beteiligung der Arbeitermassen am Aufstand. Die Massen äußerten ihre positive aktive Teilnahme am Aufstand dadurch, daß fast alle Betriebe und Fabriken, Docks und Schiffswerften usw. die Arbeit einstellten und das Wirtschaftsleben in der Stadt fast völlig zum Stillstand kam.

Der Aufstand in Hamburg war nicht als ein isoliertes, mit der Aktion des Proletariats in den anderen Gebieten Deutschlands nicht zusammenhängendes Ereignis gedacht. Er sollte, so wie er gedacht war, zum Signal für den Generalaufstand in den ausschlaggebenden Industriegebieten ganz Deutschlands werden. Er fand statt in einem Augenblick, als die revolutionäre Gärung in Deutschland ihren Höhepunkt und die politische und wirtschaftliche Krise des Landes ihren schlimmsten Tiefstand erreicht hatte.

  1. Die politische Vorbereitung des Hamburger Aufstandes indessen war außerordentlich schwach. Einzelne politische Sekretäre der Stadtteile erfuhren von dem bevorstehenden Aufstand erst im letzten Augenblick, einige erfuhren durch Zufall davon, weshalb sie die erforderliche vorbereitende politische und organisatorische Arbeit nicht zu leisten imstande waren.

Unter dem Gesichtspunkte betrachtet, wie er geleitet wurde ist der Hamburger Aufstand ein klassisches Beispiel dafür, wie ein Aufstand nicht organisiert werden und wie man sich einem Aufstand gegenüber nicht verhalten darf. Nachdem der Aufstand begonnen und bedeutende Erfolge erzielt hatte, durfte man nicht, ohne dem Marxismus untreu zu werden, das Signal zur Einstellung des Kampfes geben. Dies durfte um so weniger geschehen, als der Aufstand zufolge der Direktive der Partei begonnen worden war. „Mit dem Aufstand darf man nicht spielen“ (Engels). Einige Führer der Hamburger Parteiorganisation (Urbahns) haben mit dem Aufstand gespielt. Man mußte, trotz des Ausgangs der Chemnitzer Konferenz, nachdem der Aufstand bereits begonnen hatte, alle Kräfte des revolutionären Proletariats Hamburgs und der anderen Bezirke zwecks Ausdehnung des Aufstandes in Hamburg selbst und seiner Unterstützung durch die revolutionäre Aktion überall dort, wo das möglich war, mobilisieren. In Hamburg mußte die Losung der Organisierung von Räten aufgestellt und mit aller Kraft die Agitation und die organisatorische Arbeit zu ihrer Bildung betrieben werden. Aber in Hamburg ist unsere Partei – die Avantgarde der Klasse, die den proletarischen Massenaufstand zu organisieren und zu führen hat, nicht nur untätig geblieben, sondern sie hat die Entwicklung des Aufstandes gehemmt. Die Haltung der Partei, oder richtiger ihrer Führung, zum Aufstand war in der Tat die gleiche, wie sie 1905 der russische Theoretiker Plechanow einnahm und in den Worten ausdrückte: „Man hätte nicht zu den Waffen greifen sollen.“

Ohne eine Organisierung des Aufstandes, ohne seine Führung durch die revolutionäre Partei ist ein siegreicher Aufstand undenkbar. Im Hamburger Aufstand fehlte die Führung der Partei und der Aufstand konnte nicht umhin, so zu enden, wie er faktisch geendet hat.

  1. Nichtsdestoweniger haben es die Aufständischen, trotz der schlechten Vorbereitung des Aufstandes und ungeachtet dessen, daß die Kampforganisation der Partei äußerst schwach war und keine Waffen hatte, dennoch verstanden, dank ihrer hingebungsvollen Treue gegenüber der Sache der Revolution, ihrem Mut, ihrem energischen und geschickten Vorgehen, dank ihrer Unterstützung durch die Arbeitermassen, einen erfolgreichen Kampf gegen die zahlenmäßig überlegenen und bis an die Zähne bewaffneten Kräfte der Schutzpolizei zu führen. Das zeugt davon, daß der Funktionärkern des Hamburger Proletariats, in der Hauptsache jener Barmbeks, Mut besaß, und daß bei einer richtigen militärischen und politischen Führung die Kampfabteilungen, auch wenn sie nur über geringe Mengen von Waffen verfügen, gegenüber den Kräften der Konterrevolution auf Erfolg rechnen können. Man kann sich leicht vorstellen, welches Resultat der Hamburger Aufstand gehabt hätte, wenn in der Führung des Kampfes nicht jene Fehler gemacht worden wären, die tatsächlich gemacht wurden. Und es war sehr wohl möglich, diese Fehler zu vermeiden.
  2. Selbstverständlich darf man nicht glauben, daß, wenn der Hamburger Aufstand siegreich gewesen, d. h. wenn es dort gelungen wäre, die Macht zu erobern, daß es dann auch möglich gewesen wäre, diese Macht zu behaupten, auch dann, wenn das rote Hamburg isoliert geblieben und der Hamburger Aufstand nicht in den ausschlaggebenden Zentren Deutschlands unterstützt worden wäre. Die Notwendigkeit des Aufstandes in den anderen Städten, mindestens in den Städten der Wasserkante, war die Hauptvoraussetzung für einen Sieg des revolutionären Kampfes in Hamburg. Wir sind der Meinung, daß Hamburg unter den damaligen Verhältnissen in Deutschland zum Signal für den Aufstand in einer Reihe von Zentren und Bezirken Deutschlands werden konnte. Das Hamburger Proletariat war imstande, die Macht zu erobern und in die Hand zu nehmen, trotz des Verrates der Sozialdemokratie. Dazu aber war es nötig, daß an der Spitze der Kommunistischen Partei Deutschlands eine bolschewistische Führung stand. Diese Führung war nicht vorhanden. Letzteres erklärt sich in der Hauptsache dadurch, daß die Hamburger Parteiorganisation im Grunde genommen aus zwei Fraktionen: aus den Brandlerianern (den Rechten) und aus den vom Genossen Thälmann geführten Linken bestand. Die Verantwortung für den Zusammenbruch des Aufstandes in Hamburg wie auch für den Verzicht auf den revolutionären Kampf 1923 in ganz Deutschland tragen die damaligen Rechten in der Kommunistischen Partei.

  1. Für den Betrag der wöchentlichen staatlichen Erwerbslosen-Unterstützung konnte sich ein Erwerbsloser einen Liter Milch oder ein Pfund Brot kaufen. Die Monatspension eines Rentners oder Invaliden reichte gerade aus, um ein Exemplar einer Zeitung oder eine Schachtel Streichhölzer zu kaufen. Nicht besser war es um die noch im Betriebe stehenden Arbeiter bestellt. Die von den Arbeitern erzwungene Konzession der zweimaligen wöchentlichen Lohnauszahlung brachte ihnen keinerlei Erleichterung, da das rasche Tempo der Markentwertung und die Zunahme der Teuerung den Lohn des Arbeiters völlig entwerteten und ihn der brutalsten Ausbeutung auslieferten.↩︎
  2. In der deutschen Polizei bestehen drei Bereitschaftsstufen: Stufe 1, 2 und 8; die letztere ist die höchste, wobei die Schupoleute sich vollversammelt in Kampfbereitschaft befinden.↩︎
  3. Oberstleutnant Hartenstein, „Der Kampfeinsatz der Schutzpolizei bei inneren Unruhen“.↩︎
  4. Oberstleutnant Hartenstein schildert in seinem Buch, daß sämtliche Schupoleute des Hamburger Hafens durch faschistische Freiwillige ersetzt und die freigewordenen Schupoleute zum Kampf gegen die Aufständischen eingesetzt wurden. Er gibt an, daß im Laufe des 24. Oktober, 800 Faschisten in den Polizeidienst eingestellt wurden.↩︎
  5. In Hamburg gab es damals außer der Hamburger Parteileitung auch noch die Bezirksleitung Wasserkante.↩︎
  6. Urbahns ist heute aus der Partei ausgeschlossen.↩︎